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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 21.02.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 145/01
Rechtsgebiete: BayBO, BGB, WEG


Vorschriften:

BayBO Art. 7 Abs. 4
BGB § 1004
WEG § 3
WEG § 7 Abs. 4
WEG § 21 Abs. 4
WEG § 22 Abs. 1
WEG § 48 Abs. 3
In einer Teilungserklärung kann die gesetzliche Bestimmung des § 22 Abs. 1 WEG über bauliche Veränderungen wirksam abbedungen werden. Ebenso können für eine erst noch zu errichtenden Wohnanlage die wohnungseigentumsrechtlichen Vorschriften über bauliche Veränderungen wirksam abbedungen werden. Insoweit entfällt regelmäßig ein Anspruch auf Herstellung eines dem Aufteilungs-, Lage- und Bauplan entsprechenden Zustandes.
Beschluss 2Z BR 145/01 21.02.02

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Das Wohnungseigentum wurde zwischen den Antragstellern, der Antragsgegnerin zu 1 und deren am 2.9.2000 tödlich verunglücktem Ehemann am 16.6.2000 nach § 3 WEG vereinbart und am 4.9.2000 im Grundbuch eingetragen. Die gesetzlichen Erben des Verstorbenen sind neben der Antragsgegnerin zu 1 die Antragsgegner zu 2 und 3. Nach der notariellen Teilungserklärung (III. und IV. § 1) wurden der Antragsgegnerin zu 1 und deren verstorbenem Ehemann ein Miteigentumsanteil zu 717,5/1435 verbunden mit dem Sondereigentum an dem im westlichen Grundstücksbereich gelegenen Haus Nr. 1 samt Garage Nr. 1 (Doppelgarage), den Antragsgegnern ein gleich großer Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an dem in der östlichen Grundstückshälfte gelegenen Haus Nr. 2 samt Garage Nr. 2 (Doppelgarage) zu Miteigentum je zur Hälfte sowie auch das ausschließliche Nutzungsrecht an allen nicht im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen der Gebäude eingeräumt, in welchen sich das Sondereigentum befindet. Die Bauwerke waren seinerzeit noch nicht errichtet.

Als Inhalt des Sondereigentums vereinbarten die Wohnungseigentümer insbesondere:

§ 3

Bauliche Änderungen,

Änderung des Gegenstandes des Sondereigentums

Die Miteigentümer räumen sich gegenseitig das Recht ein,

a) den Gegenstand ihres Sondereigentums in beliebiger Weise zu ändern,

b) die Gebäudeteile, an denen ihnen gemäß § 1 die ausschließliche Nutzung zusteht, in beliebiger Weise ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse umzugestalten, auch durch Um-, An-, Aus- und Neubauten.

Nach § 4 sind die Wohnungseigentümer bei der Verwaltung, Nutzung, Instandhaltung und Instandsetzung des Wohnungs- und Teileigentums keinerlei Beschränkungen oder Zustimmungsvorbehalten der übrigen Wohnungseigentümer unterworfen. Die nicht überbauten Flächen im Umgriff der Gebäude wurden den jeweiligen Wohnungseigentümern zum ausschließlichen Gebrauch zugewiesen (§ 6). Schließlich enthält die Urkunde eine gesonderte Vereinbarung, nach der sich die Eigentümer des Wohnungseigentums Nr. 2 vorbehalten, den überdachten Freisitz an der Südseite zuzumauern und mit Fenstern zu versehen, während die Eigentümer der Wohneinheit Nr. 1 sich verpflichten, einer Umwandlung des überdachten Freisitzes nach Abmauerung in Sondereigentum zuzustimmen. Bestandteil des Aufteilungsplans und der Abgeschlossenheitsbescheinigung ist ein Lageplan, der beide Wohn- und Garagengebäude auf den zum ausschließlichen Gebrauch zugewiesenen beiden Grundstücksteilflächen darstellt. Hiernach befindet sich die zu Haus Nr. 1 gehörige Garage in einem Abstand von 2 m zur westlichen Grundstücksgrenze.

Die Antragsgegnerin zu 1 errichtete die Garage demgegenüber ca. 12 m nach Osten verschoben direkt an der Grenze zum Sondernutzungsbereich der Antragsteller.

Die Antragsteller haben, soweit hier noch von Interesse, beantragt, die Antragsgegner samtverbindlich zu verpflichten, die in Abweichung von der Teilungserklärung errichtete Doppelgarage an der Grenze zu der ihnen eingeräumten Sondernutzungsfläche zu beseitigen. Das Amtsgericht hat den Antrag am 22.3.2001 abgewiesen, das Landgericht die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 26.7.2001 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Aus der Teilungserklärung ergebe sich keine verbindliche Festlegung des im Aufteilungsplan vorgesehenen Garagenstandorts. Bei dieser Erklärung sei nur auf Wortlaut und Sinn des im Grundbuch Eingetragenen abzustellen, wie es sich für den unbefangenen Beobachter als nächstliegende Bedeutung ergebe. Weil hiernach jeder Wohnungseigentümer den Gegenstand des Sondereigentums in beliebiger Weise ändern könne, bedürfe es im Bereich des Sondernutzungsrechts oder des Sondereigentums keiner Zustimmung anderer Wohnungseigentümer zur baulichen Veränderung. Die diesbezügliche gesetzliche Vorschrift sei wirksam abbedungen. Sondereigentum und Flächen, die im Sondernutzungsrecht ständen, könne jeder Wohnungseigentümer wie ein Alleineigentümer nutzen. Auf nicht zum Grundbuchinhalt gewordene abweichende Vorstellungen der teilenden Wohnungseigentümer komme es nicht an. Auch die notarielle Regelung über die Abmauerung des vorhandenen Freisitzes lasse keine Rückschlüsse zugunsten der Antragsteller zu. Ebenso wenig könnten die Antragsteller ihren Beseitigungsanspruch auf eine verbindliche Abrede vor Abschluss der Teilungserklärung stützen. Der Erfolg ihres Beseitigungsverlangens richte sich vielmehr nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts, die hier entsprechend anzuwenden seien. Verstöße gegen solche privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Vorschriften, insbesondere gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften, seien jedoch nicht feststellbar. Schließlich liege für die Garage auch eine Baugenehmigung vor.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Wohnungseigentum der Beteiligten ist wirksam entstanden. Dafür spielt es keine Rolle, dass die Gebäude auf dem Grundstück im Zeitpunkt der Teilungserklärung nach § 3 WEG noch nicht errichtet waren. Denn auch an "zu errichtenden" Gebäuden kann Wohnungseigentum eingeräumt werden (§ 3 Abs. 1 a.E. WEG). Dem gleichwohl geltenden Bestimmtheitsgrundsatz des Sachen- und Grundbuchrechts wird dadurch Rechnung getragen, dass der vorliegende Aufteilungsplan nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 WEG Voraussetzung für die Eintragung von Wohnungseigentum im Grundbuch und damit für die Begründung von Wohnungseigentum ist. Dieser Plan hat die Lage und die Größe der als Sondereigentum vorgesehenen Räume darzustellen und die Grenzen des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums klar abzustecken (BayObLGZ 1989, 470/471 f.; Weitnauer WEG 8. Aufl. § 7 Rn. 12). Strittig ist, ob der Aufteilungsplan immer auch die Lage des Gebäudes oder der mehreren Gebäude auf dem Grundstück aufzeigen muss (siehe OLG Hamm Rpfleger 1976, 317/319; auch OLG Bremen Rpfleger 1980, 68; ferner Weitnauer § 1 Rn. 8 und § 7 Rn. 20). Denn Grund und Boden stehen notwendig im gemeinschaftlichen Eigentum. Die Streitfrage bedarf hier keiner abschließenden Klärung, weil der Aufteilungsplan jedenfalls auch für den Standort der fraglichen Garage eindeutig ist und lediglich die tatsächliche Bauausführung von dem Aufteilungsplan abweicht, weil die Garage nach Osten versetzt errichtet wurde.

b) Ungeklärt kann in diesem Zusammenhang bleiben, ob an den sondereigentumsfähigen Teilen des Garagengebäudes (vgl. § 3 Abs. 1, § 5 WEG; siehe auch Weitnauer § 5 Rn. 21) trotz der planwidrigen Bauausführung Sondereigentum entstanden ist.

Selbst wenn infolge der Planabweichung an sämtlichen Gebäudeteilen Gemeinschaftseigentum entstanden wäre, könnten die Antragsteller mit ihrem Beseitigungsverlangen nicht durchdringen.

c) Grundsätzlich kann allerdings jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass die übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG bei der Herstellung eines erstmaligen ordnungsmäßigen Zustandes der Wohnanlage mitwirken. Ordnungsmäßig ist ein Zustand, der dem Aufteilungsplan und den Bauplänen entspricht (BayObLGZ 1989., 470/473; BayObLG NZM 1999, 29; 2000, 515). Dazu gehört, dass geplante Gebäude an der Stelle errichtet werden, an der sie nach dem Aufteilungsplan vorgesehen sind (BayObLGZ 1989, 470/473). Spiegelbildlich betrachtet benötigt also derjenige Wohnungseigentümer, der abweichend vom Aufteilungsplan ein Gebäude errichtet, nach § 22 Abs. 1 WEG grundsätzlich die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer, weil es sich im allgemeinen um eine beeinträchtigende bauliche Veränderung handelt (vgl. Palandt/ Bassenge BGB 61. Aufl. § 22 WEG Nrn. 2, 17). Fehlt sie, so kann ein Anspruch auf Beseitigung der ohne Zustimmung getroffenen baulichen Maßnahme in Betracht kommen (Palandt/Bassenge § 22 Rn. 20).

d) Einer solchen Zustimmung der Antragsteller bedurfte es hier jedoch nicht. Denn in der Gemeinschaftsordnung, die der Senat als Grundbucherklärung selbständig auslegen kann (BGHZ 121, 236/239; BayObLG ZMR 2000, 234), ist bestimmt, dass die Wohnungseigentümer sich gegenseitig das Recht einräumen, den Gegenstand ihres Sondereigentums in beliebiger Weise zu ändern. Darüber hinaus dürfen sie Gebäudeteile, an denen ihnen die ausschließliche Nutzung zusteht, in beliebiger Weise ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse umgestalten, wozu ausdrücklich auch Um-, An-, Aus- und Neubauten gehören. Diese Regelungen erfassen auch die im Sondernutzungsbereich der Antragsgegner errichtete Doppelgarage, ohne dass es auf deren genaue eigentumsrechtliche Zuordnung ankommt. Durch die Teilungserklärung ist, wie das Landgericht zutreffend betont, die gesetzliche Bestimmung des § 22 Abs. 1 WEG über bauliche Veränderungen wirksam abbedungen. Nach Wortlaut und Sinn der Erklärung, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt, gilt nichts anderes für die erstmalige Errichtung in Abweichung zum Aufteilungsplan. Denn es wäre weder konsequent noch folgerichtig, ausschließlich zur Nutzung zugewiesene Gebäudeteile ohne Rücksicht auf die Eigentumsverh41tnisse durch Um-, An-, Aus- und Neubauten umgestalten zu können, andererseits aber erst aufteilungsgemäß und bauplanentsprechend errichten zu müssen. Die Teilungserklärung enthält auch keine Beschränkung auf die im Aufteilungsplan enthaltenen Gebäudegrundflächen, was im übrigen im Widerspruch zur Möglichkeit stände, An- und Neubauten zu errichten, welche ihrer Natur nach über die ursprünglich beanspruchten Grundflächen hinausgreifen.

Schließlich erlaubt auch die Sondervereinbarung für den Freisitz der Antragsteller keine anderweitigen Rückschlüsse, weil sie die Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum und eine damit einhergehende Verpflichtung zur Änderung der Teilungserklärung zum Gegenstand hat.

Maßgeblich für die Frage, ob die Antragsteller die Beseitigung der Garage verlangen können, sind somit nicht die wohnungseigentumsrechtlichen Vorschriften (§ 22 Abs. 1 § 15 Abs. 3, § 14 Nr. 1 WEG), sondern die allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts, die hier entsprechend anzuwenden sind (BayObLG ZMR 20000 234; 2001, 362 und 472).

e) Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf den vorgelegten Tekturplan ebenfalls rechtsfehlerfrei und damit für den Senat bindend festgestellt, dass die Doppelgarage die in Art. 7 Abs. 4 BayBO vorgegebenen Maße und Flächen nicht überschreitet, Abstandsflächen somit nicht eingehalten werden müssen. Der Sachvortrag der Antragsteller in der Beschwerdeinstanz gibt zu weitergehenden Beweiserhebungen keinen Anlass. Insbesondere lässt sich die mittlere Wandhöhe, als die gemäß Art. Abs. 3 Satz 2 BayBO das Maß von der natürlichen oder festgelegten Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand gilt, aus dem vorgelegten Tekturplan auch ohne sachverständige Beratung entnehmen. Für eine vom genehmigten Plan abweichende Bauausführung fehlt es an hinreichend bestimmtem Vortrag.

f) Schließlich hat das Landgericht auch zutreffend eine die Beteiligten bindende schuldrechtliche Vereinbarung über die Lage der zu errichtenden Gebäude verneint. Dem steht schon die inhaltlich widersprechende spätere Teilungserklärung entgegen.

3. Die Kostenentscheidungen der Tatsacheninstanzen können in der Rechtsbeschwerde gemäß § 27 FGG nur auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüft werden (vgl. nur Müller Praktische Fragen des Wohnungseigentums 3. Aufl. Rn. 663). Amts- und Landgericht haben die in der Teilungserklärung getroffenen Regelungen dafür herangezogen, dass das Begehren der Antragsteller von vornherein aussichtslos erschien. Dies lässt Ermessensfehler auch insoweit nicht erkennen, als - nach entsprechenden richterlichen Hinweisen - in den jeweiligen Beschlüssen eine außergerichtliche Kostenerstattung (vgl. § 47 Satz 2 WEG) angeordnet wurde.

In der Rechtsbeschwerdeinstanz erscheint es nach § 47 WEG angemessen, dass die Antragsteller als Gesamtschuldner die Gerichtskosten tragen und überdies, nach den eindeutigen Entscheidungen der Vorinstanzen, den Antragsgegnern auch die außergerichtlichen Kosten ganz zu erstatten haben.

Der Geschäftswert bestimmt sich gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung; es kommt wegen der Rechtskraftwirkung der angestrebten Entscheidung (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG) auf das Interesse aller beteiligter, also nicht nur der Antragsteller an (vgl. nur Weitnauer/Hauger § 48 Rn. 3; Müller Rn. 673 m. w. N.). Der Geschäftswert bemisst sich bei einem Beseitigungsverlangen regelmäßig nach der Beeinträchtigung durch den gegenwärtigen Zustand, aber auch nach dem Abwehrinteresse des Gegners (Staudinger/Wenzel WEG § 48 Rn. 24 f.). Anhaltspunkte können die Baukosten einerseits, die Beseitigungskosten andererseits bieten (BayObLG DWE 1983, 60 [Leitsatz]; siehe auch Müller Rn. 675), wobei sich jedoch jede schematische Betrachtungsweise verbietet. Eine nicht unerhebliche Rolle spielen hier auch die durch das um etwa 12 m nach Osten verschobene Bauwerk ausgelösten sonstigen Beeinträchtigungen für Lichteinfall, Sichtverhältnisse, Geräuschemissionen und Nutzungsmöglichkeiten auf der benachbarten Sondernutzungsfläche. Der Senat bewertet sie nach dem plausiblen Vortrag der Antragsteller als durchaus beträchtlich. Alles in allem erscheint demnach ein Geschäftswert von 20000 EUR interessengerecht.

Ende der Entscheidung

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