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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 04.09.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 145/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 5 Abs. 2
WEG § 10 Abs. 1 Satz 2
WEG § 16 Abs. 2
1. Die Wohnungseigentümer können in Abweichung von der gesetzlichen Regelung durch Vereinbarung die Kosten der Instandsetzung und Instandhaltung einzelner Teile des gemeinschaftlichen Eigentums (hier: Fenster-/Türelement) dem jeweiligen Wohnungseigentümer auferlegen.

2. Eine Instandsetzung umfasst auch die Erneuerung im Sinne einer Ersatzbeschaffung einzelner Teile des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums.


Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Der Antragstellerin gehört die Wohnung Nr. 30 in einem der zehn Wohngebäude.

Mit Schreiben vom 21.1.2001 setzte die Antragstellerin die Verwalterin der Anlage davon in Kenntnis, dass das Fenster- und Türelement in ihrem Wohnzimmer nicht schließe und das gesamte Holz verrottet sei. Eine Teilreparatur sei nicht möglich. Die Verwalterin verweigerte für die Gemeinschaft die verlangte Kostenübernahme. Im März 2001 ließ die Antragstellerin das Fenster-/Türelement auswechseln. Hierfür wurden ihr 3.775,37 DM (= 1.930,32 EUR) in Rechnung gestellt.

In den Eigentümerversammlungen vom 18.6.2001 und 25.6.2002 lehnten die Wohnungseigentümer jeweilige Anträge der Antragstellerin, schadhafte Fenster-/Türelemente auf Kosten der Gemeinschaft auszutauschen, ab. Die Beschlüsse sind bestandskräftig.

Die Teilungserklärung von 1972 bezeichnet unter Abschnitt III § 3 Abs. 2 Buchst. d die Innenfenster sowie den Innenteil der Außenfenster einschließlich Verglasung als Teil des Sondereigentums. Die Gemeinschaftsordnung (GO) regelt unter § 5 die Instandhaltungspflicht für die dem Sondereigentum unterliegenden Gebäudeteile. Die Verpflichtung umfasst nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GO ferner im räumlichen Bereich des Sondereigentums

a) den Anstrich der für den gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Leitungen jeder Art sowie der Innenseite der Fenster und der Wohnungs-Abschlusstüren,

b) die Beseitigung von Glasschäden und die Instandhaltung und Instandsetzung der Wohnungs-Abschlusstüren im Innern einschließlich der Türrahmen nebst Verkleidung sowie etwaiger Außenfenster und Rollläden, in beiden Fällen jedoch mit Ausnahme des Streichens der Außenseiten, das Sache der Eigentümergemeinschaft ist.

§ 7 Abs. 1 GO bestimmt, dass jeder Wohnungseigentümer allein die Kosten aller nach § 5 GO vorgenommenen Reparaturen und sonstigen Maßnahmen am Wohnungseigentum allein zu tragen hat.

Die Antragstellerin hat beantragt, die Antragsgegner zur Erstattung der für den Fensteraustausch verauslagten Kosten zu verpflichten. Dem hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 4.12.2002 entsprochen. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde der Antragsgegner am 20.6.2003 stattgegeben. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragstellerin habe die durch den Fensteraustausch bedingten Kosten selbst zu tragen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Fenster in Teilen oder insgesamt zwingend gemeinschaftliches Eigentum seien. Auch wenn Fenster einheitlich dem gemeinschaftlichen Eigentum zuzurechnen seien, folge die Kostentragungspflicht der Antragstellerin aus der abweichenden Regelung in der Gemeinschaftsordnung. Deren Auslegung ergebe, dass der jeweilige Wohnungseigentümer die Kosten für die Auswechselung von Außenfenstern im Bereich seines Sondereigentums tragen müsse. Auf die Frage, ob auch die Beschlusslage einer Kostenübernahme durch die Gemeinschaft entgegenstehe, komme es nicht mehr an.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Es kann hier dahinstehen, ob das gesamte Fenster-/Türelement oder nur Teile davon zwingend Gemeinschaftseigentum im Sinn von § 5 Abs. 2 WEG sind. Der Senat hat dies in einem Beschluss vom 23.2.1995 (NJW-RR 1996, 140) jedenfalls für doppelverglaste Fenster mit einfachem Rahmen und in einer weiteren Entscheidung vom 14.8.2003 (2Z BR 112/03) für Kunststofffenster mit Isolierglas bejaht. Denn unabhängig von der Zugehörigkeit zum Sonder- oder zum Gemeinschaftseigentum ergibt sich eine Pflicht zur Kostentragung der Antragstellerin aus § 7 i.V.m. § 5 GO. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b GO ist der einzelne Wohnungseigentümer zur Instandhaltung und Instandsetzung der Außenfenster mit Ausnahme des Streichens der Außenseiten verpflichtet, und nach § 7 Abs. 1 GO hat jeder Wohnungseigentümer allein die Kosten von Reparaturen und sonstigen Maßnahmen am Wohnungseigentum zu tragen, soweit er sie nach § 5 GO selbst vornehmen muss. Diese vom Gesetz (§ 16 Abs. 2 WEG) abweichende Vereinbarung über die Kostenverteilung begegnet keinen Bedenken (siehe BayObLG WuM 1993, 562; Weitnauer/Hauger WEG 8. Aufl. § 16 Rn. 3 und 4 sowie 20; Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 16 Rn. 39, § 21 Rn. 51). Einer Umdeutung der Zuordnungsbestimmung der Fenster zum Sondereigentum in eine Verpflichtung, dass der jeweilige Wohnungseigentümer die Instandsetzungspflicht in Bezug auf die gesamten Fenster hat und die diesbezüglichen Kosten trägt (siehe OLG Hamm WE 1992, 82), bedarf es hier nicht.

b) Das Landgericht hat die maßgeblichen Regelungen in der Gemeinschaftsordnung dahin ausgelegt, dass sie die Kosten eines vollständigen Fensteraustauschs dem einzelnen Wohnungseigentümer überbürden. Der Senat, der die Gemeinschaftsordnung ohne verfahrensrechtliche Beschränkungen selbst auslegen kann, kommt zum gleichen Ergebnis. Schon in seinem Beschluss vom 28.4.1993 (WuM 1993, 562), der sich auf eine gleich lautende Klausel in einer Gemeinschaftsordnung bezog, hat der Senat ausgeführt, dass die Instandsetzung und Instandhaltung auch die vollständige Erneuerung im Sinne der Ersatzbeschaffung von Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums umfasst, sofern durch sonstige Maßnahmen ein ordnungsmäßiger Zustand nicht mehr hergestellt werden kann (siehe auch BayObLG NJW-RR 1996, 140/141). Daran ist festzuhalten (siehe auch Palandt/Bassenge BGB 62. Aufl. § 21 WEG Rn. 12; Niedenführ/Schulze § 21 Rn. 57).

Die Gemeinschaftsordnung überbürdet den Wohnungseigentümern Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen für Gebäudeteile im räumlichen Bereich des Sondereigentums. Unter § 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b GO werden sprachlich klar und unmissverständlich mehrere Bestandteile des Gebäudes nacheinander aufgezählt, die davon erfasst sind, nämlich die Wohnungsabschlusstüren im Innern einschließlich der Türzargen, sodann die Außenfenster und schließlich die Rollläden. Als nächstliegende Bedeutung der Regelung kann ihr der Senat weder entnehmen, dass nur Fenster gemeint sind, die wie etwa ein Oberlicht zur Wohnungsabschlusstüre gehören, noch sie dahin interpretieren, dass nur Fenster innerhalb der Wohnung selbst erfasst sind, dagegen nicht solche Fenster, die wie das Außenmauerwerk Abschlussfunktion haben. Liest man die Regelung im Zusammenhang mit § 3 Abs. 2 Buchst. d der Teilungserklärung, ergibt sich kein Widerspruch. Während die Teilungserklärung den Innenteil der Außenfenster samt Verglasung als Sondereigentum bezeichnet, erweitert § 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b GO die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers über den Innenteil hinaus auf die Außenfenster in ihrer Gesamtheit und nimmt hiervon wiederum das Streichen der Außenseiten aus. Dies erscheint auch sachgerecht, weil auf der Grundlage unterschiedlicher Eigentumsverhältnisse an Außenfenstern, wovon die Teilungserklärung ausgeht, jedenfalls die Instandsetzungspflicht sinnvollerweise in eine Hand gelegt wird. Dem folgt die Regelung zur Kostentragung, wonach die Zahlungspflicht sich nach der Instandsetzungspflicht richtet.

Der Auslegung steht nicht entgegen, dass die Gemeinschaftsordnung von "etwaigen" Außenfenstern spricht. Aus diesem Sprachgebrauch lässt sich nicht der Schluss ziehen, die Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung habe den nur hypothetischen Fall des Vorhandenseins einer bestimmten Art von Außenfenstern regeln wollen, die es in der tatsächlich vorhandenen Wohnanlage gar nicht gibt und die jedenfalls auch keine Wohnungsabschlussfunktion besitzen. Nach der nächstliegenden Bedeutung hat die Bestimmung vielmehr einen auf die konkreten Belange der Anlage zugeschnittenen Hintergrund, was sich aus der zusätzlichen Erwähnung der Rollläden und aus der Sonderregelung zum Streichen der Außenseite folgern lässt.

c) Die Wohnungseigentümer hatten bereits in zwei Beschlüssen das Ansinnen der Antragstellerin, die Kosten für die Fenstererneuerung durch die Gemeinschaft zu übernehmen, bestandskräftig abgelehnt. Die Ablehnung eines Beschlussantrags durch die Wohnungseigentümer hat selbst Beschlussqualität; ein Negativbeschluss ist nämlich kein Nichtbeschluss (BGHZ 148, 335). Der Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (BayObLGZ 2002, 20/25; siehe auch BayObLGZ 2002, 247/249). Ob und unter welchen Voraussetzungen trotz eines bestandskräftigen Negativbeschlusses nachträglich überhaupt noch mit Aussicht auf Erfolg ein an sich unbefristeter Verpflichtungsantrag gestellt werden kann (siehe dazu Deckert ZMR 2003, 153/158), ist bisher nicht abschließend entschieden und kann auch an dieser Stelle auf sich beruhen.

3. Der Senat hält es nach § 47 WEG für angemessen, der unterlegenen Antragstellerin die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Von der Anordnung einer Kostenerstattung sieht der Senat angesichts der widersprüchlichen Instanzentscheidungen ab.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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