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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 15.09.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 145/04
Rechtsgebiete: HeizkostenV


Vorschriften:

HeizkostenV § 9
Zur Schätzung der mittleren Temperatur des Warmwassers nach § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 HeizkostenV müssen die maßgeblichen Schätzgrundlagen ermittelt werden, insbesondere die an der Heizung eingestellte Temperatur und die Heizungskapazität. Ein pauschaler Ansatz von 60° C ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte Zweifel daran bestehen, dass diese Durchschnittstemperatur auch tatsächlich erreicht wurde.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Appartements, das vermietet ist. Der Warmwasserverbrauch wird bei den einzelnen Nutzern durch Wasseruhren gemessen. Bei der Besichtigung des Appartements am 20.4.2000 wurde festgestellt, dass der Warmwasserhahn defekt war und ununterbrochen Wasser lief, das mittels eines vom Mieter angebrachten Schlauchstücks in den Abfluss geleitet wurde. Bei der letzten Ablesung vom 2.2.1999 lag der Defekt noch nicht vor.

Gegenstand des Verfahrens ist der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 25.9.2000 über die Genehmigung der Jahresgesamt- und Einzelabrechnung für den Zeitraum 1.1.1999 bis 31.5.2000. Unter der Position "Heizung, Wasser" ist in der Jahresabrechnung ein Gesamtbetrag von 83.947,55 DM aufgeführt und als Anteil des Appartements der Antragstellerin "laut Heizkostenabrechnung" ein Betrag von 50.375 DM. Die von einer Messdienstfirma erstellte Heiz- und Warmwasserkostenabrechnung führt für das Appartement der Antragstellerin einen Verbrauch von 3.635,71 m3 und Kosten hierfür von 49.472,19 DM auf. Die Gesamtkosten für Heizung und Warmwasser im ganzen Anwesen mit insgesamt 25 Wohnungen beliefen sich auf 67.963,42 DM. Hiervon entfielen laut Abrechnung 65.114,66 DM auf Warmwasser und 2.761,76 DM auf Heizung.

Der Rechtsvorgänger der Antragstellerin hat den Beschluss vom 25.9.2002 über die Jahresabrechnung insoweit angefochten, als die Eigentümerversammlung die Einzel- und Gesamtbewirtschaftungskosten beschlossen und die Nachzahlung fällig gestellt hat. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 7.3.2003 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht am 28.5.2004 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Aufteilung der Gesamtkosten für Heizung und Warmwasser entspreche den Vorgaben der HeizkostenV. Der angefallene Warmwasserverbrauch sei durch Ablesung des Warmwasserzählers festgestellt worden. Konkrete Anhaltspunkte für Messungenauigkeiten größeren Umfangs bestünden nicht. Die Aufteilung der Warmwasser- und Heizkosten sei entsprechend § 9 Abs. 2 HeizkostenV erfolgt. Als mittlerer Wert für die Temperatur des Warmwassers sei 60° C angesetzt worden. Dies sei nicht zu beanstanden, obwohl nach den Ausführungen des Sachverständigen es unrealistisch sei, dass mit dem rechnerisch verbleibenden Anteil von lediglich 6,57 % der Gesamtkosten das Anwesen hätte beheizt werden können.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Im Ergebnis zutreffend hat allerdings das Landgericht § 9a HeizkostenV nicht angewendet. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeführerin kommt weder eine direkte noch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift in Betracht. Das gilt jedenfalls deshalb, weil auch in den Vorjahren die mittlere Temperatur nicht gemessen wurde.

b) Den Warmwasserverbrauch innerhalb des Appartements der Antragstellerin hat das Landgericht ohne Rechtsfehler festgestellt. Der Senat ist hieran gebunden (§ 27 Abs. 1 FGG, § 559 ZPO).

c) Die Aufteilung der Kosten bei verbundenen Anlagen hat nach § 9 Abs. 1, 2 HeizkostenV zu erfolgen. Nach der Systematik des § 9 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV ergibt sich der Anteil der zentralen Anlage zur Versorgung mit Wärme aus dem gesamten Verbrauch nach Abzug des Verbrauchs der zentralen Warmwasserversorgungsanlage.

Der Brennstoffverbrauch der zentralen Warmwasserversorgungsanlage ist nach § 9 Abs. 2 HeizkostenV zu ermitteln (§ 9 Abs. 1 Satz 4 HeizkostenV). Hierzu stellt § 9 Abs. 2 HeizkostenV grundsätzlich drei Berechnungsmethoden zur Verfügung, nämlich die in § 9 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 HeizkostenV enthaltene Berechnungsmethode, eine Ermittlung nach den anerkannten Regeln der Technik (§ 9 Abs. 2 Satz 4 HeizkostenV) und einen pauschalen Ansatz von 18 % (§ 9 Abs. 2 Satz 5 HeizkostenV). Dabei besteht zwischen der ersten und der zweiten Möglichkeit ein Wahlrecht. Von der dritten Möglichkeit darf nur Gebrauch gemacht werden, wenn das Volumen des verbrauchten Wassers nicht gemessen werden kann (Schmid Handbuch der Mietnebenkosten 8. Aufl. Rn. 6161). Zu Recht hat es deshalb das Landgericht abgelehnt, den 18 %-Ansatz zu wählen, da das Volumen des verbrauchten Wassers tatsächlich durch Messung festgestellt wurde.

Vom Grundsatz her nicht zu beanstanden ist, dass der Messdienst und hierauf aufbauend die Verwalterin von der Formel des § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV ausgegangen sind. Ebenfalls zutreffend ist, dass die mittlere Temperatur nach § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 HeizkostenV zu schätzen ist, da eine Messung der Temperatur nicht stattgefunden hat.

Rechtsfehlerhaft sind jedoch die Erwägungen, die das Landgericht zur Schätzung der mittleren Temperatur vorgenommen hat. Für eine Schätzung sind zunächst die Tatsachen zu ermitteln, die einen Schluss darauf zulassen, dass das Schätzergebnis mit Wahrscheinlichkeit den tatsächlichen Verhältnissen nahe kommt. Das Landgericht hat pauschal auf § 8 Abs. 2 HeizanlagenV in der damaligen Fassung zurückgegriffen und die höchstzulässige Temperatur von 60° C angesetzt. Soweit der Kommentierung von Lammel (Schmidt-Futterer Mietrecht 8. Aufl. § 9 HeizkostenV Rn. 16) solches zu entnehmen ist, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine durch Rechtsverordnung vorgeschriebene Höchsttemperatur kann zwar für eine Schätzung die Vermutung begründen, dass verordnungskonform keine höhere Temperatur eingestellt ist. Sie begründet aber keine Vermutung dafür, dass die Vorlauftemperatur nicht niedriger ist. Diese Schätzgrundlage begegnet im vorliegenden Fall schon deshalb Zweifeln, weil das Landgericht selbst ausführt, es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass aufgrund des ständigen Durchflusses ein Teil der Wassermenge nicht die Temperatur von 60° C erreicht hat. Darüber hinaus hat es der Sachverständige als unrealistisch bezeichnet, dass mit der verbleibenden Energiemenge das ganze Haus hätte beheizt werden können. Die Schätzung des Landgerichts hält deshalb schon einer bloßen Plausibilitätskontrolle nicht stand.

Das Landgericht wäre deshalb gehalten gewesen, weitere Schätzgrundlagen zu ermitteln (§ 12 FGG). Hierbei hätte es sich insbesondere angeboten, durch Einvernahme des Hauswarts oder anderer Personen, die die Heizungsanlage betreuten, festzustellen, auf welche Temperatur das Warmwasser eingestellt war (vgl. Lammel aaO). Da das Landgericht selbst annimmt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Teil der Wassermenge nicht die Temperatur von 60° C erreicht hat, bietet es sich darüber hinaus an, den Sachverständigen ergänzend zu befragen, welche mittlere Temperatur des Warmwassers die Heizungsanlage nach ihrer Kapazität und dem gemessenen Warmwasserverbrauch auf Dauer hätte erreichen können. Schließlich ist der Sachverständige auch ergänzend zu befragen, bei welcher mittleren Warmwassertemperatur vom gesamten Brennstoffverbrauch soviel übrig bleibt, dass eine Beheizung des Gebäudes noch möglich war.

Da der Senat gehindert ist, diese tatsächlichen Feststellungen selbst zu treffen, ist die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

III.

Für das weitere Verfahren wird bemerkt:

Bei der Vornahme der Schätzung haben die Wohnungseigentümer einen Beurteilungsspielraum. Das Landgericht kann deshalb die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses darauf beschränken, ob das Schätzergebnis sich auch nach den noch durchzuführenden Ermittlungen im Rahmen dieses Beurteilungsspielraums hält. Sollte dies nicht der Fall sein, ist der angefochtene Beschluss für ungültig zu erklären. Die Vornahme einer erneuten - sachgerechten - Schätzung ist dann zunächst Sache der Wohnungseigentümer.



Ende der Entscheidung

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