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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.11.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 146/04
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 314
BGB § 823
BGB § 824
BGB § 1004
GG Art. 5
Der Verwalter hat keinen Anspruch auf Widerruf vorwiegend wertender Aussagen eines Wohnungseigentümers, auch wenn diese tatsächliche Behauptungen enthalten und sich die tatsächlichen und wertenden Elemente einander durchdringen.
Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin ist Wohnungseigentümerin in einer Wohnanlage, die von dem Antragsteller verwaltet wurde.

Am 10.6.2003 richtete die Antragsgegnerin, auch im Namen anderer Wohnungseigentümer, an den Antragsteller ein als Abmahnung bezeichnetes Schreiben, in dem Folgendes ausgeführt war:

Hiermit mahnen wir Sie ab, da Sie ohne entsprechende Legitimation Gutachten eingeholt haben. Dies sehen wir als Vertragsverletzung an.

Außerdem ist Ihr Verhalten gegenüber Familie S. unakzeptabel.

Sie setzen sich nur für die eigenen Interessen, sowie die von Herrn K. ein und lassen die Wünsche der anderen Eigentümer außer Acht. Die Gemeinschaftsinteressen sind nicht berücksichtigt worden.

In einem weiteren Schreiben vom 10.6.2003 an den Antragsteller führte die Antragsgegnerin u.a. aus: "Sie handeln im eigenen Interesse und gegen die Interessen der Eigentümer".

Der Antragsteller behauptet, der Inhalt dieser Schreiben sei auch den anderen Wohnungseigentümern zur Kenntnis gebracht worden, und begehrt den Widerruf der in den beiden Schreiben enthaltenen Ausführungen. Außerdem verlangt der Antragsteller Ersatz vorprozessualer Anwaltskosten für die Aufforderung zur Abgabe einer Widerrufs- und Unterlassungserklärung. Schließlich begehrt der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Abmahnung vom 10.6.2003 zurückzunehmen, und die Feststellung, dass er berechtigt sei, die Abmahnung vom 10.6.2003 aus den Verwalterakten zu entfernen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.3.2004 die Anträge abgewiesen. Das Landgericht hat am 21.6.2004 die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere formgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 1 FGG). Dass die Beschwerdeschrift offensichtlich vom Antragsteller selbst verfasst und von einem Rechtsanwalt als "unterzeichnender Rechtsanwalt" unterschrieben wurde, steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Es ist für die Wahrung der Formvorschrift ausreichend, dass eine vom Beschwerdeführer gefertigte Beschwerdebegründung von einem Rechtsanwalt unterschrieben wird, wenn der Rechtsanwalt durch seine Unterschrift zu erkennen gibt, dass er die Beschwerdeschrift inhaltlich geprüft hat und die Verantwortung dafür übernimmt (BayObLGZ 1973, 184/185).

2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.

a) Das Landgericht hat ausgeführt:

Ein Widerrufsrecht analog § 1004 BGB bestehe bereits deswegen nicht, weil es ein Recht auf Widerruf ehrverletzender Werturteile nicht gebe, da dies auf eine unzulässige staatlich sanktionierte Entschuldigungserklärung hinauslaufe. Die von der Antragsgegnerin erhobenen Vorwürfe stellten sich als Werturteile dar, da die Antragsgegnerin lediglich das Verhalten des Antragstellers bewertet habe. Außerdem habe die Antragsgegnerin in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, weshalb auch der Antrag auf Widerruf der Abmahnung und Ermächtigung des Antragstellers, diese aus den Verwalterakten zu entfernen, abzuweisen sei.

b) Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

aa) Dem Antragsteller steht kein Anspruch auf Widerruf nach §§ 1004, 823, 824 BGB zu.

Ein Widerrufsanspruch besteht nur hinsichtlich einer Tatsachenbehauptung, nicht aber hinsichtlich eines Werturteils (BGH NJW 1989, 774). Die Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung und einem Werturteil bereitet dann Schwierigkeiten, wenn, wie im vorliegenden Fall, aus einer Tatsachenbehauptung eine Wertung abgeleitet wird, wenn sich also die tatsächlichen und wertenden Elemente einander durchdringen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. NJW 1992, 1442/1443; NJW 2000, 199/200) gewährleistet das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG jedem das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Bei Werturteilen handelt es sich dabei stets um Meinungsäußerungen. Der Grundrechtsschutz ist aber darauf nicht beschränkt. Auch Tatsachenbehauptungen genießen den Grundrechtsschutz jedenfalls dann, wenn sie meinungsbezogen sind. Eine Meinungsäußerung liegt deshalb jedenfalls dann vor, wenn die Tatsachenbehauptung nur die daraus abgeleitete Meinung stützen soll.

Ein solcher Fall liegt hier bei beiden Schreiben vom 10.6.2003 und auch bei der behaupteten entsprechenden Äußerung gegenüber den anderen Wohnungseigentümern vor. Der Tatsachengehalt, dass der Antragsteller Gutachten eingeholt hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die vom Antragsteller im Kern beanstandeten Äußerungen, dass die Gutachtenseinholung ohne Legitimation erfolgt sei und dass er dadurch eine Vertragsverletzung begangen habe, ist eine Wertung und damit eine Meinungsäußerung. Bei den weiter beanstandeten Äußerungen, dass der Antragsteller sich nur für die eigenen Interessen sowie für die eines weiteren Wohnungseigentümers einsetze, die Wünsche anderer Eigentümer außer Acht lasse und die Gemeinschaftsinteressen nicht berücksichtige, handelt es sich ebenfalls um Werturteile. Die Antragsgegnerin hat damit zum Ausdruck gebracht, dass der Antragsteller nicht im Gemeinschaftsinteresse, sondern in seinem eigenen Interesse und im Interesse eines weiteren Wohnungseigentümers handelt. Konkrete Tatsachen, aus denen die Antragstellerin diesen Schluss zieht, hat sie außer der Gutachtenserholung nicht vorgebracht. Hier steht deshalb nicht die Behauptung konkreter Tatsachen im Vordergrund, sondern eine Wertung des Verhaltens des Antragstellers und damit eine Meinungsäußerung.

Selbst wenn man die Äußerungen der Antragsgegnerin ganz oder teilweise als Tatsachenbehauptung qualifizieren würde, würde ein Widerrufsanspruch daran scheitern, dass die Antragsgegnerin in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat. Von den beiden Schreiben vom 10.6.2003 enthielt das eine eine "Abmahnung", das andere ein Angebot zu einer Vertragsaufhebung. In beiden Fällen war es das Bestreben der Antragsgegnerin, sich vom Antragsteller als Verwalter der Wohnungseigentumsanlage zu trennen. Ein solches Ziel zu verfolgen, ist legitim. Es ist auch nachvollziehbar, dass hierfür Gründe genannt werden, die auch den übrigen Wohnungseigentümern zur Kenntnis gebracht werden können, da diese über die Abberufung des Verwalters mitentscheiden (vgl. § 314 BGB).

bb) Da der vom Antragsteller vorprozessual geltend gemachte Anspruch nicht besteht, hat er auch keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Rechtsverfolgung.

cc) Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme der Abmahnung und Entfernung des Schreibens vom 10.6.2003 aus den Verwalterakten.

Die arbeitsrechtlichen Grundsätze, die der Antragsteller zur Begründung seines Anspruchs heranzieht, sind auf einen Verwaltervertrag mit den Wohnungseigentümern nicht anzuwenden. Es handelt sich dabei nicht um einen Arbeitsvertrag, sondern um einen Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB (BGH NJW-RR 1993, 1227). Es gelten deshalb nicht die besonderen Schutz- und Fürsorgepflichten des Arbeitsrechts. Außerdem liegt trotz der Bezeichnung des Schreibens vom 10.6.2003 als Abmahnung keine Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinn vor, da es an der Kündigungsandrohung fehlt (LAG Köln NZA-RR 1996, 204).

3. Es entspricht der Billigkeit, den in allen Instanzen erfolglosen Antragsteller mit den gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu belasten (§ 47 WEG). Die Geschäftswertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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