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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.08.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 148/04
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004
BGB § 906
WEG § 14
Die Bestimmung des § 906 BGB ist zwar im Verhältnis von Wohnungseigentümern zueinander nicht direkt anwendbar. Sie kann aber für die Beurteilung wesentliche Anhaltspunkte geben, ob durch den Gebrauch einem anderen Wohnungseigentümer ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Anlage, die im wesentlichen aus zwei Einfamilienhäusern besteht, zwischen denen sich ein ca. 1,80 m breiter, mit einer Holz-Glaskonstruktion überdachter Durchgang befindet. In der Teilungserklärung ist bestimmt, dass dem jeweiligen Eigentümer eines Wohnungs- bzw. Teileigentums das Sondernutzungsrecht an den Gebäuden und Gebäudeteilen auf den jeweiligen Sondernutzungsflächen einschließlich u.a. der Außenwände zusteht. Ferner ist dort festgehalten, dass die einzelnen Sondereigentumseinheiten samt Sondernutzungsrechten, soweit gesetzlich zulässig, als selbständige Einheiten anzusehen und zu behandeln sind, als ob es sich je um entsprechendes Alleineigentum handeln würde. Zu baulichen Veränderungen auf der jeweiligen Sondernutzungsfläche bedarf es nach Nr. III der Teilungserklärung nicht der Zustimmung des jeweiligen Berechtigten der anderen Sondernutzungsfläche.

Im September 2002 brachte der Antragsgegner in der dem Durchgang zugewandten Mauer eine ca. 10 x 10 cm große, mit einem Gitter versehene Öffnung für einen Dunstabzug an.

Die Antragstellerin hat bei dem Amtsgericht beantragt, dem Antragsgegner zu verbieten, die Außenentlüftung zu benutzen. Das Amtsgericht hat dem Antrag durch Beschluss vom 12.3.2004 stattgegeben. Dagegen hat das Landgericht auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners am 14.6.2004 den Antrag unter Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

§ 22 WEG sei in der Teilungserklärung in zulässiger Weise abbedungen. Dies habe zur Folge, dass die Zulässigkeit baulicher Maßnahmen nur nach allgemeinen bau- und nachbarrechtlichen Vorschriften zu beurteilen sei. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Dunstabzugs nach § 1004 Abs. 1 BGB, da ihr Sondereigentum dadurch allenfalls unwesentlich beeinträchtigt werde (§ 906 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es handele sich um eine in Privathaushalten gebräuchliche Anlage, die nur in üblichem Ausmaß benutzt werde. Der überdachte Zugang sei zur Straßenseite hin bis zu einer Höhe von etwa 2 m offen und verfüge auch im Bereich des Giebels und zum Garten hin über eine Be- und Entlüftung. Eine Belästigung der Bewohner des Anwesens der Antragstellerin sei auch deshalb weitgehend ausgeschlossen, weil das Gebäude im Durchgangsbereich keine Fenster, sondern lediglich die Eingangstüre aufweise. Eine nennenswerte Beeinträchtigung durch Fettablagerungen sei wegen der geringen Dimension des Auslasses ebenfalls kaum denkbar, zumal die Dunstabzugshaube in der Küche des Antragsgegners über einen Fettfilter verfüge. Selbst wenn - wie die Antragstellerin meine - wegen der Zuführung der Abluft in den gemeinschaftlichen Durchgang insoweit § 14 Nr. 1 WEG anwendbar wäre, bestünde kein Unterlassungsanspruch. Denn das Ausleiten der Abluft in den Durchgang stelle keinen Nachteil dar, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zutreffend geht das Landgericht zunächst davon aus, dass hinsichtlich der Öffnung der Hausmauer zur Anbringung der Entlüftungsanlage § 22 Abs. 1 WEG nicht anwendbar ist, da diese Regelung insoweit durch die Teilungserklärung abbedungen wurde. Dies ist rechtlich zulässig und führt dazu, dass für einen Anspruch auf Beseitigung nicht die § 22 Abs. 1, § 15 Abs. 3, § 14 Nr. 1 WEG maßgebend sind, sondern die allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts, die entsprechend anwendbar sind (BayObLG ZMR 2000, 234/236; BayObLGZ 2001, 41/45).

Dementsprechend begehrt die Antragstellerin hier auch nicht die Beseitigung der Öffnung, sondern die Unterlassung der Nutzung des Dunstabzugs.

b) Unzutreffend hat das Beschwerdegericht jedoch einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. § 14 Nr. 1 WEG verneint.

Hierbei kann offen bleiben, ob § 906 BGB wegen der weitgehenden Abbedingung der Regeln des Wohnungseigentumsrechts in der Teilungserklärung direkt anwendbar ist, oder ob, was näher liegt, für das gemeinschaftliche Eigentum nach wie vor § 14 Nr. 1 WEG gilt. Auch wenn § 906 BGB im Verhältnis der Wohnungseigentümer zueinander nicht unmittelbar einschlägig ist, kann die Bestimmung doch Anhaltspunkte für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Einwirkungen geben (BayObLG NJW-RR 2001, 156; Palandt/ Bassenge BGB 63. Aufl. § 14 WEG Rn. 3).

Nach § 906 Abs. 3 BGB ist die Zuführung unwägbarer Stoffe durch eine besondere Leitung unzulässig. Durch die Öffnung der Außenentlüftungsanlage werden Essensgerüche und Dämpfe konzentriert aus der Küche des Antragsgegners abgeführt und dem gemeinschaftlichen Eigentum zugeleitet. Aus dem Rechtsgedanken des § 906 Abs. 3 BGB ergibt sich, dass die gezielte Zuleitung von Imponderabilien eine wesentliche Beeinträchtigung darstellt (vgl. Soergel/ Baur BGB 13. Aufl. § 906 Rn. 40), durch die den anderen Wohnungseigentümern Nachteile erwachsen, die über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehen (§ 14 Nr. 1 WEG). Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Durchgang zwischen den beiden Anwesen nur ca. 1,80 m breit. Der hintere Bereich ist, wie aus den bei der Akte befindlichen Lichtbildern ersichtlich ist, durch eine Tür abgeschlossen und weist nur eine relativ kleine Lüftungsöffnung auf. Im Giebelbereich ist lediglich ein Lüftungsschlitz angebracht. Wie der Antragsgegner selbst vorträgt, ist die Verlegung des Abzugs in den dessen Sondernutzung unterliegenden Gartenbereich zwar mit einem gewissen Aufwand verbunden, aber technisch möglich. Unter den gegebenen Umständen kann die Antragstellerin die Unterlassung der Nutzung der Außenentlüftungsanlage verlangen. Ohne Bedeutung ist, dass sich an der dem Durchgang zugewandten Außenwand des Anwesens des Antragsgegners früher ein Küchenfenster befunden hat. Denn ein Fenster dient im Gegensatz zu einem Dunstabzug nicht ausschließlich dem Zweck der Ableitung von im eigenen Anwesen als unerwünscht empfundenen Gerüchen. Im Hinblick auf die in § 906 Abs. 3 BGB enthaltene Wertung ist es auch unerheblich, dass im Durchgangsbereich nur die Eingangstür des Hauses der Antragstellerin liegt, dort also keine Fenster vorhanden sind.

Da es vorliegend keiner weiteren Sachaufklärung mehr bedarf, kann der Senat selbst in der Sache entscheiden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten wird wegen der unterschiedlichen Entscheidungen derInstanzgerichte abgesehen.

Der Geschäftswert wird nach § 48 Abs. 3 WEG festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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