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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.10.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 149/04
Rechtsgebiete: GBO


Vorschriften:

GBO § 20
GBO § 29
Zur Auslegung von Vollmachten im Grundbuchverfahren.
Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1 ist eine Bauträgerin, die Beteiligte zu 2 eine Gemeinde.

Mit Tauschvertrag vom 21.7.2003 vertauschten die Beteiligte zu 2 sowie die Beteiligte zu 1, diese handelnd sowohl im eigenen Namen als auch für die jeweiligen Käufer, die Wohnungs- und Teileigentum an dem von ihr bebauten Grundbesitz erworben hatten, Teilflächen aus verschiedenen Grundstücken. Der Vollzug dieser Urkunde beim Grundbuchamt ist beantragt.

Die Beteiligte zu 1 hatte in insgesamt fünf Bauabschnitten über mehrere Jahre hinweg eine Eigentumswohnanlage errichtet und die Wohnungen an eine Vielzahl von Käufern veräußert, die jeweils Wohn- und Teileigentum erworben haben. Die Fläche des gesamten von der Beteiligten zu 1 bebauten Grundbesitzes beträgt 11 954 m2. Durch den Tauschvertrag gibt die Wohnungseigentümergemeinschaft an die Gemeinde eine Fläche von 289 m2 ab und erwirbt gleichzeitig 262 m2 dazu. Die Vertragsschließenden gehen nach der Tauschvertragsurkunde davon aus, dass die Flächen im Wert gleich sind. Grundlage des Tauschs ist der Veränderungsnachweis des Vermessungsamts, der auf der endgültigen Vermessung der öffentlichen Verkehrsflächen beruht.

Die der Beteiligten zu 1 seitens der einzelnen Käufer in Nr. 15 der jeweiligen Kaufvertragsurkunden erteilten Vollmachten haben auszugsweise folgenden Wortlaut:

15.0 VOLLMACHT

Um die sachgerechte Durchführung aller mit dem Vertragsgegenstand und der Eigentumswohnanlage zusammenhängenden Aufgaben zu ermöglichen, bevollmächtigt der Käufer die Beteiligte zu 1 unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB und mit der Befugnis zur Erteilung von Untervollmachten, folgende Rechtsgeschäfte in seinem Namen vorzunehmen:

[...]

15.2

Den Käufer bei der Beurkundung von Rechtsgeschäften gemäß Ziffer 3.1 und der Vermessung einschließlich eventuell notwendiger Änderungen der Teilungserklärung uneingeschränkt zu vertreten, und alle Erklärungen abzugeben und zu empfangen, die zur Durchführung eines Grenzregelungsverfahrens notwendig und erforderlich sind.

[...]

15.6

Den Käufer vor Behörden, Körperschaften und allen Dritten gegenüber zu vertreten, soweit dies der Erfüllung des Vertrages dient und Widmungsanträge gemäß Ziffer 8.1 zu stellen und Widmungsverfügungen entgegenzunehmen. [...]

15.7

[...]

Im Außenverhältnis, insbesondere gegenüber dem Grundbuchamt, sind die Vollmachten unbeschränkt.

Im Innenverhältnis darf von den vorstehenden Vollmachten 15.2 bis 15.5 jedoch nur Gebrauch gemacht werden, wenn dem Käufer dadurch keine Kosten entstehen und

a) durch die Ausübung der Vollmacht das Sondereigentum und die Sondernutzungsrechte des Käufers nicht unmittelbar betroffenen sind und wenn die Änderung dem Käufer zumutbar ist oder

b) der Käufer der Änderung zugestimmt hat.

Die Vollmachten dürfen nur vor den Notaren A und B (Urkundsnotare und Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten) oder deren amtlich bestellten Vertretern ausgeübt werden.

Nr. 3.1 der jeweiligen Kaufverträge lautet:

Der Verkäufer behält sich vor, nach Fertigstellung der Wohnanlage eine Schlussvermessung mit Abmarkung der Grenzen und Einmessung der Gebäude durchzuführen. Soweit sich Unterschiede ergeben, werden die Abweichungen durch ein Grenzregelungsverfahren im Sinne der §§ 80 ff. des Baugesetzbuches korrigiert oder durch Tausch-, Grunderwerbs- und Grundstücksabtretungsverträge bereinigt. [...]

Mit Zwischenverfügung vom 28.1.2004 hat das Grundbuchamt u.a. beanstandet, dass die der Beteiligten zu 1 erteilten Vollmachten der Käufer nicht den getätigten Tauschvertrag umfassten. Hiergegen hat der Urkundsnotar als Bevollmächtigter der Beteiligten Beschwerde eingelegt, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat. Das Landgericht hat die Beschwerde durch Beschluss vom 14.6.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten und Urkundsnotar nach Vorlage der Akten an das Rechtsbeschwerdegericht durch an das Grundbuchamt gerichtete Schreiben vom 12. und 20.7.2004 den Antrag auf Vollzug der Urkunde "zurückgenommen" hat. Eine wirksame Antragsrücknahme würde zwar zur Erledigung des Antrags führen (Meikel-Böttcher Grundbuchrecht 8. Aufl. § 13 Rn. 94). Die genannten Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten beinhalten aber, wie dieser auf entsprechenden Hinweis des Senats klargestellt hat, keine Rücknahme des Eintragungsantrags sondern eine nachträgliche Bestimmung, dass der verfahrensgegenständliche, früher gestellte Antrag erst nach später gestellten Anträgen erledigt werden solle. Eine derartige Bestimmung ist ohne weiteres möglich (Meikel/Bestelmeyer § 17 Rn. 41; Bauer/von Oefele/Wilke GBO § 17 Rn. 33; Demharter GBO 24. Aufl. § 17 Rn. 15). Einer entsprechenden Auslegung der Erklärungen des Bevollmächtigten steht nicht entgegen, dass dieser den Antrag auf Vollzug der Urkunde ausdrücklich "zurückgenommen" hat. Denn in beiden Schreiben ist ausgeführt, dass die "Rücknahme" ausschließlich erfolgt, um nachrangigen Anträgen die Eintragung alsbald, d.h. vor der Entscheidung über das Rechtsmittel zu ermöglichen, und im Übrigen am Vollzug der Urkunde festgehalten werde. Zwar sind bei der Auslegung von Erklärungen im Grundbuchverfahren, die grundsätzlich nach den Vorschriften des BGB, insbesondere in entsprechender Anwendung von § 133 BGB, erfolgt, die Besonderheiten des Grundbuchrechts zu berücksichtigen, zu denen auch der Bestimmtheitsgrundsatz gehört (vgl. Meikel/Böhringer Einleitung G15; Demharter § 13 Rn. 15 und § 19 Rn. 28). Es bestehen aber hier keine durchgreifenden Bedenken dagegen, den abgegebenen Erklärungen den letztlich gewünschten Inhalt beizumessen, zumal schützenswerte Interessen Dritter hierdurch ersichtlich nicht berührt werden.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Auslegung von Vollmachten bestimme sich im Grundbuchverfahren nach den für die Auslegung von Grundbucherklärungen maßgeblichen Grundsätzen. Bleibe die Reichweite zweifelhaft, so sei von dem geringeren eindeutig festzustellenden Umfang der Vollmacht auszugehen.

Der mit der Beschwerde geltend gemachten erweiterten Auslegung der erteilten Vollmachten könne hier nicht gefolgt werden. Die Vollmachten seien zwar nach Nr. 15.7 im Außenverhältnis unbeschränkt. Dies ändere jedoch nichts daran, dass der vorliegende Tauschvertrag nicht von Nr. 15.2 der jeweiligen Kaufverträge umfasst werde. Vollmachten seien hiernach neben weiteren, hier nicht einschlägigen Fällen u.a. für die Beurkundung von Rechtsgeschäften erteilt worden, die auf der Durchführung von Nr. 3.1 der Kaufverträge beruhen. Letztlich entscheidend sei die Frage, ob das einzutragende Rechtsgeschäft eine Bereinigung von Flächenunterschieden infolge Schlussvermessung mit Abmarkung der Grenzen und Einmessung der Gebäude gemäß Nr. 3.1 sei. Es spreche einiges dafür, dass der Begriff der Schlussvermessung hier nicht als vermessungstechnischer Begriff gewählt worden sei. Ob eine derartige Auslegung möglich sei, könne jedoch offen bleiben. Denn nach den Feststellungen des Grundbuchamts habe aktuell weder eine Abmarkung der Grenzen noch eine Einmessung der Gebäude stattgefunden. Überdies stelle sich der Tauschvertrag nicht als das Ergebnis eines Flächenunterschiedes dar, sondern als eine von vorneherein geplante und im Bebauungsplan bereits vorgegebene Grenzverschiebung. Dass die Erteilung umfassender Vollmachten zur Abwicklung eines Bauvorhabens zweckmäßig sein möge, ändere nichts daran, dass im konkreten Fall insoweit keine unbeschränkten Vollmachten vorlägen. Das Rechtsgeschäft werde schließlich auch nicht von Nr. 15.6 des Vertrages erfasst. Der Grundstückstausch sei in Erfüllung von Obliegenheiten gegenüber der Beteiligten zu 2 erfolgt und nicht, wie in Nr. 15.6 vorgesehen, in Erfüllung der jeweiligen Verträge mit den Käufern.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.

a) Das Grundbuchamt hat im Eintragungsverfahren die Wirksamkeit der Bewilligung (§ 19 GBO) bzw. Einigung (§ 20 GBO) zu prüfen. Soweit der Betroffene sich vertreten lässt, gehört zur Wirksamkeit der Erklärung auch das Bestehen einer sie deckenden Vertretungsmacht, die dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO nachzuweisen ist. Die Prüfung von Inhalt und Umfang der Vollmacht gehört hierbei zu den Aufgaben des Grundbuchamts, das die Vollmacht wie jede rechtsgeschäftliche Erklärung auszulegen hat. Für die Auslegung gelten dabei zunächst die für die Auslegung von Grundbucherklärungen geltenden Grundsätze. Hiernach ist auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt; außerhalb der Erklärung liegende Umstände dürfen zur Auslegung nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGHZ 92, 351/355; 113, 374/378; Demharter § 19 Rn. 28). Führt die Auslegung einer Vollmacht zu keinem eindeutigen Ergebnis, gilt der Grundsatz, dass der geringere Umfang der Vollmacht anzunehmen ist, wenn sich der größere nicht nachweisen lässt (BayObLG NJW-RR 1987, 792 und 1998, 737 jeweils m.w.N.; Demharter § 19 Rn. 75).

Vollmachten zur Abgabe von Eintragungsbewilligungen und Eintragungsanträgen hat das Rechtsbeschwerdegericht selbständig auszulegen (BayObLGZ 2002, 296/298). Daher kann der Senat die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit in vollem Umfang überprüfen.

b) Der Auffassung des Landgerichts und des Grundbuchamts, der Umfang der erteilten Vollmacht decke das einzutragende Rechtsgeschäft nicht, kann letztlich nicht gefolgt werden.

(1) Zutreffend ist das Landgericht zunächst zu dem Ergebnis gelangt, dass Nr. 15.7 der jeweiligen Kaufvertragsurkunden der Beteiligten zu 1 keine im Außenverhältnis unbeschränkte Vollmacht dahingehend einräumt, dass der Tauschvertrag hiervon unabhängig vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen von Nr. 15 umfasst würde. Aus dem Gesamtzusammenhang von Nr. 15 ergibt sich, dass der Beteiligten zu 1 keine umfassende Vollmacht zum Abschluss jeglicher Grundstücksgeschäfte gegeben werden sollte. Dies wird insbesondere aus dem zweiten Satz von Nr. 15.7 deutlich, nach dem im Innenverhältnis "von den vorstehenden Vollmachten 15.2 bis 15.5" nur unter bestimmten Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden darf. Nr. 15.7 betrifft also nur den Umfang der erteilten Vollmacht innerhalb eines durch die übrigen Bestimmungen von Nr. 15 definierten Anwendungsbereichs. Hieran ändert es auch nichts, dass die Vollmacht nur vor den Urkundsnotaren ausgeübt werden kann. Hierdurch ist zwar eine gewisse Überwachung gewährleistet. Dies allein vermag eine erweiternde Auslegung aber nicht zu rechtfertigen.

(2) Für die Entscheidung kommt es daher, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, letztlich auf die Frage an, ob sich das einzutragende Rechtsgeschäft als eine von Nr. 15.2 und 3.1 der Kaufverträge umfasste Bereinigung von Flächenunterschieden infolge Schlussvermessung mit Abmarkung der Grenzen und Einmessung der Gebäude darstellt.

Aus den zwischen der Beteiligten zu 1 und den jeweiligen Käufern abgeschlossenen notariellen Verträgen, insbesondere aus den beigefügten Plänen, ergibt sich, dass die Grenzen des zu bebauenden Grundbesitzes noch dem Bebauungsplan angepasst und entsprechend verschoben werden müssen. In Nr. 15.0 ist als Motiv für die Vollmachtserteilung die "sachgerechte Durchführung aller mit dem Vertragsgegenstand und der Eigentumswohnanlage zusammenhängenden Aufgaben" genannt. Daher liegt es für einen unbefangenen Betrachter nahe, dass die bei Abschluss der jeweiligen Kaufverträge bereits absehbare Anpassung der Grundstücksgrenzen an die Vorgaben des öffentlichen Baurechts nach dem Willen der Vertragsschließenden von der Beteiligten zu 1 als Bauträgerin für die Käufer bewerkstelligt werden sollte. Für die hierzu notwendigen Rechtsgeschäfte haben die Käufer der Beteiligten zu 1 Vollmacht erteilt. Diese umfasst auch den Tauschvertrag vom 21.7.2003, der auf dem Veränderungsnachweis des Vermessungsamts beruht und im Verhältnis zum gesamten Grundbesitz relativ kleine Teilflächen betrifft (Flächendifferenz: 27 m2). Dass die Minderung des Gemeinschaftseigentums verhältnismäßig gering ist, wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass das Grundbuchamt am 15.10.2003 ein Unschädlichkeitszeugnis ausgestellt hat.

Gegenteiliges ergibt sich letztlich nicht aus den Formulierungen in Nr. 15.2 und 3.1 der Kaufverträge. Auch wenn die einzutragende Rechtsänderung nicht auf einer Schlussvermessung im vermessungstechnischen Sinn beruhen und die Abmarkung der Grenzen bereits früher stattgefunden haben sollte, widerspricht eine "untechnische" Auslegung nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch. Im Hinblick auf den oben beschriebenen Zweck der Vollmacht kann diese Auslegung ohne weiteres als eine für den unbefangenen Betrachter nächstliegende Bedeutung angesehen werden. Sie entspricht auch den Erfordernissen der Praxis, indem sie die rein formale Einholung von Zustimmungserklärungen einer Vielzahl von Käufern entbehrlich macht.



Ende der Entscheidung

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