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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.09.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 150/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 26
WEG § 28
WEG § 29
WEG § 47
1. Pflichtverletzungen des Verwalters führen nicht zur Ungültigerklärung des Beschlusses über die Jahresabrechnung, wenn diese die tatsächlich getätigten Einnahmen und Ausgaben enthält.

2. Die Entlastung ehrenamtlicher Mitglieder des Verwaltungsbeirats entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn nicht erkennbar ist, dass Schadensersatzansprüche bestehen.

3. Einem Verwalter, der eine fehlerhafte Jahresabrechnung vorlegt, sind nach billigem Ermessen in der Regel zumindest teilweise die Kosten eines Verfahrens über die Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung aufzuerlegen.


Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Anlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Am 10.8.2002 fand eine Eigentümerversammlung statt, in der zahlreiche Beschlüsse gefasst wurden. Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, mehrere dieser Beschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat die Jahresabrechnungen für die Jahre 2000 und 2001 teilweise für ungültig erklärt und die weitergehenden Anträge auf vollständige Ungültigerklärung abgewiesen. Außerdem hat es die Beschlüsse über die Entlastung der Verwalterin und über die Entlastung des Verwaltungsbeirats für das Wirtschaftsjahr 2000 für ungültig erklärt. Der Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses über die Verwalterentlastung für das Jahr 2001 ist abgewiesen worden. Weiter hat der Antragsteller beantragt festzustellen, dass die Eigentümerversammlung vom 10.8.2002 nicht beschlussfähig gewesen sei, und hat im Laufe des Verfahrens seinen Antrag dahin erweitert, dass die Verwalterin zur Herausgabe von Unterlagen zu verpflichten sei. Diese Anträge hat das Amtsgericht abgewiesen.

Mit seiner sofortigen Beschwerde hat der Antragsteller sein Ziel weiterverfolgt, die Abrechnungen 2000 und 2001 insgesamt und den Beschluss über die Entlastung des Verwaltungsbeirats für das Wirtschaftsjahr 2001 für ungültig zu erklären. Außerdem hat der Antragsteller weiterhin beantragt, die Beschlussunfähigkeit festzustellen und die Verwalterin zur Herausgabe von Unterlagen zu verpflichten. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 7.7.2003 den Eigentümerbeschluss über die Zuführung eines Sparguthabens zur Objektrücklage aufgehoben. Im Übrigen hat es die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller weiterhin seinen Feststellungsantrag, seinen Herausgabeantrag und seinen Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses über die Genehmigung der Jahresabrechnungen 2000 und 2001 insgesamt sowie bezüglich der Entlastung des Verwaltungsbeirats für das Jahr 2001. Außerdem wendet sich der Antragsteller gegen die Kostenentscheidungen und die Geschäftswertfestsetzungen der Vorinstanzen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist nur hinsichtlich der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antrag auf Feststellung der Beschlussunfähigkeit sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da die Beschlussfähigkeit für jeden einzelnen Beschluss gesondert festzustellen und im Beschlussanfechtungsverfahren zu überprüfen sei.

Der während des Verfahrens gestellte Antrag gegen den Verwalter auf Herausgabe von Unterlagen sei vom Amtsgericht zu Recht nicht als sachdienlich zugelassen worden. Es sei ein völlig neuer Streitstoff eingeführt worden.

Die Beschlussfähigkeit hinsichtlich aller angefochtener Beschlüsse sei vom Amtsgericht zutreffend festgestellt worden.

Die Abrechnungen für die Wirtschaftsjahre 2000 und 2001 seien, soweit sie nicht teilweise für ungültig erklärt worden seien, nicht zu beanstanden. In die Abrechnungen seien die tatsächlich getätigten Ausgaben einzustellen, unabhängig davon, ob sie vom Verwalter zu Recht getätigt worden seien. Dass die Anfangs- und Endbestände der Konten in den Jahresabrechnungen nicht aufgeführt seien, führe nicht zur Aufhebung der Jahresabrechnungen. Diese Positionen seien nicht Bestandteil der Abrechnung.

Die Mitglieder des Verwaltungsbeirats seien für das Jahr 2001 zu Recht entlastet worden. Die Jahresabrechnung für 2001 sei im Wesentlichen korrekt gewesen. Schadensersatzansprüche gegen die Beiratsmitglieder seien nicht ersichtlich.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung bis auf die Kostenentscheidung stand.

a) Ein Antrag auf Feststellung der generellen Beschlussunfähigkeit einer Eigentümerversammlung ist mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Beschlussfähigkeit für jeden Beschluss gesondert festzustellen (vgl. BayObLG NJW-RR 1987, 595).

Außerdem besteht kein Rechtsschutzinteresse an einer Feststellung der Beschlussfähigkeit oder Beschlussunfähigkeit, da eine fehlende Beschlussfähigkeit nur zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen führt und deshalb im Beschlussanfechtungsverfahren zu klären ist (vgl. OLG Hamm WE 1990, 140).

b) Hinsichtlich des Antrags auf Herausgabe von Unterlagen durch den Verwalter haben die Vorinstanzen die Antragsänderung rechtsfehlerfrei nicht für sachdienlich erachtet. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, würde durch diesen Antrag ein völlig neuer Streitstoff eingeführt, der mit den bis dahin zu behandelnden Streitpunkten nichts zu tun hat (vgl. BGH NJW 2000, 800).

c) Soweit sich der Antragsteller gegen die Eigentümerbeschlüsse über die Genehmigung der Jahresabrechnungen 2000 und 2001 wendet, hat das Rechtsmittel ebenfalls keinen Erfolg. Soweit Mängel der Abrechnung vorhanden waren, sind die Beschlüsse von den Vorinstanzen bereits rechtskräftig für ungültig erklärt worden. Das Vorbringen des Antragstellers im Rechtsbeschwerdeverfahren vermag hierzu keine neuen Gesichtspunkte aufzuzeigen, sondern befasst sich nur mit behaupteten Pflichtwidrigkeiten des Verwalters. Wie jedoch bereits die Vorinstanzen zutreffend festgestellt haben, kommt es für die Ordnungsmäßigkeit einer Abrechnung nur darauf an, ob die Ausgaben tatsächlich getätigt worden sind, nicht darauf, ob sie auch hätten getätigt werden dürfen (vgl. z.B. BayObLG NJW-RR 1997, 715; ZMR 2001, 561).

Das Fehlen der Kontostände zum Anfang und zum Ende des Abrechnungsjahres begründet ebenfalls keine vollständige Ungültigerklärung des Beschlusses über die Jahresabrechnung. Zwar gehört es nach der Rechtsprechung des Senats (BayObLGZ 1989, 310/314; Beschluss vom 17.6.2003 - 2Z BR 110/02) zur Vollständigkeit der Abrechnung, dass der Stand der gemeinschaftlichen Konten ausgewiesen ist. Fehlende Angaben führen aber in der Regel nicht dazu, dass der Eigentümerbeschluss über die Abrechnung für ungültig zu erklären ist. Es besteht nur ein Anspruch auf Ergänzung (BayObLGZ 1989, 310/313; BayObLG NJW-RR 1992, 1169). Dass die Abrechnung insgesamt so große Fehler und Lücken aufweist, dass sie zur Gänze als solche unbrauchbar ist (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 17.6.2003 - 2Z BR 110/02), kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden.

d) Die Entlastung der Mitglieder des Verwaltungsbeirats widerspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 17.7.2003 - V ZB 11/03) hat entschieden, dass die Entlastung eines gewerbsmäßig tätigen Verwalters nicht grundsätzlich im Widerspruch zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung steht, sondern erst dann, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen und nicht aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten. Diese Grundsätze müssen erst recht für einen ehrenamtlich tätigen Wohnungseigentümer gelten, der sich als Mitglied des Verwaltungsbeirats zur Verfügung stellt. Dass gegen die Mitglieder des Verwaltungsbeirats Schadensersatzansprüche in Betracht kommen könnten, ist nicht ersichtlich. Das Landgericht hat keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, aus denen sich Ansprüche gegen die Mitglieder des Verwaltungsbeirats ergeben könnten. Insbesondere hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass keine Pflicht der Mitglieder des Verwaltungsbeirats besteht, den Verwalter hinsichtlich der laufenden Verwaltungstätigkeit zu überwachen (vgl. BayObLG WE 1996, 234). Dass die Abrechnung 2001 formelle Fehler aufwies, die vom Verwaltungsbeirat nicht bemerkt wurden, steht einer Entlastung nicht entgegen, da es sich insoweit um buchungstechnische Vorgänge handelt, die nicht zu einem wirtschaftlichen Schaden für die Wohnungseigentümer führen.

e) Zu Unrecht rügt der Antragsteller die Verletzung rechtlichen Gehörs. Der Antragsteller hatte vor dem Landgericht ausreichend Gelegenheit, zu allen das Verfahren betreffenden Fragen Stellung zu nehmen. Soweit sich der Antragsteller darauf beruft, dass ihm vom Verwalter keine Kopien aus den Verwaltungsakten übersandt wurden, hat dies mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nichts zu tun. Es handelt sich dabei ausschließlich um das Verhältnis eines Wohnungseigentümers zum Verwalter und betrifft nicht das Verhältnis zwischen dem Gericht und dem Rechtsuchenden.

3. Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen sind abzuändern. Die Kostenentscheidungen entsprechen nicht in jeder Hinsicht billigem Ermessen im Sinn des § 47 WEG.

Die Vorinstanzen haben insbesondere außer Betracht gelassen, dass gegen den Verwalter materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche bestehen (vgl. BayObLGZ 2002, 231; Beschluss des Senats vom 17.6.2003 - 2Z BR 110/02). Soweit die Anträge des Antragstellers Erfolg hatten, beruht dies auf Umständen, die der Verwalter zu vertreten hat, insbesondere auf der Erstellung nicht vollständig korrekter Abrechnungen. Dass die Vorgänge teilweise in die Zeit fielen, als Verwalter der Geschäftsführer der nunmehrigen Verwalterin persönlich war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. In der Versammlung wurden nämlich die Abrechnungen von der neuen Verwalterin vorgelegt, nachdem die Wohnungseigentümer beschlossen hatten, dass die "Umwandlung der Einzelfirma in eine GmbH von der Versammlung genehmigt" wurde. Damit haben sowohl die neue Verwalterin als auch die Wohnungseigentümer zum Ausdruck gebracht, dass das bisherige Verwaltungshandeln des früheren Verwalters als Handeln der nunmehrigen Verwalterin gelten soll. Es entspricht deshalb der Billigkeit, auch die Verwalterin an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen.

Dabei ist für die erste Instanz davon auszugehen, dass der Antragsteller überwiegend unterlegen ist, und zwar auch unter Berücksichtigung des Erfolgs seiner Erstbeschwerde. Da die Antragsgegner die angefochtenen Beschlüsse gefasst haben, erscheint es für den restlichen Teil angemessen, die Gerichtskosten zwischen den Antragsgegnern und der weiteren Beteiligten aufzuteilen. Angesichts der schwierigen Sachlage und des teilweisen Erfolgs des Antragstellers erscheint es für die erste Instanz nicht angemessen, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.

Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller nur zu einem geringen Teil obsiegt, was bei der Kostenquotelung zu berücksichtigen ist. Angesichts der Ausführungen des Erstgerichts erscheint es hier auch angemessen, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.

4. Die Geschäftswertfestsetzungen der Vorinstanzen sind nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass bei einer Addition aller Einzelpunkte ein übermäßig hoher Geschäftswert entstehen würde. Die Geschäftswertfestsetzung durch die Vorinstanzen entspricht deshalb § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG.

5. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Rechtsmittel war in der Hauptsache insgesamt erfolglos. Soweit der Antragsteller hinsichtlich der Kostenentscheidung einen Teilerfolg erzielt hat, wurden dadurch besondere Kosten nicht veranlasst.

Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG setzt der Senat den Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 7.000 EUR fest.

Ende der Entscheidung

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