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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.09.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 152/03
Rechtsgebiete: GG, WEG
Vorschriften:
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 | |
WEG § 21 Abs. 4 | |
WEG § 24 Abs. 2 | |
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 2 | |
WEG § 43 Abs. 4 Nr. 2 |
2. Verweigert der Verwalter seine nach der Gemeinschaftsordnung notwendige Zustimmung zu einer Änderung an der äußeren Gestaltung des Gebäudes, kann sich aus der Gemeinschaftsordnung unmittelbar ein Anspruch des Wohnungseigentümers gegen den Verwalter ergeben, die Entscheidung über die Einwilligung zum Gegenstand der nächsten Eigentümerversammlung zu machen.
3. Ein bestandskräftiger Eigentümerbeschluss, der generell die Anbringung von Parabolantennen an der Außenfassade verbietet, ist im Allgemeinen keine ausreichende Grundlage für die Weigerung des Verwalters, einen im Einzelfall unter Darlegung von Sonderinteressen gestellten Antrag eines Wohnungseigentümers, eine entsprechende Anlage errichten zu dürfen, in die Tagesordnung der Eigentümerversammlung aufzunehmen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegner zu 2 sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die Antragsgegnerin zu 1 deren Verwalterin. Die Wohnungseigentümer beschlossen im Jahr 1997, das Anbringen von Parabolantennen im Fassadenbereich zu untersagen, und beauftragten die Verwalterin, gegen angebrachte Antennen vorzugehen. Die im Dachgeschoß gelegene Wohnung des Antragstellers ist seit 1998 an zwei Togolesen vermietet. Die Mieter begehren vom Antragsteller, ihr Heimatfernsehprogramm über eine Parabolantenne, die sie in der Dachgaube im Bereich der Dachrinne aufstellen wollen, empfangen zu können. Das Wohngebäude verfügt über eine Dachantenne, die nach einem Beschluss der Wohnungseigentümer vom 29.10.2002 durch Kabel ersetzt werden soll.
Nach § 7 Nr. 1 der Gemeinschaftsordnung (GO) dürfen bauliche Veränderungen, wenn sie geeignet sind, auf das gemeinschaftliche Eigentum und dessen Benutzung einzuwirken, ein auf Sondereigentum beruhendes Recht zu beeinträchtigen oder die äußere Gestaltung des Gebäudes zu verändern, nur mit schriftlicher Zustimmung des Verwalters vorgenommen werden. Änderungen an der äußeren Gestaltung des Gebäudes, wie z.B. die Anbringung von Markisen und Balkonverkleidungen, bedürfen der Zustimmung des Verwalters (§ 7 Nr. 2 GO). Erteilt der Verwalter die nach Nrn. 1 und 2 erforderliche Einwilligung nicht, kann ein Wohnungseigentümer einen Mehrheitsbeschluss nach § 25 WEG herbeiführen (§ 7 Nr. 3 WEG). Die Gemeinschaftsordnung verweist im Übrigen wegen baulicher Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, auf die gesetzlichen Bestimmungen.
Der Antragsteller forderte die Antragsgegnerin zu 1 mehrfach schriftlich auf, ihm die Zustimmung zur Errichtung der gewünschten Parabolantenne zu erteilen oder einen entsprechenden Eigentümerbeschluss nach § 7 Nr. 3 GO herbeizuführen. Dies wurde ihm verweigert. Der Antragsteller hat daraufhin beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zu 1 zu verpflichten, einen Antrag auf Zustimmung durch die Wohnungseigentümer auf die Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung zu setzen, hilfsweise der Einrichtung einer Parabolantenne in seiner Wohnung zuzustimmen. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 5.6.2002 abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht mit Beschluss vom 1.7.2003 dem Hauptantrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1.
II.
1. Gegenstand des Verfahrens bildet die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 1 als Verwalterin, einen mit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zusammenhängenden Gegenstand in die Tagesordnung der Eigentümerversammlung aufzunehmen. Ein solcher Streit fällt unter § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG. Beteiligte dieses Streits ist nach § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG neben dem Verwalter nicht nur der Wohnungseigentümer, der den Antrag stellt, sondern sind auch alle übrigen Wohnungseigentümer (vgl. Weitnauer/Hauger WEG 8. Aufl. § 43 Rn. 26). Deren formelle Einbeziehung in das Verfahren ist in den Vorinstanzen unterblieben. Der Senat kann aber auf Grund der im Rechtsbeschwerdeverfahren abgegebenen Erklärung der zunächst nur für die Antragsgegnerin zu 1 tätigen Verfahrensbevollmächtigten davon ausgehen, dass die übrigen Wohnungseigentümer im Rahmen der dem Verwalter in der Gemeinschaftsordnung allgemein erteilten Vollmacht zu ihrer gerichtlichen Vertretung am Verfahren beteiligt sind. Im Hinblick auf den ausdrücklichen Ausschluss des § 181 BGB in der Gemeinschaftsordnung besteht im konkreten Fall auch kein die Vertretung der Wohnungseigentümer durch den Verwalter ausschließender Interessenkonflikt.
2. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Hauptantrag sei begründet. Die Antragsgegnerin sei gemäß § 7 Nrn. 2 und 3 GO verpflichtet, den Antrag auf Genehmigung der Parabolantenne auf der nächsten Eigentümerversammlung zu behandeln. Nach der Gemeinschaftsordnung bedürfe jede Änderung an der äußeren Gestaltung des Gebäudes, wozu das Anbringen einer Satellitenschüssel gehöre, der Zustimmung des Verwalters. Erteile er sie nicht, könne der betroffene Wohnungseigentümer einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer herbeiführen. § 7 Nr. 3 GO begründe zumindest einen Anspruch gegen den Verwalter, einen entsprechenden Punkt in die Tagesordnung der nächsten regulären Versammlung aufzunehmen. Damit sei allerdings nicht zwingend auch die Abänderung des § 22 Abs. 1 WEG zugunsten einer Mehrheitsentscheidung verbunden. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag könne nicht verneint werden. Der Eigentümerbeschluss aus dem Jahr 1997 entbinde die Wohnungseigentümer nicht von einer streng fallbezogenen Abwägung unter Berücksichtigung der Grundrechte. Auch der mittlerweile vorgesehene Kabelanschluss des Gebäudes ändere daran nichts. Das gesetzliche Minderheitenrecht gemäß § 24 Abs. 2 WEG, die Einberufung der Versammlung zu verlangen, schließe das hier gestellte Begehren nicht aus. Schließlich könne auch unter dem Gesichtspunkt ordnungsmäßiger Verwaltung jeder einzelne Wohnungseigentümer die Aufnahme bestimmter Punkte in die Tagesordnung vom Verwalter verlangen.
3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Der Antragsteller hat schlüssig vorgetragen, Räume seines Wohnungseigentums an zwei Togolesen vermietet zu haben, und Mietvertragsauszüge vorgelegt. Weil gegenteilige Anhaltspunkte fehlen und auch von der Antragsgegnerin zu 1, deren Geschäftsführer mit den tatsächlichen und örtlichen Verhältnissen vertraut ist, nicht dargelegt werden, konnte das Landgericht von einem fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für seinen Antrag ausgehen, über die Anbringung der Satellitenschüssel zum Empfang des westafrikanischen Heimatsenders in der Eigentümerversammlung beschließen zu lassen. Die Auskunft der Firma K. & M. Service, weder existiere ein togolesischer Fernsehsender noch könne über eine Parabol- antenne das Programm eines derartigen Senders in Deutschland empfangen werden, kann als neuer Sachvortrag vom Senat nicht berücksichtigt werden.
b) Das Landgericht hat unmittelbar aus § 7 GO einen Anspruch des Wohnungseigentümers entnommen, bei Verweigerung der Zustimmung des Verwalters zu baulichen Veränderungen oder zu Änderungen an der äußeren Gestaltung des Gebäudes, wozu das Gericht nach Auswertung der vorgelegten Lichtbilder zutreffend auch das Aufstellen der Satellitenschüssel im Dachfenster rechnet, das Änderungsbegehren in die Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung aufzunehmen. Eine derartige Regelung konnte in die Teilungserklärung aufgenommen werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG). Der Senat teilt die vom Landgericht getroffene Auslegung der Teilungserklärung. Denn die Regelung des § 7 Nr. 3 GO wäre überflüssig, sollte damit nicht zugleich für den betroffenen Wohnungseigentümer eine Möglichkeit geschaffen werden, die ablehnende Entscheidung des Verwalters einer Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur durch die Gesamtheit der Wohnungseigentümer zuzuführen. Dass damit nicht zugleich eine Abbedingung des § 22 Abs. 1 WEG für bauliche Veränderungen verbunden sein muss, hat das Landgericht zutreffend bejaht (vgl. z.B. OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1103; Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 22 Rn. 33 m.w.N.). Dies ist hier aber letztlich nicht entscheidungserheblich.
Auf das daneben bestehende Minderheitenrecht nach § 24 Abs. 2 WEG kommt es nicht an, ebenso wenig auf den individuellen Anspruch jedes Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung aus § 21 Abs. 4 WEG, in dessen Rahmen ebenfalls die Aufnahme von Beratungsgegenständen in die Eigentümerversammlung erzwungen werden kann (BayObLGZ 1988, 287/292 f.; Wangemann/ Drasdo Die Eigentümerversammlung nach WEG 2. Aufl. Rn. 158).
c) Für den Anspruch des Antragstellers ist es nicht erheblich, dass die Wohnungseigentümer 1997 bestandskräftig beschlossen haben, zu verbieten, an der Außenfassade des Wohngebäudes Parabolantennen anzubringen. Der fragliche Beschluss liegt über sechs Jahre zurück. Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sind das Informationsinteresse des Wohnungseigentümers bzw. seines Mieters an der Nutzung zugänglicher Informationsquellen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und das in Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht der Wohnungseigentümer an der optisch ungeschmälerten Erhaltung des Gebäudes zu berücksichtigen und gegenseitig abzuwägen (vgl. etwa BVerfG NJW 1993, 1252; NJW 1994, 1147; NJW 1994, 2143; NJW 1995, 1665; BerlVerfGH NZM 2002, 560). Dies erfordert eine einzelfallbezogene Entscheidung der Wohnungseigentümer, die sich nicht durch einen Grundsatzbeschluss aus dem Jahr 1997 erübrigt, zumal dieser Beschluss für die Wohnungseigentümer nicht unabänderlich ist. Die Räume wurden erst nach 1997 an Togolesen vermietet, so dass neue Umstände gegeben sind, die die Wohnungseigentümer damals noch nicht berücksichtigen konnten. Unerheblich ist hierbei im Allgemeinen auch, dass die Wohnung in Kenntnis des Eigentümerbeschlusses an ausländische Personen vermietet wurde (vgl. etwa OLG Hamm NJW-RR 2002, 1020; OLG Düsseldorf ZWE 2001, 336). Der vermietende Eigentümer ist nicht gehindert, von den übrigen Wohnungseigentümern die Zustimmung zur Errichtung zu verlangen, wenn er der Meinung ist, die Abwägung der beidseitigen Interessen ergäbe zu seinen Gunsten tatsächlich einen solchen Anspruch. Im Übrigen werden auch die weiteren von der Antragsgegnerin zu 1 gegen eine Beschlussfassung zugunsten des Antragstellers aufgeführten Punkte, wie die deutlich erkennbare Verunstaltung der Altbaufassade durch die Antenne, ein gleichwertiger Empfang über die Anbringung einer nicht störenden Zusatzeinrichtung (D2-Box), der Empfang von gleichwertigen französischsprachigen Sendern über die beschlossene Kabelanlage, sowie die fehlende Möglichkeit, ein etwa vorhandenes togolesisches Programm überhaupt über Satelliten in Deutschland empfangen zu können, erst bei der konkreten Entscheidung über den Beschlussantrag zu behandeln und zu gewichten sein.
4. Der Senat hält es nach § 47 WEG für angemessen, der unterlegenen Antragsgegnerin zu 1 die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen und angesichts der ausführlichen und überzeugend begründeten landgerichtlichen Entscheidung auch eine Kostenerstattung zugunsten des Antragstellers anzuordnen.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG; dessen Höhe deckt sich mit den Festsetzungen der Vorinstanzen.
Ende der Entscheidung
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