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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 155/01
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 103
Bevor das Landgericht eine sofortige Beschwerde wegen Verfristung verwirft, hat es dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu geben, Stellung zu beiehen.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Nach der für diese Wohnungseigentümergemeinschaft bestehenden Hausordnung ist das Halten von Hunden und Katzen verboten. Die Vollstreckungsschuldnerin hat ihre Eigentumswohnung vermietet. Im Mietvertrag ist in § 15 Abs. 4 festgehalten, dass die Eigentümerin von dem Hund wusste und damit einverstanden ist. Die Mieterin hält in der Wohnung einen Hund. Die Vollstreckungsschuldnerin kündigte das Mietverhältnis und untersagte die Hundehaltung. Die Mieterin widersetzte sich der Kündigung und berief sich auf ein Recht zur Hundehaltung in der Wohnung.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 9.10.2000 hat das Amtsgericht die Vollstreckungsschuldnerin verurteilt, die Hundehaltung in der ihr gehörenden Eigentumswohnung zu unterbinden und für den Fall des Verstoßes hiergegen ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, angedroht. Mit Schriftsatz vom 24.4.2001 haben die Vollstreckungsgläubiger die Festsetzung von Zwangsgeld, für den Nichtbeitreibungsfall Zwangshaft beantragt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 18.7.2001 zurückgewiesen. Der Beschluss des Amtsgerichts wurde den Gläubigervertretern am 2.8.2001 zugestellt. Die Vollstreckungsgläubiger haben mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 16.8.2001 gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Das bei den Gerichtsakten befindliche Original des Beschwerdeschriftsatzes trägt den Einlaufstempel der Justizbehörden R. mit dem Datum vom 17.8.2001. Demgegenüber haben die Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren der weiteren Beschwerde eine beglaubigte Kopie des Schriftsatzes vom 16.8.2001 vorgelegt, die sich vom Original nur dadurch unterscheidet, dass anstelle der eigenhändigen Unterschrift des Rechtsanwalts sich ein Namensstempel befindet und dass die Kopie zusätzlich den Stempel Abschrift und "Bitte zurück an" mit Pfeil nach unten auf die Anschrift der Verfahrensbevollmächtigten trägt. Die Kopie gibt einen Eingangsstempel der gemeinsamen Einlaufstelle der Justizbehörden R. mit dem Datum 16.8.2001 wieder. Außerdem haben die Verfahrensbevollmächtigten der Vollstreckungsgläubiger im Verfahren der weiteren Beschwerde eine beglaubigte Abschrift von Aufzeichnungen einer Kanzleiangestellten über die Abgabe von Schriftsätzen vorgelegt. Diese Kopie enthält den Vermerk, dass der Beschwerdeschriftsatz vom 16.8.2001 am 16.8.2001 eingereicht wurde. Der Vermerk trägt eine Unterschrift, die mit der von dem Verfahrensbevollmächtigten der Vollstreckungsgläubiger angebotenen Zeugin übereinstimmen kann.

Mit Beschluss vom 24.9.2001 hat das Landgericht R. ohne vorherigen Hinweis die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Vollstreckungsgläubiger, mit der sie geltend machen, dass die Beschwerde rechtzeitig erfolgt und auch in der Sache begründet gewesen sei.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.

Es handelt sich um ein Verfahren nach § 888 ZPO. Diese Vorschrift ist nach § 45 Abs. 3 WEG auf die Zwangsvollstreckung aus rechtskräftigen Entscheidungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz anwendbar. Anzuwenden ist nach § 26 Nr. 10 EGZPO die Zivilprozessordnung in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung, da die angefochtene Entscheidung der Geschäftsstelle vor dem 1.1.2002 übergeben wurde. Die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde ergibt sich aus § 793 Abs. 2 ZPO a. F.; § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. steht der Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde nicht entgegen, da die Entscheidung des Landgerichts einen neuen selbständigen Beschwerdegrund enthält. Dieser liegt darin, dass das Landgericht die Beschwerde als unzulässig verworfen hat und damit nicht sachlich auf den Verfahrensgegenstand eingegangen ist (vgl. Zöller/Gummer 22. Aufl. § 568 Rn. 13). Es liegt auch nicht der Fall einer alternativen Begründung oder einer Offenlassung der Zulässigkeitsfrage (vgl. hierzu Zöller/Gummer § 568 Rn. 14) vor, da das Landgericht die Zulässigkeit weder offengelassen noch eine alternative Begründung gewählt hat. Das Landgericht hat seine Entscheidung auf die Unzulässigkeit der Beschwerde gestützt und das auch im Tenor zum Ausdruck gebracht. Es hat "lediglich ergänzend" darauf verwiesen, dass das Rechtsmittel auch in der Sache keinen Erfolg haben könnte.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Beschwerde sei unzulässig, da sie nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 577 ZPO a.F. eingelegt worden sei. Die Zweiwochenfrist habe mit der Zustellung am 2.8.2001 zu laufen begonnen und mit Ablauf des 16.8.2001 geendet. Die erst am 17.8.2001 eingegangene sofortige Beschwerde sei deshalb verspätet.

Lediglich ergänzend hat das Landgericht ausgeführt, dass das Rechtsmittel auch unbegründet gewesen wäre, da die Vollstreckungsschuldnerin den Nachweis erbracht habe, dass sie alles ihr Zumutbare getan habe, um die ihr im Beschluss auferlegte Verpflichtung zu erfüllen.

3. Die weitere Beschwerde führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung.

Das Landgericht hat eine Überraschungsentscheidung getroffen, da es die Antragsteller nicht auf die seiner Meinung nach gegebene Verfristung der Beschwerde hingewiesen hat. Angesichts der Fristüberschreitung um nur einen Tag hätte es sich aufgedrängt, den Antragstellern Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls zur Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu geben. Das Landgericht hat deshalb vor der Verwerfung als unzulässig kein rechtliches Gehör gewährt. Hierin liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel (vgl. BGH NJW 1994, 392). Dieser nötigt zur Aufhebung und Zurückverweisung, da der Senat die für die Zulässigkeit der Erstbeschwerde erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann. Angesichts der Daten der Einlaufstempel auf dem Original des Erstbeschwerdeschriftsatzes und auf der Kopie, die von den Vollstreckungsgläubigern vorgelegt wurde, sind die näheren Umstände der Einreichung des Schriftsatzes zu ermitteln. Insbesondere wird das Landgericht eine Stellungnahme der gemeinsamen Einlaufstelle der Justizbehörden R. zu erholen haben. Je nach dem Ergebnis dieser Stellungnahme kommt auch eine Einvernahme der von den Vollstreckungsgläubigern angebotenen Zeugin in Betracht. Denkbar ist es nämlich, dass die von den Vollstreckungsgläubigern vorgelegte Kopie aus ,derzeit nicht nachvollziehbaren Gründen den Einlaufstempel des Vortages erhielt. Ebenso möglich erscheint es aber, dass auf dem Originalschriftsatz ein Stempel mit dem falschen Datum angebracht wurde, möglicherweise deshalb, weil dieser Schriftsatz erst einen Tag später mit dem Einlaufstempel versehen wurde.

4. Sollte das Landgericht nunmehr die Zulässigkeit der Beschwerde bejahen, wird die Vollstreckungsschuldnerin im weiteren Verfahren Gelegenheit haben, ihre Bemühungen zur Entfernung des Hundes aus der Wohnanlage näher darzulegen, insbesondere vorzutragen, ob und gegebenenfalls welches konkrete Angebot sie ihrer Mieterin als Gegenleistung für eine Entfernung des Hundes bzw. für den Auszug gemacht hat. Die Vollstreckungsgläubiger werden Gelegenheit haben, ihren Vortrag im Schriftsatz vom 24.4.2001 zum Hundegebell und zum Urinieren des Hundes im Aufzug näher zu spezifizieren sowie vorzutragen, ob zwischenzeitlich weitere Belästigungen erfolgt sind.

Das Landgericht wird sodann zu entscheiden haben, ob die Vollstreckungsschuldnerin alle ihr wirtschaftlich zuzumutenden Bemühungen unternommen hat, um die Hundehaltung zu beenden (vgl. BGH NJW 1982, 440; BayObLGZ 1988, 440/443).

5. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde war dem Landgericht vorzubehalten.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 12 GKG, § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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