Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.09.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 159/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15
WEG § 23
WEG § 43
1. Dem Antrag auf Ungültigerklärung eines ablehnenden Beschlusses fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, wenn gleichzeitig ein Feststellungsantrag mit entgegen gesetztem Inhalt gestellt wird.

2. Fehlt für den Beschlussgegenstand die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung, so ist von einer Beschlussfassung abzusehen. Ein ablehnender Beschluss ist nichtig.


Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird. Dem Antragsteller gehört die in der Teilungserklärung mit Nr. 2 bezeichnete Wohnung.

In der Teilungserklärung ist unter B § 1 Nr. 6 Folgendes geregelt:

Den jeweiligen Eigentümern der Raumeinheit Nr. 2 steht das alleinige Recht zu, die Teile der Umgriffsfläche, welche nicht als Zugangs- oder Zufahrtsfläche, Platz für Müllbehälter, Teppichklopfplatz usw. benötigt werden, zu nutzen. Diese gemeinschaftlichen Flächen liegen im Einfahrtsbereich und sind im beigefügten Lageplan eingezeichnet.

Der erwähnte Lageplan ist weder beigefügt, noch wurde er jemals erstellt.

Der Streit um die Benutzung des Einfahrtsbereichs war unter anderem bereits Gegenstand eines Verfahrens vor dem Landgericht (60 T 345/01). Das Landgericht hat, gestützt auf § 43 Abs. 2 WEG, Gebrauchsregelungen für das Abstellen von Fahrzeugen und die Aufstellung von Mülltonnen getroffen. Diese Anordnungen sollten bis zu einer Klärung der Gestaltung der Hofeinfahrt durch einen Beschluss der Eigentümerversammlung gelten.

In der Eigentümerversammlung vom 20.3.2003 wurde unter Tagesordnungspunkt (TOP) 3 folgender Beschlussantrag gestellt:

Die Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft ... beschließen, den Beschluss des LG vom 5.6.2001 (Az: 60 T 345/01) in der Ziff. IV. 1. bis 4. aufzuheben. Weiter beschließen die Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft ..., dass die Parkplätze vor dem Fenster des Sondereigentums M. sowie westlich der Garage der Sondernutzung der Wohnungseigentümer H. unterliegen.

Der Versammlungsleiter stellte fest: dafür: H. (Antragsteller), dagegen: T., M. (Antragsgegner).

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, den vorgenannten Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären sowie festzustellen, dass der Beschluss des Landgerichts vom 5.6.2001 im Verfahren Az. 60 T 345/01 in der Ziff. IV. 1. bis 4. aufzuheben sei und die Parkplätze vor dem Fenster des Sondereigentums M. sowie westlich der Garage der Sondernutzung der Wohnungseigentümer H. unterliegen. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 25.3.2004 abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller wurde vom Landgericht am 22.7.2004 zurückgewiesen. Ferner hat das Landgericht den im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag abgewiesen, festzustellen, dass die Parkplätze vor den Fenstern des Sondereigentums M sowie westlich der Garage der Sondernutzung der Wohnungseigentümer H. unterliegen. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsteller die vor dem Landgericht gestellten Anträge weiter.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der angefochtene Beschluss widerspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und missachte auch nicht dingliche Rechte der Antragsteller. Die vom Landgericht in früheren Verfahren getroffene Regelung sei sachgerecht. Ein Sondernutzungsrecht der Antragsteller sei nicht entstanden, da es den Lageplan nicht gebe. Die Hofzufahrt sei als Gemeinschaftsfläche anzusehen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

a) Die Anträge der Antragsteller sind zulässig.

aa) Insbesondere liegt zu TOP 3 ein Eigentümerbeschluss vor. Die Feststellung des Beschlussergebnisses (vgl. hierzu BGH NJW 2001, 3339) ist in ausreichender Weise erfolgt. Der Versammlungsleiter hat festgestellt, wer für und wer gegen den Antrag gestimmt hat. Angesichts der allen Beteiligten bekannten Mehrheitsverhältnisse ist damit hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass die Beschlussvorlage abgelehnt ist.

bb) Auch ein ablehnender Beschluss hat Beschlussqualität und ist deshalb anfechtbar (vgl. BGH NJW 2001, 3339). Jedenfalls im vorliegenden Fall besteht für die Anfechtung des Beschlusses auch ein Rechtsschutzinteresse, da die Antragsteller gleichzeitig beantragen, festzustellen, dass ihnen an der Hofeinfahrtsfläche ein Sondernutzungsrecht zusteht. Der Feststellungsantrag stünde nämlich in Widerspruch zu der beschlossenen Ablehnung des Antrags (vgl. für den Fall der Verbindung des Anfechtungsantrags mit einem Leistungsantrag Palandt/Bassenge 63. Aufl. § 23 WEG Rn. 11).

cc) Den Anträgen steht auch nicht eine anderweitige Rechtskraft entgegen. Im Beschluss vom 5.6.2001 hat das Landgericht lediglich eine begrenzte Benutzungsregelung getroffen, aber nicht über das Bestehen eines Sondernutzungsrechts der Antragsteller an der nunmehr verfahrensgegenständlichen Fläche entschieden.

Im Verfahren vor dem Amtsgericht haben sich die Antragsteller hinsichtlich der Umgriffsfläche auf eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts berufen, diese jedoch nicht benannt. Sollte damit die Entscheidung des Senats vom 28.2.2001 (2Z BR 113/00) gemeint sein, so ist diese Entscheidung für das nunmehrige Verfahren ohne Bedeutung. Die Entscheidung vom 28.2.2001 betraf nämlich nicht die nunmehr verfahrensgegenständliche Fläche, sondern das Sondernutzungsrecht, das durch den Nachtrag zur Teilungserklärung vom 1.4.1992 begründet wurde.

b) Der angefochtene Beschluss ist wegen Fehlens einer Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung nichtig (vgl. BGH NJW 2000, 3500). Für die Aufhebung von Nr. IV des Beschlusses des Landgerichts vom 5.6.2001 fehlt der Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz, weil diese nicht befugt ist, gerichtliche Entscheidungen abzuändern. Im Falle einer Regelung der Beteiligten über die in Nr. IV des landgerichtlichen Beschlusses vom 5.6.2001 getroffenen Fragen würde die Anordnung des Gerichts nach ihrem Tenor hingegen von selbst außer Kraft treten. Eine derartige Regelung wird durch den Beschluss nicht getroffen.

Die Eigentümerversammlung hat auch keine Kompetenz, Sondernutzungsrechte zu begründen oder verbindlich festzustellen. Der völlige Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer von der Nutzung einer bestimmten Fläche zugunsten eines einzelnen Wohnungseigentümers ist keine Gebrauchsregelung im Sinn des § 15 Abs. 2 WEG, sondern bedarf einer Vereinbarung nach § 10 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 WEG (vgl. BGH NJW 2000, 3500).

Eigentümerbeschlüsse, die nicht der Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung unterfallen, sind nichtig (BGH NJW 2000, 3500).

Dass es sich im vorliegenden Fall um eine Antragsablehnung handelt, ist unerheblich. Die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung bemisst sich nämlich nicht danach, ob der Antrag angenommen oder abgelehnt wird, sondern danach, ob der Antragsgegenstand einer Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft zugänglich ist. Das Vorliegen einer Beschlusskompetenz ist Voraussetzung dafür, dass über den Antrag überhaupt sachlich abgestimmt werden darf. Im vorliegenden Fall fand eine sachliche Abstimmung statt. Der Beschluss hat sich nicht lediglich darauf beschränkt, von einer Beschlussfassung mangels Beschlusskompetenz abzusehen.

Im Verfahren über die Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses ist auch ohne Antragsänderung die Nichtigkeit des Beschlusses zu prüfen (vgl. BayObLGZ 1986, 444/447).

c) Unbegründet ist die sofortige weitere Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Feststellungsantrags richtet.

Ein Sondernutzungsrecht an den Flächen im Eingangsbereich ist nicht entstanden, da die Regelung so unbestimmt ist, dass sie auch im Wege der Auslegung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Die Regelung wäre nur verständlich, wenn der in Bezug genommene Plan auch vorhanden gewesen wäre. Allein durch die Auslegung des Wortlauts lässt sich eine auch nur annähernde Bestimmtheit nicht erreichen. Mag man vielleicht dem Begriff der Umgriffsfläche noch eine selbständige Bedeutung beimessen können, so ergibt sich die völlige Unbestimmtheit aus der Einschränkung, dass das Sondernutzungsrecht nur insoweit bestehen soll, als die Fläche nicht als Zugangs- oder Zufahrtsfläche, Platz für Müllbehälter, Teppichkopfplatz usw. benötigt wird. Bereits aus dem Zusatz "usw." ergibt sich, dass der wörtliche Beschrieb nicht vollständig ist und völlig offen lässt, wofür die Fläche für die Gemeinschaft noch in Anspruch genommen werden kann. Darüber hinaus gibt es durchaus mehrere Möglichkeiten, Zugänge und Zufahrten zu gestalten. Ebenso ist es eine Frage der Zweckmäßigkeit, wo Müllbehälter abgestellt und Teppichklopfplätze errichtet werden. Hierüber können durchaus unterschiedliche Meinungen bestehen. Schließlich können sich die Bedürfnisse auch ändern, was z.B. bei Müllbehältern der Fall ist, wenn das Müllaufkommen sinkt oder steigt oder wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Mülltrennung neu erlassen werden.

3. Da die Antragsteller und die Antragsgegner teils obsiegt haben und teils unterlegen sind, entspricht es der Billigkeit (§ 47 WEG), die Kosten nach dem Rechtsgedanken des § 92 ZPO gegeneinander aufzuheben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet somit nicht statt. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind entsprechend abzuändern.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

Zurück