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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 02.03.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 16/01
Rechtsgebiete: GG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 5 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Verwalter Unterlassung der von einem Wohnungseigentümers an seiner Tätigkeit geübten Kritik verlangen kann.
BayObLG Beschluss

LG München I - 1 T 14460/00; AG München 483 UR II 276/00

2Z BR 16/01

02.03.01

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Dr. Delius

am 2. März 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Unterlassung,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 21. Dezember 2000 und des Amtsgerichts München vom 5. Juli 2000 aufgehoben.

II. Der Antrag der Antragstellerin wird abgewiesen.

III. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 8000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner ist Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage, die von der Antragstellerin, einer GmbH, verwaltet wird. Mit Schreiben vom 14.9., 20.9. und 13.12.1999 an die Antragstellerin beanstandete der Antragsgegner deren Tätigkeit als Verwalterin. Die Antragstellerin sieht in den Schreiben ehrenrührige Behauptungen. Sie hat beantragt, dem Antragsgegner folgende Behauptungen zu untersagen:

a) Die Antragstellerin oder ihre Mitarbeiter betrieben Günstlingswirtschaft a' la Neue Heimat,

b) die Antragstellerin oder ihre Mitarbeiter leisteten im Gegensatz zum Hausmeister keine ehrliche Arbeit,

c) die Antragstellerin oder ihre Mitarbeiter lögen,

d) die Antragstellerin betreibe Mistwirtschaft.

Das Amtsgericht hat dem Antrag am 5.7.2000 stattgegeben. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 21.12.2000 die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Abweisung des Unterlassungsantrags.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Äußerungen des Antragsgegners in den Schreiben seien ehrverletzend. Dies gelte auch für den Vorwurf der Mistwirtschaft. Dabei sei von dem Zusammenhang auszugehen, in dem diese Äußerungen gemacht worden seien. Diese gingen in ihrer gehäuften, massiven Form ohne sachlichen Kern über eine auch scharfe Kritik weit hinaus. Sie setzten die Arbeit des Verwalters als völlig unbrauchbar herab. Aufgrund der verweigerten Unterlassungserklärung liege auf der Hand, dass auch künftige Ehrverletzungen drohten. Sämtliche Äußerungen seien rechtswidrig. Unwahre Tatsachenbehauptungen seien auch unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit nicht geschützt. Soweit es sich um Werturteile handle, ergebe die Abwägung zwischen Ehrenschutz und Meinungsfreiheit, dass die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung überschritten seien. Der Vorwurf der Lüge sei im Zusammenhang mit einem bestimmten Vorgang, nämlich dem Einstellen eines Kinderwagens im Treppenhaus, erhoben worden. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die diesbezügliche Auskunft des Mitarbeiters der Antragstellerin der Wahrheit entspreche. Die Unwahrheit der Behauptung einer Lüge sei auch im Zusammenhang mit dem weiteren Vorgang der Bestellung eines Postbevollmächtigten erwiesen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Der nach seinem Wortlaut auf Eigentumsbeeinträchtigungen abstellende Unterlassungsanspruch des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt in entsprechender Anwendung auch für sonstige deliktisch geschützte (vgl. § 823 Abs. 2 BGB) Rechtsgüter (Palandt/Bassenge BGB 60. Aufl. § 1004 Rn. 2). Darunter fällt auch das durch Art. 1 und 2 GG geschützte Persönlichkeitsrecht. Dieses gewährt auch einer Juristischen Person, allerdings in einem durch deren Wesen und Aufgabenbereich beschränkten Umfang, Schutz (Palandt/Thomas § 823 Rn. 175, 181).

Bei Beurteilung der Widerrechtlichkeit einer das Persönlichkeitsrecht verletzenden Handlung ist, soweit diese in einer Tatsachenbehauptung, einem Werturteil oder einer Meinungsäußerung besteht, das ebenfalls grundgesetzlich geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) zu berücksichtigen, dem allerdings Schranken gesetzt sind (Art. 5 Abs. 2 GG). Bei Werturteilen und Meinungsäußerungen hat der Schutz des Persönlichkeitsrechts Vorrang, wenn sich die Äußerungen als Angriff auf die Menschenwürde, als Schmähkritik oder Formalbeleidigungen darstellen. Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Beurteilung vom Wahrheitsgehalt ab. Bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht, fallen nicht unter den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (BVerfG NJW 1999, 1322/1324).

Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Äußerungen, die von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt sind, kann nicht nur einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen, vielmehr auch Schadensersatzansprüche des Geschädigten auslösen (BayObLGZ 1999, 280).

b) Nach diesen Grundsätzen rechtfertigen die Äußerungen des Antragsgegners in seinen Schreiben an die Antragstellerin bei Abwägung des Persönlichkeitsschutzes der Antragstellerin und ihrer Mitarbeiter einerseits und des Rechts des Antragsgegners auf Meinungsfreiheit andererseits den Unterlassungsanspruch nicht.

Die Vorinstanzen haben nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich im Verhältnis des Verwalters von Wohnungseigentum zu den Wohnungseigentümern aufgrund der gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Situation Interessengegensätze und Meinungsverschiedenheiten ergeben können. Nicht selten sind - wie auch hier - einzelne Wohnungseigentümer zu Recht oder auch nicht der Meinung, der Verwalter komme seinen ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen aufgrund des Wohnungseigentumsgesetzes (vgl. § 27 WEG) und des Verwaltervertrags als eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrags (vgl. § 675 BGB) nicht in dem geschuldeten Umfang nach. Der Verwalter hat daher Kritik an seiner Tätigkeit auch insoweit hinzunehmen, als sie nach seiner Meinung und auch objektiv unrichtig ist. Grenzen sind bei kritischen Meinungsäußerungen eines Wohnungseigentümers in bezug auf die Tätigkeit des Verwalters dort gezogen, wo diese sachlich nicht mehr gerechtfertigt sind und auch nicht mehr eine sachliche Auseinandersetzung im Vordergrund steht, sondern die Äußerungen sich als Schmähkritik oder als Formalbeleidigung darstellen (BVerfG aaO).

Die Äußerungen des Antragsgegners in seinen Schreiben an die Antragstellerin bewegen sich an der Grenze zu einer durch die Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckten Kritik, ohne diese bereits zu überschreiten. Erkennbar steht bei ihnen die Sachauseinandersetzung noch im Vordergrund. Soweit es um Tatsachenbehauptungen geht, handelt es sich jedenfalls nicht um erkennbar bewusst unwahre und unzweifelhaft als solche feststehende Behauptungen.

Besondere Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass die Äußerungen des Antragsgegners in Schreiben an die Antragstellerin gemacht wurden und Dritten nicht zur Kenntnis gelangt sind. Nicht unberücksichtigt kann auch bleiben, dass es sich bei der Antragstellerin um eine juristische Person handelt, auch wenn nicht verkannt wird, dass sich die Kritik in erster Linie gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin und einen bestimmten Mitarbeiter der Antragstellerin richtet.

3. Es erscheint angemessen, der unterlegenen Antragstellerin die Gerichtskosten des Verfahrens aufzuerlegen, von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten aber abzusehen (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird in Übereinstimmung mit der Geschäftswertfestsetzung durch die Vorinstanzen gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG auf 8000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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