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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.08.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 160/03
Rechtsgebiete: WEG, FGG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 4
FGG § 22 Abs. 2
ZPO § 238 Abs. 4
Der Senat hält daran fest, dass bei Versäumung der Frist zur Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

In der außerordentlichen Versammlung vom 27.11.2002 beschlossen die Wohnungseigentümer, die Fassade instand setzen zu lassen. Außerdem genehmigten sie einem Wohnungseigentümer unter Auflagen den Ausbau des Speichers.

Am 23.12.2002 hat die Antragstellerin beantragt, einen Beschluss vom 27.11.2002 für ungültig zu erklären, ohne festzulegen, welchen der beiden Beschlüsse sie meinte. Im Januar 2003 hat sie sodann klargestellt, dass der Beschluss über den Speicherausbau für ungültig erklärt werden solle. Außerdem hat sie beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zu erteilen und zur Begründung vorgetragen, sie sei am 23.12.2002 mit dem Entwurf eines Beschlussanfechtungsantrags zur Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts gegangen, dort sei ihr gesagt worden, ihr Antrag könne wegen Arbeitsüberlastung nicht fristgerecht bearbeitet werden, der Antrag gemäß ihrem Entwurf sei unschlüssig und brauche in dieser Form nicht gestellt zu werden, weil eine Antragsbegründung zunächst nicht erforderlich sei, sie solle einen neuen Antrag stellen, dies habe sie anhand eines ihr übergebenen Musters getan.

Das Amtsgericht hat den Beschlussanfechtungsantrag einschließlich Wiedereinsetzungsgesuch am 29.1.2003 abgewiesen. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 1.7.2003, der Antragstellerin zugestellt am 9.7.2003, die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die am 23.7.2003 eingegangene sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung der Beschlüsse des Landgerichts und des Amtsgerichts und zur Wiedereinsetzung der Antragstellerin in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Antragstellerin könne Wiedereinsetzung nicht erteilt werden, weil die Fristversäumung von ihr verschuldet sei. Auch wenn der Antragstellerin von der Rechtsantragsstelle eine unzutreffende Auskunft gegeben worden sei, wäre es ihr doch möglich gewesen, anhand der ihr überlassenen Auszüge aus einem Formularbuch einen zulässigen, insbesondere bestimmten Antrag zu stellen. Das Verschulden liege damit letztlich bei ihr, zumal sie auch innerhalb der Anfechtungsfrist noch einen Rechtsanwalt hätte aufsuchen können.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Ohne Rechtsfehler sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass der Antrag vom 23.12.2002 keine zulässige Beschlussanfechtung enthält, weil er nicht erkennen lässt, welcher der beiden in der Eigentümerversammlung vom 27.11.2002 gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt werden solle. Der Antragstellerin ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zu erteilen.

Nach ganz überwiegender, wenn auch nicht unbestrittener Ansicht kann bei Versäumung der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG, bei der es sich um eine materielle Ausschlussfrist handelt, in entsprechender Anwendung des § 22 Abs. 2 FGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt werden (BayObLGZ 1989, 13/15; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 23 Rn. 197 m.w.N.). Daran hält der Senat trotz verschiedentlicher Kritik fest.

b) Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen vor. Insbesondere war die Antragstellerin ohne Verschulden daran gehindert, eine zulässige Beschlussanfechtung innerhalb der gesetzlichen Frist einzureichen (§ 22 Abs. 2 FGG).

Auch wenn der Sachvortrag der Antragstellerin über die Behandlung ihres Antrags durch die Rechtsantragsstelle von den Antragsgegnern bestritten wird, ist auf Grund der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin und ihrer Erklärungen vor dem Beschwerdegericht davon auszugehen, dass ihr Sachvortrag glaubhaft gemacht ist. Danach hat die Antragstellerin mit dem Entwurf eines Beschlussanfechtungsantrags die Rechtsantragsstelle aufgesucht. Der Entwurf enthält eine zulässige Beschlussanfechtung. Aus dem Schreiben ergibt sich zweifelsfrei, dass - jedenfalls auch - der Eigentümerbeschluss über den Speicherausbau angefochten werden sollte. Von der Einreichung dieses Antrags wurde die Antragstellerin durch den Beamten der Rechtsantragsstelle abgehalten und zur Stellung eines neuen Antrags angehalten. In dem ihr überlassenen Auszug aus einem Formularbuch ist zwar vorgesehen, dass der angefochtene Eigentümerbeschluss unter Angabe des Tagesordnungspunkts zu bezeichnen ist. Dem hat die Antragstellerin in ihrem Antrag vom 23.12.2002 nicht entsprochen. Dies mag seine Ursache darin gehabt haben, dass beide Eigentümerbeschlüsse nur unter einem Tagesordnungspunkt gefasst wurden und damit die Angabe eines Tagesordnungspunkts zur Kennzeichnung, welcher der beiden Beschlüsse angefochten werden sollte, nicht geeignet war. Entscheidend ist, dass die Antragstellerin von der Einreichung des von ihr entworfenen und den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Beschlussanfechtungsantrags durch den Beamten der Rechtsantragsstelle abgehalten wurde.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG unter Heranziehung des Rechtsgedankens von § 238 Abs. 4 ZPO und die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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