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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 20.10.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 161/04
Rechtsgebiete: FGG, WEG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 18 Abs. 2
WEG § 23 Abs. 4
ZPO § 572
1. Auch nach der Neuregelung des Beschwerdeverfahrens im Zivilprozessrecht ist das Gericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht befugt, einer Beschwerde gegen eine Verfügung, die der sofortigen Beschwerde unterliegt, abzuhelfen.

2. Ein Eigentümerbeschluss, der die Fälligkeit einer Sonderumlage von der Vorlage einer Bankbestätigung durch alle Wohnungseigentümer abhängig macht, ist nichtig, wenn aus dem Beschlusstext und den sonstigen Feststellungen in der Niederschrift nicht erkennbar ist, was die Bank bestätigen soll.


Gründe:

I.

Der Antragsgegner ist Wohnungseigentümer in einer Wohnungseigentumsanlage. Die Antragstellerin macht in Verfahrensstandschaft für die übrigen Wohnungseigentümer eine behauptete Forderung auf Zahlung einer Sonderumlage geltend.

In der Eigentümerversammlung vom 30.5.2001 bestellten die Wohnungseigentümer Herrn H., den Geschäftsführer der Antragstellerin, zum Hausverwalter. Zur Unterschrift unter den Verwaltervertrag sollten eine Wohnungseigentümerin und ein Wohnungseigentümer in Vertretung der WEG mit Herrn H. zusammenkommen. Die beiden Wohnungseigentümer unterschrieben einen Verwaltervertrag, in dem die Antragstellerin als Verwalter genannt ist.

In der Eigentümerversammlung vom 14.8.2001 befassten sich die Wohnungseigentümer mit einer anstehenden Dachsanierung. Es wurde folgender Beschluss gefasst:

Der Betrag in Höhe von 650.000 DM wird als Sonderumlage auf Abruf nach Bedarf beschlossen, Voraussetzung hierzu ist, dass jeder Eigentümer eine Bankbestätigung als Sicherheit der Hausverwaltung hinterlegt bis zur nächsten außerordentlichen Versammlung.

Der Antragsgegner legte weder eine Bankbestätigung vor noch leistete er eine Zahlung.

Nach vorangegangenem Mahnbescheidsverfahren hat die Antragstellerin beim Amtsgericht beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin 48.720 EURO nebst Zinsen zu bezahlen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 4.5.2004 den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin für Rechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft 48.720 EURO nebst Zinsen zu zahlen. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt und die Begründung in einem gesonderten Schriftsatz angekündigt. Mit Verfügung vom 25.5.2004 hat das Amtsgericht den Beteiligten mitgeteilt, dass eine Vorlage an das Beschwerdegericht in zwei Wochen erfolgen werde. Am 14.6.2004 hat das Amtsgericht beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen und die Akten der Beschwerdekammer vorgelegt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 9.7.2004 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners, mit der er weiterhin die Abweisung des Antrags erstrebt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Der Beschluss des Landgerichts ist nicht unter Verletzung des Anspruchs des Antragsgegners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zustande gekommen. Zwar weist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hin, dass der Antragsgegner entgegen den Ausführungen des Landgerichts nicht zur Begründung der Beschwerde aufgefordert wurde. Insbesondere kann eine solche Aufforderung nicht im Hinweis des Amtsgerichts gesehen werden, dass die Vorlage an das Beschwerdegericht in zwei Wochen erfolgen werde. Hierin liegt keine Fristsetzung zur Beschwerdebegründung. Die Mitteilung des Amtsgerichts ist nur dann verständlich, wenn man den später ergangenen Nichtabhilfebeschluss hinzuzieht. Ein Abhilfebeschluss ist jedoch im Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz weder veranlasst noch zulässig. Dies gilt auch nach der Neuregelung des Beschwerdeverfahrens für den streitigen Zivilprozess in § 572 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO. § 572 ZPO lässt nämlich die Sonderregelung des § 18 Abs. 2 FGG unberührt, wonach das Gericht zu einer Änderung einer Verfügung, die der sofortigen Beschwerde unterliegt, nicht befugt ist. Der Antragsgegner konnte deshalb der Mitteilung des Amtsgerichts nicht entnehmen, dass es sich dabei um eine Fristsetzung zur Begründung der sofortigen Beschwerde handeln sollte.

Eine solche Fristsetzung ist jedoch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht erforderlich. Für sie besteht weder ein Bedürfnis noch eine Rechtspflicht. Es genügt, wenn eine angemessene Zeit (etwa zwei bis drei Wochen) zugewartet wird (BayObLG ZMR 2003, 124). Diese Zeit wurde hier abgewartet. Die sofortige weitere Beschwerde datiert vom 24.5.2004. Die Entscheidung des Landgerichts wurde am 9.7.2004 erlassen. Selbst wenn man auf den Zeitpunkt der Zustellung des Nichtabhilfebeschlusses an den Antragsgegnervertreter am 24.6.2004 abstellt, ist die Entscheidung des Landgerichts nicht verfrüht ergangen. In Anbetracht der Tatsache, dass bereits bis zum Nichtabhilfebeschluss eine geraume Zeit verstrichen ist, ist der Zeitraum vom 24.6.2004 bis 9.7.2004 ausreichend gewesen, um die sofortige Beschwerde zu begründen.

Das Landgericht hätte allerdings nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen (vgl. Niedenführ/Schulze WEG 7. Aufl. § 44 Rn. 6 m. weiteren Nachw.).

2. Das Landgericht hat unter vollständiger Bezugnahme auf die Ausführungen des Amtsgerichts ausgeführt:

Die Antragstellerin sei zum Verwalter gewählt worden. Der Vertragsentwurf sei ausführlich diskutiert worden und Herr H. sei einstimmig zum neuen Hausverwalter bestellt worden. Der abgeschlossene Verwaltervertrag sei von den beauftragten Wohnungseigentümern unterzeichnet worden. Der Verwaltervertrag enthalte die Ermächtigung, Ansprüche der Wohnungseigentümer auch im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen.

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 14.8.2001 sei ordnungsgemäß erfolgt. Er sei nicht angefochten worden. Nichtigkeitsgründe seien nicht ersichtlich. Der Beschluss sei nicht unverständlich, da die "Voraussetzung" einer Bankbestätigung den Zweck habe, die Antragstellerin und damit die Hausgemeinschaft davor zu bewahren, im Rahmen der Sanierung ungedeckte Verpflichtungen einzugehen. Da der Antragsgegner selbst keine Bankbestätigung vorgelegt habe, könne er sich nicht mit Erfolg gegen die Fälligkeit des Betrages wehren. Wer die Erfüllung einer Bedingung selbst vereitele, könne sich regelmäßig nicht auf den fehlenden Eintritt der Bedingung berufen. Der auf den Antragsgegner entfallende Betrag sei aus seinem Miteigentumsanteil und der beschlossenen Gesamtsumme ohne weiteres bestimmbar.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Eine Zurückverweisung ist nicht erforderlich, da der Senat in der Sache abschließend entscheiden kann.

a) Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin berechtigt ist, in Verfahrensstandschaft für die Wohnungseigentümer tätig zu werden. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf die in sich widersprüchlichen Ausführungen des Amtsgerichts nicht hinreichend geprüft, wer Verwalter der Wohnanlage ist. Das Amtsgericht hat hierzu einmal festgestellt, dass die Antragstellerin einstimmig zum Verwalter gewählt worden sei, und im nächsten Absatz festgestellt, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin einstimmig zum neuen Hausverwalter bestellt worden sei.

Abgesehen davon, dass die Auslegung des Eigentümerbeschlusses vom 30.5.2001 durch die Tatsacheninstanzen widersprüchlich und damit rechtsfehlerhaft erfolgt ist, ist der Senat zu einer selbständigen Auslegung des Beschlusses über die Verwalterbestellung befugt, weil es sich insoweit um einen Beschluss mit länger dauernder Wirkung handelt, an den auch der Sonderrechtsnachfolger gebunden ist (BGH NJW 1998, 3713). Beschlüsse der Wohnungseigentümer sind aus sich heraus objektiv und normativ auszulegen, ohne dass es auf die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten an der Beschlussfassung ankommt. Maßgebend sind dabei der Wortlaut und die Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH NJW 1998, 3713). Nach dem Wortlaut des Eigentümerbeschlusses vom 30.5.2001 wurde eindeutig der Geschäftsführer der Antragstellerin zum Verwalter bestellt und nicht die Antragstellerin selbst. Aus dem Protokoll über die Eigentümerversammlung ist nicht einmal andeutungsweise ersichtlich, dass eine GmbH zur Verwalterin bestellt werden sollte. Dass den Wohnungseigentümern möglicherweise im Hinblick auf den diskutierten Entwurf des Verwaltervertrags bekannt war, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin für die Antragstellerin aufgetreten ist, ist unerheblich. Ein unbefangener Beobachter kann dies nämlich weder aus dem Beschlusswortlaut noch aus sonstigen Feststellungen im Protokoll entnehmen. Im Gegenteil werden Erklärungen des Geschäftsführers der Antragstellerin im Versammlungsprotokoll immer als dessen persönliche Erklärungen wiedergegeben. Dem Verwaltervertrag, der die Antragstellerin als Verwalterin nennt, kommt demgegenüber keine Bedeutung zu, zumal auch aus der Ermächtigung der Wohnungseigentümer zur Unterschrift unter den Verwaltervertrag nicht erkennbar ist, dass der Vertrag mit einer GmbH geschlossen werden soll. Die beauftragten Wohnungseigentümer hatten hierzu deshalb keine Vollmacht.

b) Rechtsfehlerhaft sind auch die Ausführungen der Vorinstanzen zur Wirksamkeit des Umlagebeschlusses vom 14.8.2001. Ein Wohnungseigentümerbeschluss, dem es an der erforderlichen Bestimmtheit mangelt, ist nichtig (BayObLG NZM 2000, 673). Das ist hier der Fall.

Zwar ist die Auffassung des Amtsgerichts wohl zutreffend, dass es Zweck der Vorlage der Bankbestätigung ist, dass die Wohnungseigentümer nicht Verpflichtungen eingehen, für die keine Deckung vorhanden ist (vgl. hierzu AG Hamburg-Blankenese ZMR 2004, 783/785 mit zustimmender Anmerkung Rau). Dies würde aber voraussetzen, dass dem Beschluss zu entnehmen ist, in welcher Weise diese Sicherheit geschaffen werden soll. Hierzu lässt der Beschluss jedoch jegliche Bestimmtheit vermissen. Zunächst ist bereits nicht erkennbar, welchen Inhalt die Bankbestätigung haben soll. Denkbar ist, dass damit gemeint ist, dass die Wohnungseigentümer eine Bestätigung der Bank über ihre derzeitigen Vermögensverhältnisse vorlegen, was aber als Sicherheit wiederum ungeeignet wäre, da daraus nicht unbedingt alle Verbindlichkeiten ersichtlich sein müssen und sich das Vermögen bis zur Fälligkeit der Zahlung deutlich verringern kann. Möglich wäre auch, "Bankbestätigung als Sicherheit" als Vorlage einer Bankbürgschaft zu interpretieren. Eine so weit reichende Verpflichtung hätte jedoch einer deutlicheren Ausdrucksweise bedurft, zumal mit einer Bankbürgschaft nicht unerhebliche Kosten verbunden sind. Das Verlangen einer Wechsel- oder Scheckverpflichtung der Bank ist nach dem Beschlusswortlaut erst recht fern liegend. Nicht erkennbar ist auch, was mit einer Hinterlegung bezweckt werden soll, da eine bloße Bankbestätigung nur eine Wissenserklärung ist und eine Hinterlegung des Schriftstücks keinerlei Sicherheit bringt. Unklar ist weiter, warum diese Hinterlegung nur bis zur nächsten außerordentlichen Versammlung erfolgen soll. Schließlich wird auch keine Verpflichtung der Wohnungseigentümer begründet, eine Bankbestätigung zu hinterlegen, sondern es wird lediglich der Abruf der Sonderumlage von der Vorlage der Bankbestätigung abhängig gemacht. Es erschließt sich deshalb einem unbefangenen Betrachter weder der Sinn der Regelung noch wird ein durchführbarer Inhalt erkennbar.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass ein vollständiger Umlagebeschluss neben dem umzulegenden Gesamtbetrag mindestens auch den Verteilungsschlüssel nennen muss, nach dem der Betrag auf die einzelnen Wohnungseigentümer aufzuteilen ist (BayObLG NZM 2003, 66).

4. Es entspricht der Billigkeit, die Antragstellerin in allen Instanzen mit den Gerichtskosten zu belasten und von einer Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen (§ 47 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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