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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 05.01.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 163/99
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1 Satz 2
WEG § 5 Abs. 4
WEG § 10 Abs. 2
BGB § 185 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
2Z BR 163/99 LG München I - 1 T 14921/99 AG - Grundbuchamt - München Wohnungsgrundbuch von Grünwald Blatt 3054, 3055

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BESCHLUSS

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Dr. Tilch sowie der Richter Lehr und Demharter

am 5. Januar 2000

in der Wohnungsgrundbuchsache

Eintragung der Änderung einer Gemeinschaftsordnung

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 8. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte ist Eigentümer der beiden Wohnungen der aus einem Doppelhaus bestehenden Wohnanlage.

Zu notarieller Urkunde vom 11.2.1999 samt Nachtrag vom 4.7.1999 ersetzte der Beteiligte die als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung vom Jahr 1965 durch eine neue Gemeinschaftsordnung.

§ 4 der neuen Gemeinschaftsordnung lautet wie folgt:

§ 4 Neue sondereigentumsfähige Einheiten

Sollten aufgrund der in §§ 2 und 3 dieser Gemeinschaftsordnung zugelassenen Änderungen und Bebauungsmöglichkeiten neue bauliche Anlagen entstehen, so unterliegen sie der Sondernutzung wie die Grundstücksfläche. Entstehen sondereigentumsfähige Räume, so ist der Eigentümer, dem das Sondernutzungsrecht an den baulichen Anlagen zusteht, zur Einräumung des damit möglichen Sondereigentums für sich oder für von ihm zu benennende Dritte, gegebenenfalls unter Aufteilung seines Miteigentumsanteils, im Rahmen der erteilten Abgeschlossenheitsbescheinigungen, unter Umständen mit eigener Gemeinschaftsordnung für das Verhältnis unter dem neu entstehenden Wohnungs- und Teileigentum, die jedoch von dieser Gemeinschaftsordnung nicht abweichen darf, auf eigene Kosten berechtigt, ohne daß andere Eigentümer, auch künftige, ein Verhinderungsrecht haben. Er ist zur Aufteilung in einer entsprechenden Urkunde und zu deren grundbuchamtlichen Vollzug von den übrigen Eigentümern ermächtigt, soweit diese Ermächtigung ohne ausdrückliche Erklärung der übrigen Eigentümer zulässig ist. Die übrigen Eigentümer sind verpflichtet, bei der Einräumung des Sondereigentums an den neu entstehenden Einheiten, gegebenenfalls mit eigener Gemeinschaftsordnung und bei deren Eintragung im Grundbuch sowie bei der Beschaffung der Abgeschlossenheitsbescheinigung und Aufteilungspläne mitzuwirken, soweit das erforderlich ist, insbesondere durch Zustimmung zu Aufteilungsurkunden, die der berechtigte Eigentümer nach den vorausgehenden Bestimmungen errichtet.

Den Antrag auf grundbuchamtlichen Vollzug hat das Grundbuchamt durch die am 24.6.1999 ergänzte Zwischenverfügung vom 22.2.1999 beanstandet; es hat darauf hingewiesen, daß eine vorweggenommene Ermächtigung zur Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum nicht als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden könne, und verlangt, daß der Eintragungsantrag insoweit zurückgenommen werde.

Das Landgericht hat die Beschwerde des Beteiligten gegen die Zwischenverfügung durch Beschluß vom 8.10.1999 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Zu Recht habe das Grundbuchamt die Eintragungsfähigkeit des § 4 der neu gefaßten Gemeinschaftsordnung verneint, soweit diese Bestimmung die Überführung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum ohne Zustimmung der künftigen Wohnungseigentümer zulasse. Eine dahingehende Ermächtigung könne nicht Gegenstand einer Regelung der Gemeinschaftsordnung sein. Ein bestehendes Sondernutzungsrecht an dem betreffenden Teil des Gemeinschaftseigentums ändere daran nichts. Die Abänderung der Aufteilung in Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum betreffe das Grundverhältnis der Eigentümergemeinschaft und nicht deren Verhältnis untereinander. Den Bedürfnissen der Praxis könne durch Vollmachten in ausreichendem Maße Rechnung getragen werden.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Senat hat am 24.7.1997 (BayObLGZ 1997, 233) entschieden, daß die vorweggenommene Zustimmung oder Ermächtigung, Sondereigentum in Gemeinschaftseigentum umzuwandeln, nicht mit einer die Sondernachfolger bindenden Wirkung als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden kann; der Senat hat in dieser Entscheidung weiter ausgeführt, daß dies auch für den umgekehrten Fall der Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum gelte. Dieser Ansicht haben sich das Kammergericht (FGPrax 1998, 94; ZMR 1999, 204 f.) für den Fall der Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum und Teile des Schrifttums (Demharter GBO 23. Aufl. Anh. zu § 3 Rn. 65; Basty NotBZ 1999, 233/235; vgl. auch v. Oefele in Bauer/v. Oefele GBO AT V Rn. 109) angeschlossen; widersprochen haben ihr 8811 (DNotZ 1998, 345/346) und Rapp (MittBayNot 1998, 77/79 f.).

b) Hinsichtlich der in § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG genannten Vereinbarungen der Wohnungseigentümer über ihr Verhältnis untereinander gilt grundsätzlich Vertragsfreiheit. Vereinbarungen sind zulässig, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist. Eine Einschränkung ergibt sich aber nicht nur aus ausdrücklichen Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes, sondern auch daraus, daß Vereinbarungen immer nur das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander, nicht aber die dingliche Grundstruktur der Gemeinschaft betreffen können. Das Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer baut auf der dinglichen Grundlage der Gemeinschaft auf, die durch die Zuordnung von gemeinschaftlichem Eigentum einerseits und Sondereigentum andererseits geprägt ist. Eine Änderung dieser durch den dinglichen Begründungsakt festgelegten Grundstruktur der Gemeinschaft kann nicht Gegenstand von Vereinbarungen der Wohnungseigentümer im Sinn von § 5 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WEG sein. Vereinbarungen können nur das darauf aufbauende Gemeinschaftsverhältnis betreffen. Zusammenfassend hat der Senat in seiner Entscheidung vom 24.7.1997 ausgeführt, daß die Änderung der Aufteilung in Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum das Grundverhältnis der Gemeinschaft und nicht das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander betreffe (BayobLGZ 1997, 233/238 f.; vgl. auch BayObLGZ 1986, 444/446).

c) Der Senat hält an der in der genannten Entscheidung vertretenen Ansicht fest. Die an dieser Ansicht geäußerte Kritik gibt ihm keine Veranlassung, seine Rechtsprechung zu ändern.

Röll (aaO) beruft sich für seine Ansicht darauf, daß eine Bestimmung, wonach eine Zustimmung anderer Wohnungseigentümer zur Umwandlung nicht erforderlich sein solle, die Einwilligung im Sinn des § 185 Abs. 1 BGB ersetze und Gegenstand der Gemeinschaftsordnung sein könne. Eine ausreichende Begründung dafür kann nicht in den Ausführungen gesehen werden, daß es nicht einzusehen sei, warum diese Erleichterung des Rechtsverkehrs nicht möglich sein sollte, zumal es nicht Sinn der Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes sei, vernünftige Maßnahmen zu verhindern. Um eine vernünftige Maßnahme handelt es sich bei der angestrebten Ermächtigung in der Gemeinschaftsordnung allenfalls für den Bauträger, nicht aber für künftige Erwerber von Wohnungseigentum. Diesen wird zugemutet, Eigentum zu erwerben, das in wesentlichen Bereichen nachträglich ohne ihre Mitwirkung durch einen Dritten verändert werden kann (vgl. BayObLGZ 1994, 244/246).

Rapp (aaO) verwischt den Unterschied zwischen Inhalt und Gegenstand des Sondereigentums. Strukturell besteht nach seiner Meinung zwischen ihnen kein Unterschied, weil Änderungen in beiden Fällen in das Grundbuch eingetragen werden müßten. Dies trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Vereinbarungen wirken auch ohne Eintragung in das Grundbuch, allerdings nicht gegen Sondernachfolger, während Änderungen der Zuordnung von Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum nur durch Eintragung in das Grundbuch wirksam werden (vgl. § 4 Abs. 1 WEG). Auch Rapp meint, es sei nicht einzusehen, weshalb eine dingliche Ermächtigung bei Verfügungsgeschäften über den Inhalt des Sondereigentums, nicht aber bei solchen über den Gegenstand des Gemeinschafts- oder Sondereigentums möglich sein sollte. Diese Argumentation übersieht, daß der Gegenstand des Sondereigentums (vgl. § 5 Abs. 1 bis 3 WEG) dessen Abgrenzung zum Gemeinschaftseigentum und damit die dingliche Grundlage der Gemeinschaft betrifft, während der Inhalt des Sondereigentums (vgl. § 5 Abs. 4 WEG) das schuldrechtliche Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zum Gegenstand hat. Auf diesen entscheidenden Unterschied gründet sich die Ansicht des Senats, der Ermächtigungen zur Änderung der Zuordnung von Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum nicht für zulässig erachtet, weil sie nicht das Verhältnis der Wohnungseigentümer, sondern die dingliche Grundstruktur der Gemeinschaftsordnung berühren, wie sie durch den Gründungsakt festgelegt ist.

Ende der Entscheidung

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