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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 165/03
Rechtsgebiete: FGG, WEG


Vorschriften:

FGG § 12
WEG § 23 Abs. 4
WEG § 24 Abs. 6
WEG § 28
1. Ein Eigentümerbeschluss, der für eine Sonderumlage einen von der Gemeinschaftsordnung abweichenden Kostenverteilungsschlüssel festsetzt, ist anfechtbar, jedoch nicht nichtig.

2. Der Grundsatz, dass Eigentümerbeschlüsse "aus sich heraus", objektiv und normativ, auszulegen sind, steht einer Beweiserhebung über den Beschlussinhalt nicht entgegen, wenn unter den Beteiligten strittig ist, ob das im Protokoll Verlautbarte mit dem tatsächlich Beschlossenen übereinstimmt.

3. Einem in der Eigentümerversammlung persönlich anwesenden Wohnungseigentümer kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschlussanfechtung im allgemeinen nicht deshalb bewilligt werden, weil innerhalb der Anfechtungsfrist das Protokoll über die Eigentümerversammlung noch nicht fertig gestellt ist oder dem Wohnungseigentümer eine Einsichtnahme nicht ermöglicht wird (Ergänzung zu BayObLG Beschluss vom 17.1.2003, 2Z BR 130/02 = ZMR 2003, 435).


Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Die Wohnanlage besteht aus drei Gebäuden; dem Antragsteller gehört das Teileigentum an einem Gebäude.

In der Gemeinschaftsordnung ist hinsichtlich der Lasten und Kosten bestimmt:

Die Eigentümer eines gesamten Hauses sind berechtigt, dieses Haus für sich selbst zu verwalten, soweit die jeweils anfallenden Kosten auf jedes einzelne Haus umlegbar sind.

Soweit es sich um Kosten und Abgaben handelt, die nur von der Gemeinschaft getragen werden können und nicht teilbar sind, werden diese vom gemeinsamen Verwalter von den jeweiligen Grundstückseigentümern eingezogen und bezahlt. Die Kosten richten sich nach den jeweiligen Tausendstel Miteigentumsanteilen des jeweiligen Hauses.

Jeder Miteigentümer kann Renovierungs- und Umbauarbeiten in seinem Sondereigentum vornehmen lassen, ohne dass er hierzu die Zustimmung der anderen Miteigentümer benötigt. Soweit eine Abrechnung pro Haus möglich ist, nimmt diese jedes Haus (also die Miteigentümer jedes Hauses) allein vor. In diesem Fall ist der Gesamtmiteigentumsanteil pro Haus 100 %.

Es ist also vereinbart, dass jedes Haus (Anwesen) eine eigene wirtschaftliche Einheit bilden soll, die mit Ausnahme der nicht trennbaren Kosten und Abgaben eigenverantwortlich verwaltet, erhalten und unterhalten wird.

In der Wohnanlage sind Baumängel aufgetreten. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Mängel, deren Beseitigung durch eine Sonderumlage von zunächst 100.000 DM finanziert werden soll, auch das Gebäude betreffen, in dem der Antragsteller sein Teileigentum hat und ob dieser demgemäß auch zur Sonderumlage heranzuziehen ist.

In der Eigentümerversammlung vom 29.6.2001 fand in Anwesenheit des Antragstellers eine Wohnungseigentümerversammlung statt, deren Tagesordnungspunkt 6 lautete:

Beschluss über eine Sonderumlage nach Tausendstel Miteigentumsanteilen in einer Gesamthöhe von DM 100.000.

Das Protokoll weist dazu folgende Behandlung aus:

Zum Zweck der Behebung von weiteren im Zuge des Beweissicherungsverfahrens bekannt gewordenen gravierenden Mängeln am Gemeinschaftseigentum (wie z.B. lose und zum Teil herunterfallende Dachziegel, durchgerostete Einblechungen und dadurch Eindringen von Wasser in die Außenwände) wird eine Sonderumlage erhoben, die (vorerst) limitiert ist auf DM 100.000. Die Umlage erfolgt im Verhältnis der Miteigentumsanteile des Hauses (es folgt die Anschrift der Gesamtanlage), zahlbar in vier gleichen Raten jeweils zum ...

Abstimmungsergebnis: 585 Ja-Stimmen/285 Nein-Stimmen/0 Enthaltungen

Der Beschlussantrag wurde angenommen.

Die Verwalterin verlangte mit Schreiben vom 16.8.2001 vom Antragsteller die Bezahlung von 28.500 DM auf die Sonderumlage entsprechend seinem Miteigentumsanteil an dem Gesamtobjekt. Mit gleichem Schreiben wurde ihm das Protokoll über die Eigentümerversammlung vom 29.6.2001 übermittelt.

Am 28.8.2001 hat der Antragsteller das gerichtliche Verfahren eingeleitet. Er hat beim Amtsgericht zuletzt den Antrag gestellt, den Eigentümerbeschluss vom 29.6.2001 zu Tagesordnungspunkt 6 für nichtig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass die am 29.6.2001 beschlossene Sonderumlage pro Haus zu erheben ist und er nicht verpflichtet ist, einen Beitrag zu dieser Sonderumlage zu bezahlen. Ferner hat er den Hilfsantrag gestellt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses zu gewähren und den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.1.2002 den Eigentümerbeschluss wegen fehlender Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer für nichtig erklärt. Das Landgericht hat am 6.8.2002 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers hat der Senat mit Beschluss vom 7.11.2002 (WuM 2003, 103) den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses hat nach Beweisaufnahme mit Beschluss vom 1.7.2003 erneut den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde hat keinen Erfolg. Auf die im Rechtsbeschwerdeverfahren wiederholten Hilfsanträge auf Feststellung eines anderen Beschlussinhalts braucht deshalb nicht eingegangen zu werden.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe nun fest, dass der Beschluss, wie er in der Niederschrift festgehalten wurde, tatsächlich mit diesem Inhalt gefasst worden sei. Der Zeuge H. und die Beteiligten A. und W. hätten übereinstimmend angegeben, der Beschluss sei mit einem Verteilungsschlüssel nach Tausendstel Miteigentumsanteilen gefasst worden. Diese Angaben seien glaubwürdig. Der Antragsteller habe zwar in der Diskussion zu diesem Punkt der Tagesordnung verlangt, selbst nicht mit einer Sonderumlage belastet zu werden. Auf die Beschlussfassung habe sich dies jedoch nicht ausgewirkt, der Beschlussvorschlag sei unverändert geblieben.

Der Eigentümerbeschluss mit dem Inhalt, wie er im Protokoll festgehalten sei, sei auch nicht nichtig. Er hätte deshalb vom Antragsteller fristgerecht angefochten werden müssen, was nicht geschehen sei. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschlussanfechtung lägen nicht vor.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wurde der Eigentümerbeschluss so gefasst, wie er in dem Protokoll (§ 24 Abs. 6 WEG) festgehalten ist. Insbesondere enthält er den Verteilungsschlüssel, nach dem die Umlage von den einzelnen Wohnungseigentümern erhoben werden soll. Dies hat das Beschwerdegericht nach Durchführung der Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei und damit für den Senat bindend (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO) festgestellt. Eine Nachprüfung der tatsächlichen Umstände in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist ausgeschlossen (Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 42 m.w.N.). Dass die tatsächlichen Folgerungen des Tatrichters nicht die einzig möglichen, d.h. nicht zwingend sind und auch eine andere Schlussfolgerung sich angeboten hätte, kann mit der weiteren Beschwerde nicht erfolgreich geltend gemacht werden (Keidel/Meyer-Holz § 27 Rn. 42 a.E.). Weshalb trotz zögerlichen und auch teilweise widersprüchlichen Aussageverhaltens der Beteiligten A. und W. deren Angaben gefolgt werden konnte, hat das Landgericht nachvollziehbar mit dem langen Zeitablauf, der nicht sofort verständlichen Teilungserklärung und damit begründet, dass den Beteiligten der Abstimmungsvorgang nicht mehr gegenwärtig war. Bestimmt hätten sie jedoch geäußert, dass der Beschluss eine Aufteilung nach Miteigentumsanteilen vorgesehen habe. Das Landgericht konnte sich zudem auf die damit in Einklang zu bringende Aussage des Zeugen H. stützen, der die damalige Versammlung als Vertreter der weiteren Beteiligten geleitet hatte.

Das vom Antragsteller als widersprüchlich bezeichnete Schreiben der Hausverwaltung vom 18.5.2001, das die Umlage von Kosten anderer Instandhaltungsmaßnahmen nur auf die Eigentümer eines Nebengebäudes zum Gegenstand hat, konnte außer Betracht bleiben. Denn es ist schon nicht gesichert, dass hier, wie dort, nur ein Gebäude von der Instandsetzungsmaßnahme erfasst ist. Im Übrigen kann sich im hiesigen Fall eine anderweitige Handhabung auch daraus ergeben, dass der Zeuge H. entsprechend seinen Angaben die Teilungserklärung vor der Eigentümerversammlung vom 29.6.2001 nochmals ausführlich geprüft hatte und so zum Ergebnis kam, dass die gegenständlichen Sanierungskosten auf die Gesamtheit der Wohnungseigentümer umzulegen sind.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Angaben des Zeugen H. als glaubwürdig erachtet hat. Denn sie decken sich in der Kernfrage zur Abstimmung über den Kostenverteilungsschlüssel im Wesentlichen mit den Aussagen der Beteiligten A. und W. Schließlich konnte das Landgericht das aus den Aussagen des Zeugen und der Beteiligten gewonnene Ergebnis auch durch das schriftlich niedergelegte Protokoll bestätigt sehen.

b) Voraussetzung für das rechtswirksame Zustandekommen eines Eigentümerbeschlusses ist nicht nur die Abstimmung, sondern auch die Feststellung und Bekanntgabe des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter (§ 24 Abs. 6 WEG; siehe BGHZ 148, 335). Dem kommt konstitutive Bedeutung zu. Das setzt in der Versammlung die Feststellung voraus, dass eine gemeinschaftsinterne Willensbildung stattgefunden und zu einem bestimmten Ergebnis geführt hat. Das Versammlungsprotokoll weist ein eindeutiges Abstimmungsergebnis und die Feststellung aus, der Beschlussantrag sei angenommen worden. Das Landgericht hat keine Anhaltspunkte dafür feststellen können, dass das später Protokollierte nicht auch in dieser Form den Wohnungseigentümern bekannt gegeben wurde. Die mögliche Zusage des Versammlungsleiters, die Kostenbeteiligung des Antragstellers an der Sanierungsmaßnahme nochmals zu überprüfen, steht damit nicht zwingend im Widerspruch.

c) Der Beschluss mit seinem festgestellten Inhalt ist nicht nichtig. Eine absolute Beschlussunzuständigkeit läge nämlich nur vor, wenn der Beschluss als Abänderung des in der Teilungserklärung festgelegten Kostenverteilungsschlüssels zu verstehen wäre. Dies ist nicht der Fall. Auch wenn man die Teilungserklärung im Sinn des Antragstellers auslegt, handelt es sich bei dem Eigentümerbeschluss nur um einen vereinbarungswidrigen Beschluss, der nicht nichtig ist (vgl. BayObLG NJW-RR 2001, 1020; WuM 2003, 103).

d) Ist aber der Eigentümerbeschluss so zustande gekommen, scheidet für den Antragsteller eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschlussanfechtung (§ 23 Abs. 4 WEG) analog § 22 Abs. 2 FGG aus. Es steht zwar nicht fest, dass das Protokoll noch innerhalb der Anfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 WEG fertig gestellt wurde und der Antragsteller es hätte einsehen können (dazu BayObLG ZMR 2003, 435; KG ZMR 2002, 548). Der Antragsteller war jedoch in der Versammlung persönlich anwesend. Wie den anderen Teilnehmern konnte auch ihm nicht entgangen sein, dass der getroffene Beschluss über die Umlage auch den anzuwendenden Kostenverteilungsschlüssel mit umfasste und ihn einbezog. Damit hätte er ihn anfechten können; ihn trifft ein Verschulden an der Fristversäumung. Somit kommt eine Ungültigerklärung nicht in Betracht.

3. Der Senat hält es nach § 47 WEG für angemessen, den Antragsteller mit den gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu belasten. Nach der vorangegangenen Entscheidung des Senats vom 7.11.2002 und der nunmehr durchgeführten Beweisaufnahme des Landgerichts erschien das Rechtsmittel gegen die landgerichtliche Entscheidung von vornherein aussichtslos.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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