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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 23.06.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 173/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1004
WEG § 14
WEG § 22 Abs. 1
Der Anspruch auf Verkleinerung einer über das vereinbarte Maß hinaus vergrößerten Terrasse auf einer Sondernutzungsfläche kann im Einzelfall wegen Fehlens konkreter Beeinträchtigungen des Antragstellers oder aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ausgeschlossen sein.
Gründe:

I. Die Antragsteller, die Antragsgegner und die weitere Beteiligte waren zu Verfahrensbeginn die Wohnungseigentümer in einem dreistöckigen Haus. Den Antragsgegnern gehört die im Erdgeschoss gelegene Wohnung, mit der ein Sondernutzungsrecht an einer Gartenfläche verbunden ist. Den Antragstellern gehört die Wohnung im 1. Obergeschoss. Die weitere Beteiligte, früher Alleineigentümerin des Hauses, war bei Verfahrenseinleitung Eigentümerin der Wohnung im 2. Obergeschoss.

Bereits bei Begründung des Wohnungseigentums durch Teilungserklärung vom 25.7.1994 lag vor der Wohnung im Erdgeschoss eine Terrasse, auf der ein Wintergarten errichtet war.

Am 26.8.1994 unterzeichneten die Antragsteller und die weitere Beteiligte eine "Zusatzvereinbarung zur Teilungserklärung gemäß § 8 WEG", nach der den Eigentümern der Erdgeschosswohnung (=Antragsgegner) gestattet wird, "auf der Fläche des bestehenden Wintergartens einen Ausbau desselben zum Zweck der ganzjährigen Nutzung vorzunehmen." Außerdem wird ihnen in der Vereinbarung gestattet, "auf der in ihrem Sondernutzungsrecht stehenden Gartenfläche eine Erweiterung der Terrasse bis maximal 10 m² durchzuführen."

In der Folgezeit bauten die Antragsgegner den Wintergarten um und legten im Anschluss an diesen auf ihrer Sondernutzungsfläche eine neue Terrasse an. Diese Terrasse ist mindestens 18 m² groß, die genaue Fläche lässt sich wegen der unregelmäßigen Form nicht ohne weiteres ermitteln. Die Fläche des neuen Wintergartens beträgt nach den Feststellungen des Amtsgerichts bei einem Augenschein 13,7 m².

Nach Meinung der Antragsteller überschreitet die Terrasse der Antragsgegner erheblich die vereinbarte Größe. Nach Durchführung eines Augenscheins, bei dem der Amtsrichter den Wintergarten und die Terrasse vermessen hat, haben die Antragsteller beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, die Terrasse im Anschluss an den zu ihrer Wohnung gehörenden Wintergarten insoweit zu beseitigen, als die Terrasse einschließlich des Wintergartens eine Fläche von 28 m² überschreitet. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 21.1.2003 die Antragsgegner gemäß diesem Antrag zur Beseitigung verpflichtet. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht mit Beschluss vom 24.7.2003 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsteller den Beseitigungsantrag in dem vom Amtsgericht zugesprochenen Umfang weiter.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei die Vereinbarung vom 26.8.1994 nicht dahin auszulegen, dass die Antragsgegner nur eine Terrasse von 10 m² Größe anlegen dürften. Es liege vielmehr nahe, dass die Vertragschließenden eine Vergrößerung der vorhandenen Terrasse um 10 m² hätten zugestehen wollen. Von diesem Verständnis seien offenbar auch die Antragsteller bei der Formulierung ihres letzten Antrags vor dem Amtsgericht ausgegangen. Das Verlangen, die Terrasse so zu verkleinern, dass sie zusammen mit dem Wintergarten eine Fläche von 28 m² nicht überschreitet, wäre nach § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 3, § 14 Nr. 1 WEG nur begründet, wenn die Antragsteller durch die beanstandete Mehrfläche der Terrasse über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt würden. Eine solche Beeinträchtigung hätten die Antragsteller jedoch weder nachvollziehbar dargelegt noch sei sie sonst ersichtlich. Die vom Amtsgericht angeführte abstrakte Erwägung, die Antragsgegner hätten "in nicht unerheblichem Maß gegen die Vereinbarung vom 26.8.1994 verstoßen", vermöge das Erfordernis einer konkreten Beeinträchtigung nicht zu ersetzen. In welchem Umfang die auch von den Antragstellern für zulässig erachtete Gesamtfläche von 28 m² überschritten werde, sei unter den Beteiligten streitig. Während das Amtsgericht aufgrund der beim Augenschein getroffenen Feststellungen von einer Überschreitung um etwa 3 m² ausgegangen sei, behaupteten die Antragsteller nun, die Fläche sei um 7 m² überschritten. Ein Gutachten zu dieser Frage sei aber nicht erforderlich, weil auch bei einer Flächenüberschreitung um 7 m² kein Nachteil für die Antragsteller festzustellen sei. Die Terrasse sei von der Wohnung der Antragsteller nur dann zu sehen, wenn man ganz nahe an das Wohnzimmerfenster herantrete. Dass die Terrasse bei einer Verkleinerung für die Antragsteller nicht mehr sichtbar sein werde, könne nicht festgestellt werden, da die Antragsgegner in der konkreten Gestaltung ihrer Terrasse frei seien. Dass die Antragsteller sich vom "Betrieb" auf der Terrasse gestört fühlten, sei von der Größe der Terrasse unabhängig und müsse von den Antragstellern hingenommen werden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der von den Antragstellern geltend gemachte Beseitigungsanspruch kann sich, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, allein auf § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 3, § 14 Nr. 1 WEG stützen. Die Anlegung einer Terrasse ist eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums, die entweder der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bedarf oder die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das in § 14 WEG genannte Maß hinaus beeinträchtigen darf (§ 22 Abs. 1 Satz 2 WEG). Die Einräumung eines Sondernutzungsrechts an einer Gartenfläche erlaubt noch nicht die Anlegung einer Terrasse.

b) Im vorliegenden Fall haben die Antragsteller und die weitere Beteiligte in der Vereinbarung vom 26.8.1994 einer Vergrößerung der vorhandenen Terrasse, auf der ein alter Wintergarten stand, um 10 m² zugestimmt. Dass das Landgericht die Vereinbarung in diesem Sinn ausgelegt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Da es sich um eine Individualvereinbarung handelt, ist die Auslegung Sache des Tatrichters. Der Senat kann diese Auslegung nur auf Rechtsfehler überprüfen (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Solche liegen auch deshalb nicht vor, weil neben den Antragsgegnern auch die Antragsteller die Vereinbarung in diesem Sinn verstehen. Soweit die Antragsgegner bei der Neuanlegung der Terrasse die Gesamtfläche um 10 m² vergrößert haben, liegt also eine wirksame Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer vor.

c) Ob die Überschreitung dieser erlaubten Vergrößerung zu beseitigen ist, muss nach dem Maßstab des § 22 Abs. 1 Satz 2, § 14 Nr. 1 WEG beurteilt werden. Dabei ist nach den Feststellungen des Amtsgerichts anlässlich des Augenscheins von einer Flächenüberschreitung um etwa 3 m² auszugehen. Für die Richtigkeit dieser Feststellung sprechen sowohl die im Augenscheinsprotokoll festgehaltenen Maße als auch die Planskizze und die Lichtbilder, die Bestandteil der Akten sind. Für eine größere Flächenüberschreitung sind die Antragsteller eine nachvollziehbare Darlegung schuldig geblieben, zumal sie behauptet haben, die Fläche genau nachgemessen zu haben. Angesichts des unzureichenden Vortrags der Antragsteller war das Landgericht nicht gehalten, die Terrasse von einem Sachverständigen vermessen zu lassen.

d) Ob eine bauliche Maßnahme die übrigen Wohnungseigentümer über das in § 14 WEG genannte Maß hinaus beeinträchtigt, unterliegt in erster Linie der Beurteilung des Tatrichters, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann. Solche sind hier nicht erkennbar. Vielmehr hat das Landgericht überzeugend dargelegt, eine Beeinträchtigung der Antragsteller dadurch, dass die Gesamtfläche von Wintergarten und Terrasse etwas über 31 m² anstatt 28 m² beträgt, liege nicht vor.

e) Die Entscheidung des Landgerichts ist im Ergebnis aber auch dann richtig, wenn man die Vereinbarung vom 26.8.1994 dahin auslegt, dass eine Überschreitung der erlaubten Vergrößerung um 10 m² unabhängig von § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG nicht gestattet werden soll. Denn dann steht dem Beseitigungsverlangen der Antragsteller § 242 BGB entgegen, der jeden Anspruch durch die Berücksichtigung von Treu und Glauben begrenzt. Da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Antragsgegner die erlaubte Fläche bewusst überschritten haben, hängt die Durchsetzung des Anspruchs der Antragsteller von einer Interessenabwägung ab. Bei einer solchen ist nicht ersichtlich, welchen Vorteil die Antragsteller von einer Verkleinerung der Terrasse um 3 m² hätten, während eine solche Maßnahme für die Antragsgegner mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden wäre. Nach den Umständen des konkreten Falls kann den Antragstellern unter dem Gesichtspunkt der unter Wohnungseigentümern allgemein zu beachtenden Schutz- und Treuepflichten zugemutet werden, die nicht mit konkreten Beeinträchtigungen verbundene Flächenüberschreitung der Terrasse hinzunehmen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Angesichts der unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen besteht kein Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



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