Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.05.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 174/99
Rechtsgebiete: WEG, FGG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 4
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
FGG § 15
ZPO § 406
Streiten nur zwei benachbarte Wohnungseigentümern über die Größe ihrer Sondernutzungsflächen, müssen nicht alle Wohnungseigentümer verklagt werden, sofern sie nicht beeinträchtigt sind.
BayObLG Beschluß

LG München I - 1 T 8409/99; AG München 482 UR II 876/96

2Z BR 174/99

Verkündet am 26.05.2000

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Dr. Tilch sowie der Richter Demharter und Werdich am 26. Mai 2000 in der Wohnungseigentumssache wegen Duldung,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 10. November 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 6000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Antragsteller und Antragsgegner streiten um die Abgrenzung von Sondernutzungsflächen in einer Reihenhausanlage.

Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer des im Aufteilungsplan mit den Nrn. 8 und 22 bezeichneten Reiheneckhauses; den Antragsgegnern gehört das nördlich angrenzende, im Aufteilungeplan mit der Nr. 7 bezeichnete Reihenmittelhaus. Gemäß den Abschnitten 5 a, ab) und 5 a, ba) der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung vom 27.10.1987 ist den jeweiligen Eigentümern der Einheiten Nr. 7 und Nr. 8 jeweils das Sondernutzungsrecht an der dem Haus vorgelagerten Terrasse und der angrenzenden, im Lageplan farbig umrandeten Grundstücksteilfläche eingeräumt. Die dem Eckhaus Nr. 8 der Antragsteller zugewiesene Sondernutzungsfläche liegt im Südwesten des Grundstücks und erstreckt sich im wesentlichen entlang der Südseite des Gebäudes. Die nördlich angrenzende, dem Mittelhaus Nr. 7 zugewiesene Sondernutzungsfläche erstreckt sich entlang der Westseite des Hauses Nr. 7 und teilweise entlang der Westseite des Hauses Nr. 8. Zur Abgrenzung der Sondernutzungsflächen, errichtete der Bauträger einen Maschendrahtzaun, der 50 cm nördlich der Hausecke des Gebäudes Nr. 8 beginnt und von dort nach Westen führt.

Die Antragsteller verlangten von der Bauträgerin die Versetzung des Zauns in nördlicher Richtung, weil die Grenze zwischen den Sondernutzungsflächen nicht ordnungsgemäß festgestellt worden sei. Auf ihre Klage hin wurde die Bauträgerin durch Urteil des Landgerichts vom 23.11.1993 und Berufungsurteil des Oberlandesgerichts vom 2.5.1995 verurteilt, den Zaun zwischen den im Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen B. bezeichneten Punkten zu entfernen und einen 50 cm hohen Zaun entsprechend der Anlage zu diesem Gutachten neu zu errichten.

Die Antragsgegner, die auf ihrer Seite des Zauns eine Hecke gepflanzt haben, verweigerten ihre Zustimmung zur Versetzung des Zauns. Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, die Entfernung den vorhandenen Zauns und soweit erforderlich der von ihnen gepflanzten Hecke sowie die Errichtung eines neuen Zauns gemäß den Urteilen der Prozeßgerichte und dem Gutachten des Sachverständigen B. zu dulden, ferner den Antragsgegnern Ordnungsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung anzudrohen. Das Amtsgericht hat zu der Frage, ob der Zaun zwischen den Sondernutzungsflächen der Beteiligten entsprechend dem Sondernutzungsplan der Teilungserklärung errichtet wurde, ein vermessungstechnisches Gutachten des Sachverständigen K. eingeholt. Durch Beschluß vom 22.4.1999 hat es die Antragsgegner verpflichtet, die Entfernung des vorhandenen Zauns und soweit erforderlich der Hecke sowie die Errichtung eines neuen 50 cm hohen Maschendrahtzauns zu dulden, der an der Hauswand um 38 cm und an der westlichen Grundstücksgrenze um ca. 43 cm in nördlicher Richtung gemäß der Skizze des Sachverständigen K. versetzt ist; für den Fall der Zuwiderhandlung hat es den Antragsgegnern Ordnungsmittel angedroht. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht am 10.11.1999 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt

Die Antragsgegner seien verpflichtet, das Versetzen des Zauns auf die tatsächliche Grenze zwischen den Sondernutzungebereichen und soweit erforderlich das Entfernen ihrer Hecke zu dulden. Der Zaun beeinträchtige das Sondernutzungsrecht der Antragsteller, weil er sich nicht auf der Grenze zwischen den Sondernutzungsflächen befinde, sondern den überzeugenden und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen K. zufolge an der Hauswand um 38 cm und am westlichen Ende um 43 cm in den Sondernutzungsbereich der Antragsteller hinein verschoben sei. Weder an der Methode noch am Ergebnis des Sachverständigen bestünden Zweifel. Er habe den verlauf der im Plan festgelegten Grenze zwischen den Sondernutzungsflächen festgestellt und anschließend mit den am Grundstück durchgeführten Messungen verglichen, wobei er jeweils von der südwestlichen Ecke des Hauses Nr. 8 ausgegangen sei. Anhaltspunkte für eine von den Plänen abweichende Errichtung dieses Gebäudes habe der Sachverständige nicht festgestellt; für ihre dahingehenden Mutmaßungen hätten die Antragsgegner nichts vorgetragen. Es habe daher kein Anlaß zu weiteren Messungen am südlichen oder nördlichen Ende des Gesamtgrundstücks bestanden.

Es sei nicht zu beanstanden, daß der Sachverständige K. eine Bestimmungsunsicherheit von Plus/Minus 5 cm annehme. Eine geringfügige Unsicherheit beim Abgleich einer in einem Lageplan mit dem Maßstab 1:400 eingezeichneten Grenzlinie mit den tatsächlichen Verhältnissen sei nachvollziehbar und es sei deshalb auch nicht zu beanstanden, daß der vom Sachverständigen K. festgestellte Mittelwert von 38 cm um 4 cm von dem durch den Sachverständigen B. ermittelten Wert von 42 cm abweiche. Für den Umfang des Sondernutzungsbereichs seien nach den Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung die im Lageplan eingetragenen Begrenzungen maßgeblich, nicht eine bestimmte Fläche.

Es sei auch nicht zu beanstanden, daß das Amtsgericht den vom Sachverständigen K. angegebenen Mittelwert seiner Entscheidung zugrundegelegt habe und nicht den Minimalwert nach Abzug der Bestimmungsunsicherheit von 5 cm. Es erscheine sachgerecht, durch Zugrundelegen des Mittelwerts die bestehenden. Unschärfen auf beide Seiten gleichmäßig zu verteilen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Antragsgegner sind verpflichtet, die Versetzung des Zauns gemäß den vom Landgericht bestätigten Festlegungen des Amtsgerichts zu dulden.

a) Grundsätzlich kann jeder Wohnungseigentümer von den übrigen Wohnungseigentümern gemäß § 15 Abs. 3, § 21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG die Mitwirkung bei der Herstellung eines erstmaligen ordnungsmäßigen Zustands der Wohnanlage entsprechend dem Aufteilungsplan und den Bauplänen verlangen (BayObLGZ 1989, 470/473; BayObLG WuM 1994, 640). Der Anspruch richtet sich grundsätzlich gegen die Wohnungseigentümer in ihrer Gesamtheit. Besteht aber wie hier nur Streit zwischen zwei benachbarten Wohnungseigentümern über die Größe ihrer Sondernutzungsflächen und werden die übrigen Wohnungseigentümer nicht beeinträchtigt, kann der eine Wohnungseigentümer den anderen allein auf Mitwirkung bei der Herstellung eines den Plänen entsprechenden Zustands in Anspruch nehmen (vgl. BayObLG WE 1997, 76).

b) Die Sondernutzungsrechte an den an die Häuser angrenzenden Grundstücksteilflächen sind in der Gemeinschaftsordnung vom 27.10.1987 begründet worden, die als Inhalt des Sondereigentums ins Grundbuch eingetragen wurde (§ 5 Abs. 4 i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 1 WEG). Maßgebend für den Umfang der streitigen Sondernutzungsrechte ist damit die Grundbucheintragung. Dort ist gemäß § 7 Abs. 3 WEG zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Sondereigentums auf die Teilungserklärung Bezug genommen. Anhand dieser und des dort in Bezug genommenen Lageplans ist der Umfang der Sondernutzungsrechte zu bestimmen; maßgebend ist die zeichnerische Darstellung im Lageplan (vgl. BayObLG NJW-RR 1996, 1038/1039 und Beschluß vom 24.2.2000, 2Z BR 147/99).

c) Das Landgericht ist von diesen Grundsätzen ausgegangen. Die Würdigung des im ersten Rechtszug eingeholten Gutachtens des Sachverständigen K. durch die Tatsacheninstanzen kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt nachgeprüft werden (vgl. BayObLG WuM 1993, 707/708 m.w.N.); sie läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

aa) Das Landgericht ist den Darlegungen des Sachverständigen aufgrund eigener Würdigung gefolgt und hat sich mit den Einwendungen der Antragsgegner gegen die Sachkunde des Gutachters und den Inhalt des Gutachtens auseinandergesetzt. Die Einholung eines weiteren Gutachtens liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts; die Voraussetzungen dafür (vgl. BayObLGZ 1986, 214/217; Keidel/Schmidt FGG 14. Auf 1. § 15 Rn. 46) hat das Landgericht ohne Rechtsfehler nicht für gegeben erachtet. Es hat den Umstand berücksichtigt, daß die vom Sachverständigen B. im Rechtsstreit der Antragsteller gegen die Bauträgerin ermittelten Maße für die Versetzung des Zauns zwischen 5 und 10 cm von denen des Sachverständigen K. abweichen. Anlaß zu weiteren Ermittlungen bestand insoweit nicht, denn die Abweichung ist geringfügig und die Maße des Sachverständigen K., die das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, sind für die Antragsgegner günstiger.

bb) Soweit die Antragsgegner beanstanden, daß die Akten des Rechtsstreits der Antragsteller gegen die Bauträgerin nicht beigezogen worden sind, vermag dies weder einen Verstoß gegen den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 12 FGG) noch eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zu begründen. Insbesondere hatten die Antragsteller hinreichend Gelegenheit, zum Gutachten B. und den im Zivilprozeß ergangenen gerichtlichen Entscheidungen Stellung zu nehmen, die sämtlich bereits im ersten Rechtszug vorgelegt worden waren.

d) Auf den Umstand, daß der Sachverständige K. bereits im Jahr 1989 in der gleichen Angelegenheit ein Privatgutachten für die Antragsteller erstattet hat, kann die Rechtsbeschwerde nicht gestützt werden, denn die Entscheidung über Ablehnungsgründe ist dem gesetzlich vorgesehenen Ablehnungsverfahren (§ 15 Abs. 1 FGG,'§ 406 ZPO) vorbehalten (BayObLGZ 1986, 366/367; BayObLG MDR 1995, 412/413). Im übrigen ist das Ablehnungsrecht gemäß § 406 Abs. 2 Sätze 1 und 2 ZPO zeitlich begrenzt und die Antragsgegner haben weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, daß sie ohne ihr Verschulden an einer früheren Geltendmachung des erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragenen Ablehnungsgrundes gehindert waren. Einen Hinweis, auf das von ihnen erst jetzt vorgelegte Privatgutachten K. enthielt schon das Schreiben ihrer früheren Verfahrensbevollmächtigten vom 14.11.1989 (von den Antragstellern als Anlage K 9 vorgelegt).

e) Die Antragsgegner machen geltend, die vom Sachverständigen K. angenommene Bestimmungsunsicherheit von Plus/Minus 5 cm müsse voll zu ihren Gunsten berücksichtigt werden. Dem kann nicht gefolgt werden. Es liegt im Bereich tatrichterlicher Würdigung und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Landgericht es für sachgerecht erachtet hat, Antragsteller und Antragsgegner gleichmäßig mit der Unsicherheit zu belasten, die nach den Darlegungen des sachverständigen K. bei der Bestimmung der Grenze zwischen den Sondernutzungsflächen verbleibt.

f) Entgegen der Meinung der Antragsgegner fehlt es der vom Landgericht bestätigten Entscheidung des Amtsgerichts nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, weil eines der Maße für die Versetzung des Zauns mit "ca." 43 cm angegeben ist. Es handelt sich insoweit um den Endpunkt des Zauns an der westlichen Grenze, der sich bei der Verschiebung von dem an der Hauswand festgelegten Anfangspunkt auf der im Plan des Sachverständigen K., auf den die Entscheidung Bezug nimmt, eingezeichneten Linie ergibt.

3. Dem Senat erscheint es angemessen, den in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegnern die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und übereinstimmend mit der Wertfestsetzung der Vorinstanzen auf 6000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück