Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.11.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 178/04
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 23
WEG § 28
BGB § 119
BGB § 123
BGB § 138
BGB § 142
1. Die Bestandskraft eines Genehmigungsbeschlusses über die Jahresgesamt- und Einzelabrechnungen führt zur endgültigen Verbindlichkeit der Abrechnung. Dies gilt auch dann, wenn in einer Einzelabrechnung eine Schadensersatzforderung gegen einen Wohnungseigentümer eingestellt ist, die in der Jahresgesamtabrechnung keine Erwähnung findet und materiellem Recht widerspricht.

2. In absoluter Beschlussunzuständigkeit gefasste Eigentümerbeschlüsse sind nichtig. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, wenn die Wohnungseigentümer in die Jahresabrechnung eine Forderung gegen einen Wohnungseigentümer einstellen, die nach materiellem Recht nicht besteht.

3. Die Anfechtung der einzelnen Stimmabgabe wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung kann auch noch nach Ablauf der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG erklärt werden.


Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Wohnungserbbaubrerechtigten einer Wohnungserbbaurechtsanlage.

Die Antragsteller machen aufgrund des bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses vom 29.4.2002 über die Jahresgesamt- und Einzelabrechnung 2001 eine Restschuld in Höhe von 815,48 EURO gegen die Antragsgegnerin geltend. Außerdem verlangen sie von ihr eine ihnen von der Bank der Antragsgegnerin in Rechnung gestellte Rücklastschriftgebühr in Höhe von 3 EURO; nachdem nämlich die Verwalterin aufgrund der ihr erteilten Lastschrifteinzugsermächtigung die Restschuld der Antragsgegnerin aus der Jahresabrechnung 2001 von deren Konto abbuchen hatte lassen, widersprach die Antragsgegnerin der Abbuchung mit der Folge, dass unter Erhebung einer Gebühr von 3 EURO bei den Antragstellern der Abbuchungsbetrag der Antragsgegnerin wieder gutgeschrieben wurde. Schließlich machen die Antragsteller eine Mahngebühr in Höhe von 2,97 EURO geltend sowie eine Sondervergütung für die Verwalterin in Höhe von 118,62 EURO aufgrund des bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses vom 9.3.1992; nach diesem Beschluss steht dem Verwalter bei Zahlungsrückständen einzelner Wohnungserbbauberechtigter im Beitreibungsfall ein Betrag von 200 DM als pauschale Abgeltung für den Mehraufwand zu.

Die Antragsgegnerin wendet gegen die geltend gemachten Forderungen ein, in der sie betreffenden Einzelabrechnung sei bei der Auflistung der von ihr erbrachten Wohngeldzahlungen zu Unrecht ein Betrag in Höhe von 1.600,80 DM in Abzug gebracht worden. Entgegen der Behauptung der Verwalterin habe sie nie Kenntnis davon erhalten, dass die Wohnungen der Anlage am 12.10.2001 wegen Kaminsanierungsarbeiten zugänglich sein müssten. Ein Verschulden daran, dass ihre Wohnung an diesem Tage nicht habe betreten werden können, treffe sie deshalb nicht. Den angeblichen Schaden der Isolier- und Kaminbaufirma wegen vergeblicher Anfahrt und Ausfallzeit in Höhe von 1.600,80 DM müsse deshalb allein die Verwalterin tragen. Den Wohnungserbbauberechtigten habe jedenfalls die Beschlusskompetenz gefehlt, eine entsprechende Schadensersatzforderung gegen die Antragsgegnerin zu begründen.

Die Antragsteller haben beantragt, die Antragsgegnerin zur Zahlung von 940,07 EURO nebst Zinsen zu verpflichten. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 15.12.2003 dem Antrag stattgegeben. Das Landgericht hat am 30.7.2004 die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Beschluss der Wohnungserbbauberechtigten, aus dem sich die Zahlungspflicht der Antragsgegnerin ergebe, sei bestandskräftig und damit verbindlich. Der Beschluss sei auch nicht nichtig; die Wohnungserbbauberechtigten hätten nämlich die Beschlusskompetenz darüber, ob und welche Forderung gegen einzelne Wohnungserbbauberechtigte bestehe. Der nicht angefochtene Beschluss der Erbbauberechtigten begründe einen selbständigen Anspruch; dies gelte auch dann, wenn nach materiellem Recht ein Anspruch nicht bestehe.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Zahlungsanspruch der Antragsteller für den Wohngeldrest 2001 ergibt sich aus § 16 Abs. 2 WEG i.V.m. § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG, da der Beschluss der Wohnungserbbauberechtigten vom 29.4.2002, der die Einzelabrechnung 2001 der Antragsgegnerin billigt, nicht für ungültig erklärt worden ist.

Einzelabrechnungen sind zwar aus der Gesamtjahresabrechnung dergestalt abzuleiten, dass der auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallende Anteil an den Gesamtausgaben festgestellt wird und diesem die von ihm geleisteten Wohngeldvorauszahlungen gegenübergestellt werden (BayObLG NJW-RR 1990, 1107 f.). Hier ist die von der Isolier- und Kaminbaufirma der Gemeinschaft in Rechnung gestellte und von dieser nach der Behauptung der Antragsgegnerin auch bezahlte Schadensersatzforderung in Höhe von 1.600,80 DM in die Jahresgesamtabrechnung nicht aufgenommen worden. Ungeachtet dieses Mangels führt aber die Bestandskraft des Genehmigungsbeschlusses über die Jahresgesamt- und Einzelabrechnungen 2001 zur endgültigen Verbindlichkeit der Abrechnung. Das Gleiche gilt für den Fall, dass die genehmigte Abrechnung deshalb materiell unrichtig sein sollte, weil der gegen die Antragsgegnerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht besteht (Staudinger/Bub WEG § 28 Rn. 522 m.w.N.).

b) Eine Nichtigkeit des Beschlusses über die Einzelabrechnung der Antragsgegnerin ist zu verneinen.

(1) In absoluter Beschlussunzuständigkeit gefasste Eigentümerbeschlüsse sind nichtig (BGH NJW 2000, 3500). Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben. Es liegt nämlich in der Zuständigkeit der Wohnungserbbauberechtigten, die von ihnen gegenüber der Gemeinschaft zu treffenden Zahlungspflichten im Rahmen einer Jahresgesamt- und Einzelabrechnung verbindlich festzulegen (vgl. BayObLG WE 1994, 247; NZM 2003, 239 f.). An der Zuständigkeit für eine solche Beschlussfassung fehlt es nicht etwa deshalb, weil eine in die Abrechnung eingestellte Forderung dem materiellen Recht widerspricht.

(2) Der Beschluss der Wohnungserbbauberechtigten über die Einzelabrechnung der Antragsgegnerin verstößt auch nicht gegen § 138 BGB. Die Einstellung der fraglichen Forderung in die Einzelabrechnung verstößt nicht schon dann gegen die guten Sitten, wenn die Antragsgegnerin ein Verschulden daran nicht treffen sollte, dass ihre Wohnung an dem für die Sanierung der Kamine festgelegten Tag nicht zugänglich war. Jedenfalls war die Antragsgegnerin aus der Sicht der damals beschließenden Wohnungserbbauberechtigten die Verursacherin des der beauftragten Firma entstandenen Schadens; aus der Sicht der Wohnungserbbauberechtigten kam sie damit in erster Linie dafür in Betracht, für den Schaden aufzukommen (vgl. BGH NZM 2003, 239 f.).

c) Die Antragsgegnerin trägt vor, weder die Wohnungserbbauberechtigten noch der Verwaltungsbeirat hätten bei der Abstimmung über die Jahresgesamt- und Einzelabrechnungen 2001 davon Kenntnis gehabt, dass in die Einzelabrechnung der Antragsgegnerin die fragliche Schadensersatzforderung eingestellt worden sei. Die Verwalterin habe wider besseren Wissens mit falschen Behauptungen und unter Verdrehung der Tatsachen die eigentlich sie selbst treffende Schadensersatzpflicht auf die Antragsgegnerin abgewälzt. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Behauptung zutreffend ist. Jedenfalls käme insoweit nur eine Anfechtung der einzelnen Stimmabgaben wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung in Betracht. Eine solche Anfechtung kann zwar auch noch nach Ablauf der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG erklärt werden. Die anfängliche Nichtigkeit der Einzelstimme der Antragsgegnerin nach § 142 BGB wirkt sich aber auf das Ergebnis der Beschlussfassung nicht aus.

d) Die Verpflichtung, die geltend gemachte Sondervergütung für die Verwalterin zu bezahlen, beruht auf dem bestandskräftigen Beschluss der Wohnungserbbauberechtigten vom 9.3.1992. Ob dieser Beschluss auf fristgerechte Anfechtung im gerichtlichen Verfahren für ungültig zu erklären gewesen wäre, ist nicht entscheidungserheblich. Anhaltspunkte für die Nichtigkeit dieses Beschlusses liegen nicht vor.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

Zurück