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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 179/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 251 Abs. 2
BGB § 635 Abs. 3
BGB § 1004
Einem Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden. Offen bleibt, ob dies auf einer entsprechenden Anwendung von § 251 Abs. 2, § 635 Abs. 3 BGB oder auf § 242 BGB beruht.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage.

Dem Antragsteller gehören mehrere Wohnungen, darunter die im Obergeschoß des mehrstöckigen Gebäudes gelegene Wohnung, zu der eine größere Terrasse gehört.

Die Wohnungseigentümer beschlossen am 11.12.1996: an sämtlichen Fassadenflächen einen Vollwärmeschutz anzubringen, ... die Balkongeländer und die Geländer auf der Attika so abzuändern, dass diese an einer durchlaufenden, an der Unterseite der Balkone befestigten Stahlkonstruktion aufgehängt werden und, wo dies für die Attikageländer nicht möglich ist, eine Befestigung an der Außenseite der Attika zu schaffen, die Draufsichten der Balkonbrüstungen mit einer Einblechung zu versehen und die durch die Änderung der Dachgeländer im Bereich der Attika erforderlichen Nacharbeiten am Flachdach auszuführen.

Gemäß diesem Beschluss wurden die Sanierungsarbeiten durchgeführt und gegen Ende des Jahres 1997 im Wesentlichen abgeschlossen. Dabei wurde etwa 20 cm über der bisherigen Oberkante der Terrassenbrüstung ein an Querstreben befestigtes umlaufendes Metallrohr als zusätzliches Geländer angebracht; außerdem wurden die Balkonbrüstungen eingeblecht.

Im Vorverfahren wurde auf Antrag des Antragstellers mit Senatsbeschluss vom 30.1.2003 (= WuM 2003, 291) der Eigentümerbeschluss insoweit für ungültig erklärt, als er die Abänderung des Attikageländers zum Gegenstand hat. Im Übrigen wurde im Hinblick auf das vom Antragsteller in Anspruch genommene Recht zu verlangen, dass die Veränderungen rückgängig gemacht werden, Folgendes bemerkt:

Ein solcher Anspruch dürfte aber wegen der zu den Beeinträchtigungen des Antragstellers durch die Veränderung in keinem Verhältnis stehenden Kosten der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gegen Treu und Glauben verstoßen und damit wegen Rechtsmissbräuchlichkeit an § 242 BGB scheitern. Dabei sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung die Auswirkungen der beschlossenen Maßnahme hinsichtlich des Terrassengeländers nicht im Einzelnen vorhersehen konnten und diese Auswirkungen auch vom Antragsteller zunächst nicht erkannt wurden. In einem solchen Fall sei es zwar nicht ausgeschlossen, dass zum Ausgleich eine Entschädigung wegen der Wertminderung des betroffenen Wohnungseigentums von den Wohnungseigentümern zu zahlen ist. Ob eine solche Entschädigungszahlung trotz der nur geringfügigen Beeinträchtigungen des Antragstellers in Betracht komme, erscheine allerdings fraglich.

Im jetzigen Verfahren hat der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegner zu verpflichten, die im Rahmen der Fassadenerneuerung an der Attika seiner Wohnung sowie auf der Draufsicht der Balkonbrüstung vorgenommenen Änderungen, insbesondere die Erhöhung des Attikageländers sowie die Einblechung der Balkonbrüstungen, zu beseitigen und den früheren Zustand wiederherzustellen.

Hilfsweise:

1. Die Antragsgegner zu verpflichten, die Abänderungen am Attikageländer im Bereich seiner Wohnung gemäß den Kostenvoranschlägen näher bezeichneter Firmen auf Kosten der Wohnungseigentümer rückgängig zu machen und zu beseitigen.

2. Die Antragsgegner zu verpflichten, an den Antragsteller eine Entschädigung von 30.000 EURO zu bezahlen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 6.4.2004 die Anträge abgewiesen. Das Landgericht hat am 26.7.2004 den Beschluss des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass die Antragsgegner als Gesamtschuldner verpflichtet wurden, an den Antragsteller eine Entschädigung in Höhe von 2.000 EURO zu bezahlen. Im Übrigen hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Von den Gerichtskosten des Verfahrens hat es dem Antragsteller 1/15 und den Antragsgegnern als Gesamtschuldnern 14/15 auferlegt. Von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten hat es abgesehen. Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Wegen offenbarer Unrichtigkeit war allerdings die Kostenentscheidung des Landgerichts dahingehend zu berichtigen, dass der Antragsteller und nicht die Antragsgegner 14/15 der gerichtlichen Verfahrenskosten zu tragen haben. Dementsprechend entfallen 1/15 der gerichtlichen Verfahrenskosten beim Amtsgericht und beim Landgericht auf die Antragsgegner als Gesamtschuldner und nicht auf den Antragsteller.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der mit dem Haupt- und Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Beseitigung der vorgenommenen Änderungen und auf Wiederherstellung des früheren Zustands sei wegen Rechtsmissbrauchs unbegründet. Wegen der zu den Beeinträchtigungen des Antragstellers durch die Veränderungen in keinem Verhältnis stehenden Kosten der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands würde nämlich ein solcher Anspruch gegen Treu und Glauben verstoßen. Dabei sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung die Auswirkungen der beschlossenen Maßnahme hinsichtlich des Terrassengeländers nicht im Einzelnen hätten vorhersehen können und diese Auswirkungen auch vom Antragsteller zunächst nicht erkannt worden seien.

Demgegenüber stehe dem Antragsteller zum Ausgleich der Wertminderung eine Entschädigung in Höhe von 2.000 EURO zu. Die Erhöhung des Geländers könne durch eine Erhöhung des Terrassenbodens ausgeglichen werden. Die insoweit anfallenden Kosten würden durch eine Entschädigung in Höhe von 2.000 EURO ausgeglichen. Bei der Höhe der Entschädigung müsse außerdem berücksichtigt werden, dass eine Dachterrasse, die sich nach drei Seiten entfalte, nicht nur als Sitzgelegenheit diene; eine Sichtbeeinträchtigung sei jedoch allenfalls im Sitzen vorhanden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass durch das nach innen reichende Geländer die Nutzfläche der Terrasse geringfügig verringert worden sei. Bei der Bemessung der Entschädigung sei aber die geltend gemachte Verschmutzung durch Vogelkot außer Betracht geblieben. Der Eigentümer einer in der Nähe eines Parks gelegenen Stadtwohnung mit Dachterrasse müsse mit einer solchen Verschmutzung rechnen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 30.1.2003 bemerkt hat, ist der geltend gemachte Anspruch auf Beseitigung der vorgenommenen Veränderungen und auf Wiederherstellung des früheren Zustands wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Entscheidung sowie die im Anschluss daran gemachten zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 26.7.2004 Bezug genommen.

Die Rechtsbeschwerde übersieht, dass nicht entscheidungserheblich ist, ob die Erhöhung des Terrassengeländers von vornherein geplant war. Desgleichen ist unerheblich, dass die Auswirkungen der beschlossenen Maßnahmen auf die Terrasse des Antragstellers erstmals während der Bauarbeiten im Zusammenhang mit der Erhöhung des Terrassengeländers zu Tage traten. Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 30.1.2003 ausgeführt hat, kommt es bei der Frage des Rechtsmissbrauchs maßgeblich allein darauf an, dass die Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung die Auswirkungen der beschlossenen Maßnahme hinsichtlich des Terrassengeländers nicht im Einzelnen vorhersehen konnten und diese Auswirkungen auch vom Antragsteller zunächst nicht erkannt wurden.

Die Rechtsbeschwerde verkennt ferner, dass es nicht darum geht, ob bei einem Anspruch nach § 1004 BGB Verschuldensgesichtspunkte berücksichtigt werden können. Es kann allenfalls hinterfragt werden, ob einem Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden kann. Dies ist, soweit keine vorsätzliche Beeinträchtigung vorliegt, nach allgemeiner Meinung zu bejahen (Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 1004 Rn. 47).

Für das Ergebnis ist ohne Bedeutung, ob der Einwand des Rechtsmissbrauchs auf eine entsprechende Anwendung von § 251 Abs. 2, § 635 Abs. 3 BGB (vgl. Palandt/Bassenge aaO) oder auf § 242 BGB gestützt wird.

b) Das Landgericht hat einen Ausgleichs- oder Entschädigungsanspruch (vgl. Palandt/Bassenge § 1004 Rn. 49) dem Grunde nach zuerkannt. Dagegen haben die Antragsgegner kein Rechtsmittel eingelegt.

Die weitgehend im tatrichterlichen Ermessen liegende Höhe von 2.000 EURO ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dies gilt auch dann, wenn man den vom Landgericht herangezogenen Gesichtspunkt außer Betracht lässt, dass ein Betrag von 2.000 EURO ausreicht, um den Terrassenboden zu erhöhen. Ein Ausgleich für die Wertminderung soll ja gerade deshalb gewährt werden, weil ein an sich bestehender Anspruch aus § 1004 BGB nicht geltend gemacht werden kann. Die übrigen vom Landgericht herangezogenen Ermessensgesichtspunkte sind aber rechtsfehlerfrei.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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