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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.05.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 19/03
Rechtsgebiete: BGB, GBO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 181
GBO § 20
GBO § 25
GBO § 29
GBO § 53 Abs. 1
GBO § 71
ZPO § 269 Abs. 3
1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit der Einigung nach § 20 GBO kann das Grundbuchamt über einen etwaigen Vollmachtsmissbrauch oder eine Umgehung des § 181 BGB grundsätzlich keinen Zeugenbeweis erheben. Es kann in der Regel auch nicht die in öffentlichen Protokollen enthaltenen Erklärungen von Zeugen inhaltlich verwerten.

2. Gegen die Eintragung eines Widerspruchs aufgrund einer einstweiligen Verfügung kann Beschwerde mit dem Ziel der Löschung des Widerspruchs eingelegt werden. Für den Nachweis der Unwirksamkeit der einstweiligen Verfügung infolge von Antragsrücknahme ist die Vorlage einer Ausfertigung oder einer beglaubigten Abschrift des Beschlusses erforderlich, durch den die Wirkungslosigkeit der einstweiligen Verfügung festgestellt wird.


Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 2 ist als Eigentümerin von drei Grundstücken im Grundbuch eingetragen. Sie erteilte ihrem früheren Ehemann eine notarielle Vollmacht, die keine Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens enthielt. Der frühere Ehemann der Beteiligten zu 2 gründete am 13.4.2000 eine Gesellschaft nach dem Recht des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland (Limited). Er war Direktor dieser Gesellschaft. Am 20.6.2000 wurde beschlossen, dass A zum weiteren Direktor der Gesellschaft ernannt wurde und dass jeder Direktor einzeln berechtigt ist, im Namen der Gesellschaft in sämtlichen geschäftlichen Angelegenheiten Entscheidungen zu treffen.

Mit notariellem Vertrag vom 26.7.2000 veräußerte der Ehemann der Beteiligten zu 2 als deren Vertreter an die durch eine vollmachtlose Notariatsfachangestellte vertretene Beteiligte zu 1 Grundbesitz. Die Verkäuferin bewilligte und beantragte die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Eigentumsverschaffungsanspruchs. Weiter erklärten die Vertragsteile die Einigung über den Eigentumsübergang. Sie beantragten und bewilligten die Eigentumsumschreibung im Grundbuch. Am 2.8.2000 genehmigte die Verträge für die Beteiligte zu 1. Der frühere Ehemann der Beteiligten zu 2 reichte den Vertrag vom 26.7.2000 am 26.3.2001 beim Grundbuchamt ein.

Am 5.9.2000 wurden die Eigentumsvormerkungen zugunsten der Beteiligten zu 1 eingetragen.

Am 11.9.2000 widerrief die Beteiligte zu 2 die Vollmacht für ihren früheren Ehemann. Am 12.9.2000 widerrief sie den Widerruf und am 9.10.2000 widerrief sie die Vollmacht erneut.

Am 26.9.2001 hat die Beteiligte zu 2 gegen die Eintragung der Eigentumsvormerkungen Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, einen Amtswiderspruch gemäß § 53 GBO einzutragen. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Mit gleich lautenden Zwischenverfügungen vom 3.5.2001 hat das Grundbuchamt der Beteiligten zu 1 aufgegeben, einen Eintragungsantrag der Beteiligten zu 2, einen Handelsregisterauszug aus dem britischen Handelsregister bezüglich der Vertretungsbefugnis der Beteiligten zu 1, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts und eine Vorkaufsrechtbescheinigung der Stadt Nürnberg vorzulegen. Gegen diese Zwischenverfügung hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt. Mit Beschlüssen vom 22.5.2001 hat das Grundbuchamt die Anträge auf Eintragung des Eigentumsübergangs sowie die Beschwerden gegen die Zwischenverfügungen zurückgewiesen. Gegen die Beschlüsse vom 22.5.2001 hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren hat sie die Bescheinigungen für die Vertretungsberechtigung von Herrn Dr. F. und die Bescheinigung der Stadt über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts für zwei der drei Grundstücke vorgelegt.

Mit Schreiben vom 29.6.2001 hat die Beteiligte zu 1 erneut die Eigentumsumschreibung und hinsichtlich der früher eingelegten Rechtsmittel vorläufig das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung über diese Anträge beantragt. Mit drei gleich lautenden Beschlüssen vom 1.10.2001 hat das Grundbuchamt die Anträge vom 29.6.2001 auf Eintragung des Eigentumsübergangs zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt.

Am 11.10.2001 hat das Grundbuchamt aufgrund einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 1.10.2001 einen Widerspruch zugunsten der Beteiligten zu 2 gegen die zugunsten der Beteiligten zu 1 erfolgten Eintragungen der Eigentumsvormerkungen eingetragen. Gegen die Eintragung dieser Widersprüche hat die Beteiligte zu 1 Beschwerden mit dem Ziel der Löschung eingelegt.

Das Landgericht hat am 30.9.2002 die Beschwerden der Beteiligten zu 1 gegen die Beschlüsse des Grundbuchamts vom 1.10.2001 und gegen die Eintragung der Widersprüche zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Beteiligte zu 1 könne nicht als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen werden, da sie als juristische Person ausländischen Rechts in der Bundesrepublik Deutschland nicht als rechtsfähig anerkannt werden könne. Außerdem sei die Wirksamkeit der Auflassung nicht nachgewiesen. Die Einigung über den Eigentumsübergang verstoße gegen das Verbot des Selbstkontrahierens gemäß § 181 BGB. Durch die Einschaltung von A sei dieses Verbot lediglich umgangen worden.

Die Löschung der Widersprüche können nicht verlangt werden, da es sich um keine inhaltlich unzulässige Eintragung handele. Die Löschung einer zwar zulässigen, aber inhaltlich unrichtigen Eintragung könne nur aufgrund Bewilligung der Betroffenen oder aufgrund Unrichtigkeitsnachweises gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO vorgenommen werden.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

a) Die Beschlüsse des Grundbuchamts vom 1.10.2001 sind aufzuheben, da die vom Grundbuchamt angenommenen Eintragungshindernisse nicht bestehen.

An einer abschließenden Entscheidung sieht sich der Senat schon deshalb gehindert, da eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts nicht vorliegt (vgl. Demharter GBO 24. Aufl. § 20 Rn. 48).

aa) Den hier verfahrensgegenständlichen Anträgen steht nicht entgegen, dass Eintragungsanträge bereits am 26.3.2001 beim Grundbuchamt eingereicht wurden. Dabei kann es dahinstehen, ob nur eine Wiederholung der früheren Anträge vorliegt. Jedenfalls wurden die am 26.3.2001 eingereichten Anträge am 22.5.2001 zurückgewiesen und sind damit erledigt. Dass gegen die Beschlüsse vom 22.5.2001 Beschwerden eingelegt wurden, ist unerheblich, da eine Beschwerde die Tatsache der Erledigung nicht beseitigt (Demharter § 17 Rn. 11).

bb) Die Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 1 steht nunmehr außer Zweifel. Der Senat hat in einem ebenfalls die Beteiligte zu 1 betreffenden Verfahren bereits entschieden, dass einer Kapitalgesellschaft, die in einem Mitgliedstaat des EG-Vertrags wirksam gegründet wurde und dort als rechtsfähig anerkannt ist, die Rechtsfähigkeit und damit die Grundbuchfähigkeit in Deutschland auch dann nicht versagt werden kann, wenn der tatsächliche Verwaltungssitz in Deutschland liegt (BayObLGZ 2002, 413 ff.). Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beteiligte zu 1 im Vereinigten Königreich (auch) einen Geschäftssitz hat und dort tätig ist.

cc) Nach § 20 GBO darf im Falle der Auflassung eines Grundstücks die Eintragung nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist. Dabei hat das Grundbuchamt nur zu prüfen, ob die Einigung erklärt ist. Eintragungsvoraussetzung ist nicht, dass die Wirksamkeit der Einigung vom Grundbuchamt festgestellt ist. Ist der Nachweis der Einigung erbracht, darf das Grundbuchamt die Eintragung nur ablehnen, wenn es aufgrund feststehender Tatsachen zu der Überzeugung gelangt, dass das Grundbuch durch die Eintragung unrichtig würde (Demharter § 20 Rn. 38 m.w.N.). Ob ein Verbot gegen das Selbstkontrahieren vorliegt, hat das Grundbuchamt im Rahmen des § 20 GBO zu prüfen (BayObLG Rpfleger 1993, 441/442; KG NJW-RR 1999, 168). Dabei ist das Grundbuchamt jedoch auf die im Eintragungsverfahren zulässigen Beweismittel beschränkt (Demharter § 20 Rn. 38 und § 1 Rn. 51). Die Erklärungen von Zeugen sind deshalb kein zulässiges Beweismittel (BayObLGZ 1989, 113), so dass es dem Landgericht verwehrt gewesen ist, die Zeugenaussage des A in einem anderen Verfahren zu verwerten. Urkunden, die Erklärungen von Zeugen enthalten, erbringen auch dann, wenn es sich um öffentliche Urkunden handelt, nicht den Beweis für die inhaltliche Richtigkeit der Erklärung, sondern nur für deren Abgabe (Thomas/Putzo/Reichold ZPO 25. Aufl. § 415 Rn. 5; Demharter § 1 Rn. 51).

Mit den im Grundbuchverfahren zulässigen Beweismitteln können im vorliegenden Fall keine Tatsachen festgestellt werden, aus denen sich eine unzulässige Umgehung des Verbots des Selbstkontrahierens ergeben würde. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem vom Kammergericht (NJW-RR 1999, 168) entschiedenen.

Ob der geschiedene Ehemann der Beteiligten zu 2 zum Zeitpunkt der Genehmigung des Rechtsgeschäfts durch A noch wirtschaftlicher Inhaber der Beteiligten zu 1 war und ob A nur gleichsam als Strohmann gehandelt hat, ist zwischen den Beteiligten umstritten und kann durch im Grundbuchverfahren zulässige Beweismittel nicht abschließend geklärt werden. Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2002, 1488) ein Vollmachtsmissbrauch nicht vorliegt, wenn der Bevollmächtigte aufgrund einer Treuhandabrede zu dem jeweiligen Rechtsgeschäft berechtigt war. Dieser Grundsatz ist entsprechend heranzuziehen, wenn es sich um ein missbräuchliches Verhalten zur Umgehung des Verbots des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB handelt. Auch die Auffassung, dass das Verbot des Selbstkontrahierens nicht durch die Einschaltung weiterer Vertreter umgangen werden darf (BGH NJW 1991, 691; BayObLGZ 2002, 413/416) beruht darauf, dass der Gefahr eines Interessenkonflikts und damit einer Schädigung des Vertretenen vorgebeugt werden soll. Diese Gefahr ist jedoch nicht gegeben, wenn der Bevollmächtigte zu dem Rechtsgeschäft aufgrund einer getroffenen Treuhandabrede befugt war. Ob eine solche Treuhandabrede vorlag, ist zwischen den Beteiligten umstritten und mit den im Grundbuchverfahren zulässigen Beweismitteln nicht zu klären. Es steht deshalb nicht fest, dass durch die beantragten Eintragungen das Grundbuch unrichtig würde.

b) Die Beschwerde gegen die Eintragung von Widersprüchen ist unbeschränkt zulässig (BayObLGZ 1952, 24/26).

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Eine inhaltlich unzulässige Eintragung im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO liegt nicht vor.

Die Widersprüche sind auch nicht nach § 25 GBO zu löschen. § 25 GBO ist entsprechend anzuwenden, wenn eine einstweilige Verfügung analog § 269 Abs. 3 ZPO durch einen Beschluss des Prozessgerichts für unwirksam erklärt wird (BayObLGZ 1978, 15; OLG Frankfurt a. M. FGPrax 1995, 180). Einen solchen Beschluss hat die Beteiligte 1 nicht in Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift (vgl. Demharter § 25 Rn. 10) vorgelegt. Der in einfacher Ablichtung vorliegende Beschluss des Prozessgerichts vom 5.2.2002 enthält nur eine Kostenentscheidung, aber nicht den Ausspruch, dass die einstweilige Verfügung wirkungslos geworden ist.

Eine Löschung nach § 22 GBO kommt nicht in Betracht, weil eine Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 FGG. Soweit die Beteiligten mit ihren Rechtsmitteln erfolglos geblieben sind, ist die Kostenerstattung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG anzuordnen. Im Übrigen besteht für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten keine Veranlassung.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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