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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.12.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 199/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 23
WEG § 24
Wird einem Wohnungseigentümer der Tagungsort der Eigentümerversammlung vorsätzlich nicht mitgeteilt, sind die in der Versammlung gefassten Beschlüsse in der Regel nichtig.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerinnen waren bei Verfahrensbeginn die Wohnungseigentümer einer Anlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird. Der Antragsteller hat einen Miteigentumsanteil von 27,13/100, die Antragsgegnerinnen hatten einen Miteigentumsanteil von 72,87/100. Die Miteigentumsanteile der Antragsgegnerinnen sind inzwischen durch Zwangsversteigerung auf einen Dritten übertragen worden. Eine Vereinbarung über ein vom Gesetz abweichendes Stimmrecht haben die Tatsacheninstanzen nicht festgestellt.

Der weitere Beteiligte lud mit Schreiben vom 8.7.2003 für den 23.7.2003 zu einer Eigentümerversammlung im Lokal des Antragstellers ein. Mit Schreiben vom 17.7.2003 widerrief die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers in dessen Namen die Bereitschaft, das Lokal als Tagungsraum zur Verfügung zu stellen. Der weitere Beteiligte teilte dem Antragsteller und seiner Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 21.7.2003 unter anderem mit, dass die Eigentümerversammlung entsprechend der Einladung stattfinden werde, "nur mit der Änderung, dass der Versammlungsort kurzfristig sich insoweit ändere". Der neue Versammlungsort wurde nicht mitgeteilt. Am 23.7.2003 trafen sich die Antragsgegnerinnen und der weitere Beteiligte vor dem Lokal des Antragstellers. Der Antragsteller war nicht anwesend. Die Antragsgegnerinnen und der weitere Beteiligte begaben sich daraufhin in die Räume der Antragsgegnerinnen und hielten dort eine Versammlung ab.

Mit den Stimmen der Antragsgegnerinnen wurden die Gesamt- und Einzelabrechnungen für die Jahre 2000, 2001 und 2002 beschlossen. Ferner wurde ein Beschluss über den Wirtschaftsplan 2003 gefasst. Außerdem wurde eine neue Hausordnung beschlossen.

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht beantragt, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 23.7.2003 für ungültig zu erklären. Neben materiellen Einwendungen beruft sich der Antragsteller darauf, dass er zur Eigentümerversammlung nicht eingeladen worden sei. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 15.12.2003 den Beschluss über die Einzelabrechnung für das Jahr 2001 für den Antragsteller für ungültig erklärt und den Antrag im Übrigen abgewiesen. Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des Amtsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt, soweit sein Antrag abgewiesen wurde. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 20.9.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Amtsgericht hat zutreffend den Verwalter am Verfahren beteiligt. Demgegenüber hat das Landgericht rechtsfehlerhaft (§ 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2 WEG) den Verwalter lediglich als Vertreter der Antragsgegnerinnen bezeichnet. Der Senat hat den weiteren Beteiligten am Verfahren beteiligt und damit den Verfahrensfehler des Landgerichts geheilt. Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht, da die Beteiligung des Verwalters im vorliegenden Fall lediglich der Gewährung rechtlichen Gehörs dient. Eine weitere Sachaufklärung durch Beteiligung des Verwalters im Verfahren vor dem Landgericht erscheint ausgeschlossen (BayObLGZ 2004, 1/2).

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Dem Antragsteller habe es freigestanden, seine Einwilligung zur Abhaltung der Eigentümerversammlung in seinem Lokal zu widerrufen. Die Ladung sei fehlerhaft, weil dem Antragsteller der neue Versammlungsort nicht mitgeteilt worden sei. Unter diesen Umständen sei es dem Antragsteller von vornherein verwehrt gewesen, an der Versammlung teilzunehmen. Mangels Mitteilung des Versammlungsorts habe der Antragsteller auch nicht wissen können, wo sich die weiteren Eigentümer mit dem Verwalter treffen würden. Es habe von ihm nicht verlangt werden können, dass er sich vorsorglich am Anwesen einfinde. Der Ladungsfehler sei jedoch nicht relevant, da auszuschließen sei, dass bei ordnungsgemäßer Ladung des Antragstellers andere Beschlussergebnisse zu erwarten gewesen wären. Angesichts des Stimmenverhältnisses von 27,13 zu 72,87 sei auszuschließen, dass die Beschlüsse bei Anwesenheit des Antragstellers anders ausgefallen wären.

Außerdem hat das Landgericht materielle Ausführungen zu den Beschlüssen gemacht.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Zu einer Eigentümerversammlung sind grundsätzlich alle Wohnungseigentümer einzuladen (einhellige Meinung; vgl. z.B. Palandt/Bassenge BGB 62. Aufl. § 23 Rn. 5). Das ist hier nicht geschehen. Zwar wurde der Antragsteller zunächst zur Eigentümerversammlung eingeladen. Nach seinem Widerruf, seine Geschäftsräume für die Eigentümerversammlung zur Verfügung zu stellen, wurde jedoch der Versammlungsort geändert. Die Mitteilung des Versammlungsorts ist wesentlich für eine ordnungsmäßige Einladung, da mangels Kenntnis des Versammlungsorts eine Teilnahme nicht möglich ist. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, war vom Antragsteller auch nicht zu erwarten, dass er sich am ursprünglich geplanten Versammlungsort einfindet, da sowohl aufgrund seiner Weigerung, das Lokal zur Verfügung zu stellen, als auch aufgrund der Mitteilung des weiteren Beteiligten, dass sich der Versammlungsort kurzfristig ändere, feststand, dass die Versammlung am ursprünglich geplanten Ort nicht stattfinden wird. Es liegt somit ein Ladungsmangel vor.

Ein Ladungsmangel führt jedoch regelmäßig dann nicht zu einer Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit von Beschlüssen, wenn feststeht, dass die Beschlüsse bei ordnungsmäßigem Vorgehen ebenso gefasst worden wären (st. Rspr. des Senats; vgl. z.B. BayObLGZ 1985, 436). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt jedoch dann, wenn einzelne Wohnungseigentümer durch Nichteinladung bewusst ausgeschlossen werden (OLG Celle ZWE 2002, 276 = NZM 2002, 458 L.; OLG Zweibrücken FGPrax 2003, 60/62). Ein derartiges Vorgehen kommt einem Ausschluss des Wohnungseigentümers an der Mitverwaltung gleich. Ein solches Vorgehen kann auch nicht dadurch mittelbar gebilligt werden, dass bei eindeutigen Mehrheitsverhältnissen auf die bloßen Abstimmungsmehrheiten abgestellt wird. Gerade bei kleineren Wohnungseigentümergemeinschaften, die aus zwei zerstrittenen Lagern bestehen, kann es nicht hingenommen werden, dass nur die zu erwartende Mehrheit zur Eigentümerversammlung eingeladen wird.

Im vorliegenden Fall wurde zwar der Antragsteller zunächst zur Eigentümerversammlung geladen, letztlich wurde ihm aber die Teilnahme sowohl für die Antragsgegnerinnen als auch für den Verwalter erkennbar dadurch unmöglich gemacht, dass ihm der neue Versammlungsort nicht mitgeteilt wurde. Hinzu kommt, dass die Versammlung einen eher privaten Charakter hatte, da sie in den Wohnräumen der Antragsgegnerinnen stattfand. Ob man in einem solchen Fall soweit gehen muss, dass ein Nichtbeschluss wegen Fehlens einer Eigentümerversammlung angenommen wird (so Palandt/ Bassenge § 24 WEG Rn. 5), kann dahinstehen. Jedenfalls sind solche Beschlüsse nichtig (OLG Celle ZWE 2002, 276; OLG Zweibrücken FGPrax 2003, 60/62).

Die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des Senats (NJW-RR 1991, 531 ff.) betrifft anders gelagerte Sachverhalte. Der Senat hat sich dort nicht mit einer vorsätzlichen Nichtladung eines Wohnungseigentümers befasst.

Die Entscheidung des Amtsgerichts zur Einzelabrechnung für das Jahr 2001 für den Antragsteller ist rechtskräftig.

4. Es entspricht der Billigkeit (§ 47 Satz 1 WEG), die Antragsgegnerinnen und den weiteren Beteiligten als Gesamtschuldner mit den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aller Instanzen zu belasten, da sie durch ihr Vorgehen das Beschlussanfechtungsverfahren veranlasst haben. Hinsichtlich des weiteren Beteiligten besteht insoweit auch ein materiell-rechtlicher Schadensersatzanspruch aus schuldhafter Verletzung des Verwaltervertrags.

Die in Übereinstimmung mit dem Landgericht getroffene Geschäftswertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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