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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.12.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 204/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
Zur Verwirkung eines Anspruchs auf Beseitigung bzw. Duldung der Beseitigung einer Torkonstruktion für einen Stellplatz in einer Tiefgarage.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Obersten Landesgericht Dr. Reichold sowie des Richters am Obersten Landesgericht Dr. Schmid und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Deneke-Stoll am 29. Dezember 2004 in der Wohnungseigentumssache

wegen Beseitigung,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 22. September 2004 und des Amtsgerichts München vom 28. April 2004 aufgehoben.

II. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Beseitigung der an der Decke im Einfahrtsbereich des den Antragstellern gehörenden, in der Tiefgarage der Wohnanlage gelegenen Stellplatzes Nr. 471 befestigten Schiene, die zum Betrieb des im Einfahrtsbereich des dem Antragsgegner gehörenden Stellplatzes Nr. 472 installierten Schiebetores erforderlich ist, zu dulden.

III. Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten in allen Rechtszügen zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert für alle Verfahrenszüge wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind Wohnungseigentümer in einer Wohnanlage. Zu der Wohnung der Antragsteller gehört der im Aufteilungsplan mit Nr. 471 bezeichnete Tiefgaragenstellplatz, zu der Wohnung des Antragsgegners der unmittelbar angrenzende Stellplatz Nr. 472. Die Antragsteller erwarben Wohnung und Stellplatz, die seit dem vermietet sind, im Jahr 1986. Der Antragsgegner ist seit 2000 Eigentümer von Wohnung und Stellplatz.

Der Rechtsvorgänger des Antragsgegners hatte 1987 den Tiefgaragenstellplatz Nr. 472 mit einer Gitterumrandung und einem Schiebetor versehen. Dieses Garagentor kann nur dadurch geöffnet werden, dass es in den Bereich des Stellplatzes Nr. 471 der Antragsteller geschoben wird. Solange das Tor geöffnet ist, ist eine Zufahrt zum Stellplatz der Antragsteller nicht möglich. An der Decke der Tiefgarage im Bereich des Stellplatzes Nr. 471 ist eine Laufschiene angebracht, an der das Schiebetor während des Öffnens entlang geführt wird. Durch die Konstruktion wird die auf dem Stellplatz Nr. 471 vorhandene Parkfläche in einem zwischen den Antragstellern und dem Antragsgegner strittigen Umfang derart verkürzt, dass längere Fahrzeuge dort nicht abgestellt werden können, da zu befürchten ist, dass sie beim Öffnen des Tores beschädigt werden.

In Eigentümerversammlungen der Jahre 1986 und 1987 war die Möglichkeit, die Stellplätze in der Tiefgarage durch Gittertore verschließen zu lassen, erörtert worden.

Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die Beseitigung der an der Decke des Einfahrtsbereichs zu Stellplatz Nr. 471 angebrachten Schiene zu dulden. Das Amtsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 28.4.2004 abgewiesen. Die gegen diese Entscheidung eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht durch Beschluss vom 22.9.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Einem denkbaren Beseitigungsanspruch der Antragsteller gemäß § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG stehen der Einwand der Verwirkung, § 242 BGB, entgegen.

Seit Errichtung der Garagenkonstruktion bis zur erstmaligen Geltendmachung des Beseitigungsverlangens seien nahezu 16 Jahre verstrichen, so dass das für die Annahme einer Verwirkung notwendige "Zeitmoment" gegeben sei. Während der gesamten Zeit seien die Antragsteller untätig geblieben. Die Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen des Rechts sei für eine Verwirkung nicht erforderlich. Es genüge, dass der Berechtigte bei objektiver Bewertung hätte Kenntnis haben können, was hier der Fall sei. Auch das für die Annahme der Verwirkung erforderliche "Umstandsmoment" liege vor. Die Mieter der Antragsteller hätten den Stellplatz Nr. 471 durchgängig genutzt, ohne dass es zu Beanstandungen gekommen sei. Die mögliche Errichtung von Garagenabsperrungen sei 1986 und 1987 in den Eigentümerversammlungen besprochen worden; die Konstruktion sei von der dort genannten Fachfirma durchgeführt worden. Bei dieser Sachlage hätten der Antragsgegner und sein Rechtsvorgänger davon ausgehen dürfen, dass den Antragstellern die Garagenkonstruktion auf Stellplatz Nr. 472 bekannt sei, sie jedoch hiergegen keine Einwendungen erheben wollten.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Der Anspruch der Antragsteller, die Beseitigung der Deckenschiene vor ihrem Stellplatz zu dulden, ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG. Dass eine über das in § 14 Nr. 1 WEG bezeichnete Maß hinausgehende Beeinträchtigung der Antragsteller im Gebrauch ihres Sondereigentums am Tiefgaragenstellplatz gegeben ist, liegt auf der Hand. Auf den genauen Umfang der Verkürzung der nutzbaren Fläche des Stellplatzes kommt es nicht an.

b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen steht dem Anspruch auf Duldung der Beseitigung der Deckenschiene der Einwand der Verwirkung (§ 242 BGB) nicht entgegen.

(1) Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (st. Rspr.; z.B. BGHZ 105, 290/298; BGH NJW-RR 2003, 727; s. Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. § 242 Rn. 87). Über den bloßen Zeitablauf hinaus müssen besondere Umstände vorliegen, die die Feststellung rechtfertigen, der Verpflichtete habe darauf vertrauen können, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr durchsetzen will (vgl. BayObLG NZM 1999, 849 und ZWE 2003, 181). Die Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen des Rechts ist dabei nicht erforderlich (BGHZ 25, 47/53).

(2) Hier sind seit Errichtung der Garagenkonstruktion bis zur erstmaligen Geltendmachung des Beseitigungsverlangens nahezu 16 Jahre verstrichen. Ob dies für die Annahme des für die Verwirkung erforderlichen Zeitmoments ausreichend ist, kann jedoch letztlich offen bleiben, da nicht ersichtlich ist, dass sich der Antragsgegner bzw. seine Rechtsvorgänger auf Grund des Verhaltens der Antragsteller darauf einrichten konnten und darauf eingerichtet haben, ein Anspruch auf Beseitigung bzw. Duldung der Beseitigung der Deckenschiene werde nicht mehr geltend gemacht. Dass die Mieter der Antragsteller den Stellplatz Nr. 471 seit Errichtung des Tores zu Stellplatz Nr. 472 durchgängig ohne Beanstandungen genutzt haben, reicht für das Umstandsmoment der Verwirkung nicht aus. Ebenso genügt es nicht, dass die Möglichkeit der Errichtung von Stellplatzabsperrungen für die einzelnen Wohnungseigentümer in den Jahren 1986 bzw. 1987 in Eigentümerversammlungen besprochen wurde und dass die vorliegende Konstruktion von der dort vorgeschlagenen Fachfirma durchgeführt wurde. Denn bislang ist nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner oder seine Rechtsvorgänger gerade im Vertrauen auf die zeitweise Nichtgeltendmachung von Rechten der Antragsteller irgendwelche Dispositionen getroffen haben. Unerheblich ist die Behauptung des Antragsgegners, der damalige Mieter der Antragsteller habe der konkreten Konstruktion zugestimmt. Denn eine etwaige Zustimmung des Mieters kann den Eigentümern nicht zugerechnet werden.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 47 WEG. Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

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