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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.08.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 21/00 (1)
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 242
WEG § 4
WEG § 21 Abs. 4
Ist das Sondereigentum an zwei Speichern wegen widerspüchlicher Teilungserklärung und Aufteilungsplan nicht entstanden, besteht ein gegen die übrigen Wohnungs- und Teileigentümer gerichteter Anspruch auf Begründung von Sondereigentum.
BayObLG Beschluß

LG München I - 1 T 14079/99; AG München 481 UR II 452/97

2Z BR 21/00

31.08.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich

am 31. August 2000

in der Wohnungseigentumssache

wegen Abgabe einer Willenserklärung,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 7. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner zu 1 haben als Gesamtschuldner die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 75000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage.

Der Antragsteller und K. waren im Grundbuch als Miteigentümer je zur Hälfte eines Teileigentums, bestehend aus einem Miteigentumsanteil von 18,5/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an dem Speicher Nr. 26 eingetragen. Die Antragsgegner zu 1 waren als Miteigentümer je zur Hälfte eines Teileigentums, bestehend aus einem Miteigentumsanteil von 13,4/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an dem Speicher Nr. 25 eingetragen. In der Teilungserklärung ist. der Speicher Nr. 26 mit einer Sondereigentumsfläche von etwa 90 m² und der Speicher Nr. 25 mit einer Sondereigentumsfläche von etwa 65 m² aufgeführt. Die Speicher Nr. 25 und 26 und ein weiterer Speicher Nr. 24 befinden sich im Dachgeschoß des Gebäudes. Im darunterliegenden Geschoß befinden sich die Wohnungen des Antragstellers und K. sowie der Antragsgegner zu 1 und der Antragsgegnerin zu 2.

In dem zunächst dem Grundbuchamt bei Begründung des Wohnungseigentums vorgelegten Aufteilungsplan Nr. 49024 war die Grenze zwischen den beiden Speichern Nr. 25 und 26 so gezogen, dass die Fläche des Speichers Nr. 26 deutlich größer war als die des Speichers Nr. 25. Dieser Aufteilungsplan wurde jedoch später durch den Aufteilungsplan Nr. 1011/74 ersetzt, in dem nunmehr der Speicher Nr. 25 größer dargestellt ist als der Speicher Nr. 26.

Durch Urteil vom 30.6.1995 wies der Bundesgerichtshof (BGHZ 130, 159) eine Klage der Antragsgegner zu 1 gegen den Antragsteller ab, den von diesem genutzten größeren Speicher zu räumen und an sie herauszugeben. Zur Begründung ist ausgeführt, zwischen den Größenangaben für die beiden Speicher Nr. 25 und 26 in der Teilungserklärung und der Darstellung der Sondereigentumsflächen der beiden Speicher im Aufteilungsplan bestehe ein Widerspruch; dieser führe dazu, dass kein Sondereigentum entstanden sei; damit bestünden zwei nicht mit Sondereigentum verbundene isolierte Miteigentumsanteile; alle Miteigentümer seien aufgrund des Gemeinschaftsverhältnisses verpflichtet, den Gründungsakt so zu ändern, dass keine sondereigentumslosen Miteigentumsanteile weiter bestehen blieben; die Antragsgegner zu 1 hätten daher nicht den geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruch, sondern allenfalls einen Anspruch auf nachträgliche Einräumung von Sondereigentum.

Diesen Anspruch macht der Antragsteller im vorliegenden Verfahren geltend. Aufgrund des Urteils des Bundesgerichtshofs hat das Grundbuchamt am 19.12.1995 die Verbindung mit dem Sondereigentum an den beiden Speichern Nr. 25 und 26 als inhaltlich unzulässig gelöscht.

Das Amtsgericht hat am 27.7.1999 die Antragsgegner zur Abgabe folgender Willenserklärungen verpflichtet:

Die Antragsgegner sind sich mit dem Antragsteller darüber einig, dass mit dem isolierten Miteigentumsanteil von 18,5/1000 das Sondereigentum an dem in dem anliegenden Plan farblich dargestellten und mit der Nr. 26 bezeichneten Speicherraum verbunden wird; sie bewilligen die Eintragung dieser Begründung von Sondereigentum im Grundbuch.

In dem der Entscheidung beigehefteten Plan ist die Sondereigentumsfläche des Speichers Nr. 26 in Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Aufteilungsplan Nr. 49024 als der größere Speicher dargestellt.

Die Gerichtskosten hat das Amtsgericht allen Wohnungseigentümern unter Einschluß des Antragstellers auferlegt und von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abgesehen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zu 1 gegen diese Entscheidung durch Beschluß vom 7.2.2000 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Teilungserklärung sei wirksam, soweit sie die Größe der Miteigentumsanteile für die Speicher festlege. Diese seien daher als Anhaltspunkt für die nach billigem Ermessen vorzunehmende Aufteilung der strittigen Speicherfläche heranzuziehen. Die Aufteilung müsse sich in das Wertverhältnis der übrigen Wohnungs- und Teileigentumsrechte einfügen, weil nur dann der Kostenverteilungsschlüssel angemessen sei. Für die vorgenommene Aufteilung der Speicherfläche spreche auch, dass sich diese mit dem ursprünglichen Aufteilungsplan Nr. 49024 decke. Die Einvernahme des Geschäftsführers des seinerzeitigen Bauträgers als Zeuge habe ergeben, dass die Aufteilung in dem Plan Nr. 1011/74 auf einer versehentlich falschen Zuordnung der Speicherflächen beruhe. Die Beweisaufnahme habe nicht die Darstellung der Antragsgegner zu 1 bestätigt, die Planänderung sei deshalb vorgenommen worden, weil nur so eine Abgeschlossenheitsbescheinigung zu erlangen gewesen sei. Dagegen spreche die Tatsache, dass aufgrund des ersten Aufteilungsplans eine Abgeschlossenheitsbescheinigung erteilt worden sei.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Nach der Vorgabe in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.6.1995 hat der Antragsteller einen aus dem Gemeinschaftsverhältnis hergeleiteten schuldrechtlichen Anspruch auf Änderung der dinglichen Rechtslage hinsichtlich des Speicherraums in der Form der Einräumung von Sondereigentum (BGHZ 130, 159/169, 171). Dadurch soll der derzeit bestehende, rechtlich nicht zulässige Zustand, dass isolierte Miteigentumsanteile, also Miteigentumsanteile ohne zugehöriges Sondereigentum bestehen, bereinigt werden. Anspruchsgrundlage ist § 242 BGB (BayObLGZ 1998, 111/114).

Derzeit besteht an dem Speicherraum, der in den Aufteilungsplänen Nr. 49024 und Nr. 1011/74 als Sondereigentumsfläche der Speicher Nr. 25 und Nr. 26 ausgewiesen ist, Gemeinschaftseigentum, weil Sondereigentum wegen eines durch Auslegung nicht aufzulösenden Widerspruchs zwischen Teilungserklärung und maßgeblichem Aufteilungsplan Nr. 1011/74 nicht wirksam begründet wurde. Der Antrag des Antragstellers geht damit auf Verpflichtung der übrigen Wohnungseigentümer auf Mitwirkung bei der Begründung von Sondereigentum an einem Teil dieser Speicherfläche (vgl. § 4 WEG), das mit dem Miteigentumsanteil des Antragstellers verbunden wird, damit rechtlich wirksames Teileigentum entsteht (§ 1 Abs. 3 WEG). An welchem Teil der Speicherfläche der Anspruch des Antragstellers auf Begründung von Sondereigentum besteht, beurteilt sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Berücksichtigung des Interesses der Gesamtheit der Miteigentümer nach billigem Ermessen (vgl. § 21 Abs. 4 WEG).

b) Ohne Rechtsfehler haben die Vorinstanzen einen Anspruch des Antragstellers auf Mitwirkung der Wohnungseigentümer an der Begründung von Sondereigentum an dem Teil der Speicherfläche bejaht, der in dem ursprünglichen, aber nicht verbindlich gewordenen Aufteilungsplan Nr. 49024 als Sondereigentum des Speichers Nr. 26 des Antragstellers ausgewiesen ist. Das Landgericht ist aufgrund der von ihm durchgeführten Beweiserhebung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Aufteilung der Speicherfläche in dem ursprünglichen Plan Nr. 49024 aufgrund eines Versehens in dem späteren Plan Nr. 1011/74 verändert wurde. Diese Beweiswürdigung ist für den Senat bindend, weil sie keine Rechtsfehler enthält (§ 43 Abs. 1 Satz 1 WEG, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO). Die Aufteilung der Speicherfläche entsprechend dem ursprünglichen Aufteilungsplan deckt sich mit den ungefähren Größenangaben in der Teilungserklärung, wonach der Speicher Nr. 26 etwa 90 m² groß sein soll und der Speicher Nr. 25 etwa 65 m². Von entscheidender Bedeutung ist aber, dass sich die von den Vorinstanzen vorgenommene Aufteilung in das für die übrigen wirksam begründeten Wohnungs- und Teileigentumsrechte, insbesondere für den Speicher Nr. 24, in der Gemeinschaft bestehende Verhältnis von Größe des Miteigentumsanteils und Größe des Sondereigentums einfügt.

c) Die Einwendungen der Antragsgegner zu 1 gegen die Entscheidung des Landgerichts greifen nicht durch.

(1) Soweit die Vorinstanzen die Miteigentumsanteile von 18,5/1000 und 13,4/1000 für die beiden Speicher Nr. 25 und Nr. 26 als verbindlich ansehen, ist dies nicht zu beanstanden. Der vom Bundesgerichtshof festgestellte Widerspruch bezieht sich nicht auf die Miteigentumsanteile der beiden Speicher, sondern nur auf das mit diesen jeweils verbundene Sondereigentum, also auf die Speicherflächen; nach der Entscheidung bestehen die Miteigentumsanteile als sogenannte isolierte Miteigentumsanteile unverändert weiter (BGHZ 130, 159/169; vgl. auch BGHZ 109, 179/184). Der vom Bundesgerichtshof festgestellte Widerspruch zwischen Teilungserklärung und Aufteilungsplan bezieht sich hinsichtlich der Teilungserklärung nicht auf die dort ausgewiesene Größe der Miteigentumsanteile, sondern auf die Größe des jeweiligen Sondereigentums der beiden Speicher von 90 m² bzw. 65 m².

(2) Das Landgericht ist aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass die Größenangaben in der Teilungserklärung und die damit übereinstimmende zeichnerische Darstellung der Größe des Sondereigentums in dem ursprünglichen Aufteilungsplan dem Gewollten entsprechen. Den Größenangaben in der Teilungserklärung wird damit nicht von vorneherein ein Vorrang eingeräumt, sondern nur deshalb, weil diese nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme so gewollt waren und vor allem, weil die sich danach ergebende Größe der Sondereigentumsflächen in einem vergleichbaren Verhältnis zu den verbindlich festgelegten Miteigentumsanteilen steht, wie bei dem Speicher Nr. 24.

(3) Die rechtliche Beurteilung mußte vom Bundesgerichtshof in dessen Entscheidung vom 30.6.1995 nach anderen Grundsätzen vorgenommen werden als von den Gerichten im vorliegenden Verfahren. Der Bundesgerichtshof hatte zu entscheiden, ob Sondereigentum in dem im dortigen Verfahren in Anspruch genommenen Umfang entstanden war. Diese Frage hat er wegen des auch durch Auslegung nicht auflösbaren Widerspruchs zwischen der Teilungserklärung und dem formal verbindlichen Aufteilungsplan Nr. 1011/74 verneint. Im vorliegenden Fall geht es darum, den damit gegebenen Rechtsmangel in der Begründung von Teileigentum an den beiden speichern zu beheben. Dabei ist eine Verteilung der Speicherflächen vorzunehmen, die nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände und der Interessen der Beteiligten angemessen ist. Während der Bundesgerichtshof die dingliche Rechtslage zu beurteilen hatte, ist hier über einen schuldrechtlichen Anspruch zu entscheiden, der zur Bereinigung der mit dem Gesetz nicht übereinstimmenden dinglichen Rechtslage, wie sie vom Bundesgerichtshof festgestellt wurde, führen soll.

3. Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen sind als Ermessensentscheidungen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es erscheint angemessen, den in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegnern zu 1 als Gesamtschuldnern sowohl die gerichtlichen als auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Die Geschäftswertfestsetzung für das Rechtsbeschwerdeverfahren in Übereinstimmung mit der Wertfestsetzung durch das Landgericht beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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