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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.02.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 212/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 3
WEG § 23 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 2
WEG § 27 Abs. 2 Nr. 5
1. Die Versammlung der Wohnungseigentümer ist nicht öffentlich. Diesem Grundsatz widerspricht es nicht, wenn der Verwalter im Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zu bestimmten Tagesordnungspunkten Berater (z.B. Rechtsanwälte oder Architekten) zur Meinungsbildung heranzieht, solange nicht ein konkreter Interessengegensatz zwischen einem einzelnen Wohnungseigentümer und der Gesamtheit der übrigen Wohnungseigentümer hervorgetreten ist. Die beabsichtigte Heranziehung solcher außenstehender Berater braucht in der Ladung zur Eigentümerversammlung nicht angekündigt zu werden.

2. Inhalt und Ordnungsmäßigkeit eines Eigentümerbeschlusses, der den Verwalter dazu ermächtigt, die Beseitigung eines von einem Wohnungseigentümer errichteten Wintergartens durchzusetzen.


Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teilerbbauberechtigten (im Folgenden: Wohnungseigentümer) einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Den Antragstellern gehört eine Eigentumswohnung mit vorgelagerter Terrasse. Auf dieser errichteten sie einen Wintergarten.

Mit Schreiben vom 9.2.1999 lud die weitere Beteiligte die Wohnungseigentümer zur Eigentümerversammlung am 10.3.1999 ein, das zu Tagesordnungspunkt 5 den Antrag der Antragsteller "auf eine nachträgliche Genehmigung einer bereits durchgeführten baulichen Veränderung (bewohnbarer Wintergarten) vor ihrer Wohnung ... ersatzweise Diskussion und ggf. Beschlussfassung zur Entfernung des oben genannten Bauwerkes" enthielt. Zur Beratung dieses Punktes war nach einer Absprache zwischen der weiteren Beteiligten und dem Verwaltungsbeirat Rechtsanwalt Dr. P. zur Darstellung der Rechtslage beigezogen. Nach einer Aussprache lehnten die Wohnungseigentümer den Antrag der Antragsteller, die vorgenommenen Veränderungen am Sondereigentum ihrer Terrasse zu dulden, mehrheitlich ab. Anschließend fassten die Wohnungseigentümer folgenden Beschluss:

Die Miteigentümer Herr und Frau L. (Antragsteller) haben den Wintergarten ... auf der ihrer Wohnung vorgelagerten Terrasse bis zum 30. Juni 1999 zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Die Hausverwaltung wird beauftragt und bevollmächtigt, die Miteigentümer L. zur Beseitigung innerhalb der genannten Frist aufzufordern und nach Fristablauf die Beseitigung und Wiederherstellung namens der Gemeinschaft gerichtlich geltend zu machen und dazu einem Rechtsanwalt Prozessvollmacht zu erteilen.

Die Antragsteller haben diesen Eigentümerbeschluss fristgerecht beim Amtsgericht angefochten. Ihren Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 17.1.2000 abgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsteller am 22.9.2003 zurückgewiesen. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsteller den Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses weiter.

II.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt erfolglos.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Beschluss sei formell ordnungsgemäß gefasst worden, insbesondere liege kein Verstoß gegen den Grundsatz vor, dass Eigentümerversammlungen nicht öffentlich sind. Der anwesende Rechtsanwalt sei mit einem Sachverständigen vergleichbar, der einen Teil der Wohnungseigentümer berate. Es sei auch nicht erforderlich, dem betroffenen Wohnungseigentümer vorab mitzuteilen, dass ein Rechtsanwalt oder ein sonstiger Sachverständiger zugezogen werde. Jedenfalls aber hätte der anwesende Antragsteller bereits in der Versammlung die Anwesenheit des Rechtsanwalts rügen und eine Beschlussfassung der Versammlung über die Zulassung des Rechtsanwalts herbeiführen müssen. Es sei treuwidrig, sich zunächst rügelos auf die Teilnahme des Dritten an der Versammlung einzulassen und dann im Nachhinein den gefassten Beschluss deswegen anzugreifen.

Der Beschluss entspreche auch ordnungsmäßiger Verwaltung. Er sei dahin auszulegen, dass er nicht selbst einen Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruch begründe, sondern die Wohnungseigentümer einen solchen voraussetzten und den Verwalter mit dessen Durchsetzung, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Rechtsanwälten und Gerichten, beauftragten.

Ein Beseitigungsanspruch habe den Antragsgegnern damals zugestanden. Denn im Zeitpunkt der Beschlussfassung habe eine öffentlich-rechtliche Genehmigung für den Wintergartenbau noch nicht vorgelegen. Diese sei erst im November 2002 erteilt worden. Die Frage, ob die Antragsteller einen Anspruch auf erneute Beschlussfassung besessen hätten, sei an dieser Stelle nicht zu klären.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller an der Anfechtung des (positiven) Beschlusses fehlt nicht deshalb, weil sie den vorangegangenen (negativen) Eigentümerbeschluss zur Duldung der vorgenommenen Veränderungen auf der Terrasse nicht zugleich mitangefochten haben (vgl. dazu BGHZ 148, 335). Denn der spätere positive Beschluss enthält eine eigenständige inhaltliche Regelung, die über die Ablehnung der Duldung hinausgeht und durch den Inhalt des negativen Beschlusses somit nicht bereits vorgegeben ist.

b) Beschlüsse der Eigentümerversammlung nach § 23 Abs. 1 WEG (i.V.m. § 30 Abs. 3 Satz 2 WEG), die unter Verstoß gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit zustande kommen (BGHZ 121, 236; BayObLG NJW-RR 2002, 1307), sind auf Antrag nach § 23 Abs. 4 WEG für ungültig zu erklären, wenn sich die Ursächlichkeit des Verstoßes nicht ausschließen lässt (KG NJW-RR 1997, 1171/1172). Die Nichtöffentlichkeit der Eigentümerversammlung hat den Zweck, diese von sachfremden Einwirkungen freizuhalten. Die Wohnungseigentümer sollen in ihrer Versammlung auftretende Meinungsverschiedenheiten dort grundsätzlich allein unter sich austragen. Außenstehende Dritte sollen nicht auf den Ablauf der Versammlung und dadurch womöglich auf die Meinungsbildung der Wohnungseigentümer Einfluss nehmen können (BGHZ 121, 236).

Dieser Umstand kommt bei der Teilnahme eines im Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer zur Versammlung hinzugezogenen Beraters, sei es eines technischen Beraters, sei es eines Rechtsberaters, nicht zum Tragen. Soweit eine solche Person in ihrer Beraterfunktion an der Versammlung teilnimmt, handelt sie im Auftrag aller Wohnungseigentümer, von deren Einverständnis der zur Neutralität verpflichtete Verwalter, solange sich kein Widerspruch erhebt, auch ausgehen kann (Wangemann/Drasdo Die Eigentümerversammlung nach WEG 2. Aufl. Rn. 279).

Demnach stellt die Teilnahme des von der Verwalterin nach Absprache mit dem Beirat hinzugezogenen Rechtsanwalts an der Versammlung, jedenfalls zu diesem Tagesordnungspunkt, keinen Verstoß gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit dar. Dass die Beratung und Beschlussfassung schließlich zu einer kontroversen Abstimmung führte und der Beschlussantrag der Antragsteller abgelehnt wurde, ändert hieran nichts. Entscheidend ist vielmehr, dass für die Wohnungseigentümer in ihrer Gesamtheit ein Bedürfnis an rechtlicher Beratung bestand, das zu gewährleisten den Aufgabenbereich und den Kenntnisstand eines Verwalters im Allgemeinen übersteigt. Insoweit kam die Teilnahme des Rechtsanwalts an der Versammlung auch dem anwesenden Antragsteller zugute, weil ihm die rechtliche Bewertung seiner Baumaßnahme und die daraus herzuleitenden Folgen für die Eigentümergemeinschaft von einem Fachmann aufgezeigt wurden. Dass er dessen Ansicht und die Meinung der Mehrheit der Wohnungseigentümer letztlich nicht teilte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ob anderes gilt, wenn ein Wohnungseigentümer sogleich deutlich macht, die Anwesenheit einer dritten Person als Berater der Wohnungseigentümer nicht hinnehmen zu wollen, bedarf keiner Entscheidung. Auch berufsrechtlich ist eine Mandatstrennung zwischen dem betroffenen Wohnungseigentümer einerseits und den übrigen Wohnungseigentümern andererseits im Allgemeinen erst dann geboten, wenn infolge einer abgeschlossenen Willensbildung in der Gemeinschaft widerstreitende Interessen (vgl. § 43a Abs. 4 BRAO) begründet sind.

c) Das Gesetz schreibt nicht vor, in die Einladung zur Eigentümerversammlung aufzunehmen, dass zur Beratung bestimmter Tagesordnungspunkte außenstehende Fachleute herangezogen werden. Wegen § 23 Abs. 2 WEG ist es wesentlich, dass die Einladung eine Tagesordnung enthält. Wie diese gestaltet wird, obliegt grundsätzlich dem Verwalter nach den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung (Wangemann/Drasdo Rn. 151 f.). Zum Schutz von Wohnungseigentümern vor überraschenden Beschlussfassungen (siehe BayObLG Beschluss vom 12.2.2004, 2Z BR 261/03 = BayObLGZ 2004 Nr. 8; Wangemann/Drasdo Rn. 161) ist es nicht erforderlich, ihnen vorab bekannt zu geben, dass nicht zur Gemeinschaft gehörende Berater eingeladen werden.

d) Der Beschluss widerspricht nicht einer ordnungsmäßigen Verwaltung nach § 21 Abs. 3 WEG.

(1) Der Senat teilt die Auslegung des Beschlusses durch das Landgericht. Hiernach begründet der Beschluss nicht selbst einen Beseitigungsanspruch, sondern setzt einen bereits außerhalb der Beschlusslage bestehenden Anspruch voraus, den die Gemeinschaft nunmehr durch den Verwalter sowie unter Einschaltung anwaltlicher und gerichtlicher Hilfe durchsetzen will (vgl. BayObLG WE 1997, 436/438; auch NZM 2003, 239; ferner KG ZMR 1997, 318). Ob der Senat als Rechtsbeschwerdegericht an die rechtsfehlerfreie Auslegung durch das Beschwerdegericht gebunden ist, weil der Beschluss keine Dauerregelung enthält (vgl. BayObLG WE 1998, 356/357; OLG Hamburg ZMR 2003, 447), kann dahinstehen. Denn auch die eigene Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Regelungsgegenstand des Beschlusses besteht im Auftrag und in der Ermächtigung des Verwalters zum Vorgehen gegen die Antragsteller. Dazu enthält er weitere Schritte zur Umsetzung wie etwa die Beseitigungsaufforderung durch die Hausverwaltung. Diese erübrigte sich, wenn der Beschluss selbst die Handlungsanweisung enthielte. Zudem bildet er das Ergebnis einer auf eingehende Tatsachenwürdigung beruhenden Rechtsberatung der Gemeinschaft. Dies lässt bei unbefangener Sichtweise hier den Schluss zu, die Mehrheit der Wohnungseigentümer verlange die Durchsetzung eines außerhalb der Beschlusslage schon bestehenden Beseitigungsanspruchs.

(2) Die Ermächtigung der Hausverwaltung, die Beseitigung des Wintergartens gegebenenfalls mit anwaltlicher und gerichtlicher Hilfe durchzusetzen, ist nicht zu beanstanden. Das Gesetz sieht in § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG eine derartige Ermächtigung für gemeinschaftliche Ansprüche (OLG Hamm NJW-RR 2001, 1527) ausdrücklich vor. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Anspruch gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer richtet (vgl. BGH NJW 1998, 3279). Er entspricht schon deshalb ordnungsmäßiger Verwaltung, weil aus damaliger Sicht ein Beseitigungsanspruch in Betracht kam. Das Landgericht leitet ihn daraus ab, dass der Wintergarten ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet war. Ob schon formelle Verstöße gegen das Bauordnungsrecht einen Nachteil begründen, den die übrigen Wohnungseigentümer nicht hinnehmen müssen (BayObLG ZMR 2000, 38 m.w.N.; Staudinger-Bub WEG § 22 Rn. 90), kann auf sich beruhen. Denn Nachteile im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG für die übrigen Wohnungseigentümer, etwa infolge einer durch den Anbau ermöglichten intensiveren Terrassennutzung, einer höheren Belastung mit Gemeinschaftskosten oder einer optischen Beeinträchtigung, waren zum Zeitpunkt der Beschlussfassung jedenfalls nicht unzweifelhaft ausgeschlossen (vgl. BayObLG WuM 1994, 571/572). Wird in einem derartigen Fall der Verwalter ermächtigt, für die Mehrheit der Wohnungseigentümer einen Beseitigungsanspruch mit Hilfe von Rechtsanwälten und Gerichten einer Klärung zuzuführen, stellt dies eine ordnungsmäßige Verwaltung dar (BayObLG ZMR 2002, 61; WuM 1997, 396; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 27 Rn. 140).

3. Der Senat hält es nach § 47 WEG für angemessen, den in allen Rechtszügen unterlegenen Antragstellern die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Die Festsetzung des Geschäftswerts für die Rechtsbeschwerde beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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