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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 215/04
Rechtsgebiete: FGG, GBO, ZPO


Vorschriften:

FGG § 12
GBO § 19
GBO § 20
GBO § 78
ZPO § 574
1. Die weitere Beschwerde in Grundbuchsachen bedarf keiner Zulassung durch das Beschwerdegericht.

2. Die Testamentsvollstreckerstellung wird gegenüber dem Grundbuchamt durch das Testamentsvollstreckerzeugnis nachgewiesen. Hiervon kann das Grundbuchamt nur abweichen, wenn neue, dem Nachlassgericht noch nicht bekannte Tatsachen bekannt werden, die die Einziehung des Testamentsvollstreckerzeugnisses erwarten lassen. Hierfür genügt die Annahme einer Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers nicht, solange diese nicht zu seiner Entlassung geführt hat.

3. Das Grundbuchamt hat die Wirksamkeit der Auflassung zu prüfen, ist dabei aber auf die im Grundbuchverfahren zulässigen Beweismittel beschränkt. Kann mit diesen Beweismitteln ein Missbrauch der Testamentsvollstreckerstellung nicht nachgewiesen werden, kann eine Zurückweisung des Eintragungsantrags nicht auf die Unwirksamkeit der Auflassung gestützt werden.


Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Lorbacher und Dr. Schmid am 22. Dezember 2004 in der Grundbuchsache

Eintragung eines Eigentümerwechsels

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 werden der Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 20. Oktober 2004 und der Beschluss des Amtsgerichts Kaufbeuren, Zweigestelle Füssen, vom 31. August 2004 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung an das Amtsgericht Kaufbeuren, Zweigstelle Füssen, zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit notariellem Vertrag vom 23.6.2004 übertrug der Beteiligte zu 1 als Testamentsvollstrecker Grundstücke auf eine Pfarrkirchenstiftung. Die Beteiligten waren sich über den Eigentumsübergang einig. Die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch wurde bewilligt und beantragt.

Nach dem eigenhändigen Testament der Verstorbenen sollte die Kirchenstiftung die Grundstücke als Vermächtnis erhalten, und zwar unter der Bedingung, dass die Kirche auf einem dieser Grundstücke eine kleine Kapelle bauen lässt. Im Testament ist weiter bestimmt, dass der Testamentsvollstrecker dafür zu sorgen habe, dass die Grundstücke in den Nachlass zurückfallen, wenn die Kapelle nicht innerhalb von fünf Jahren nach dem Tod der Erblasserin fertig gestellt sei.

Der Zeitraum von fünf Jahren war zum Zeitpunkt der Errichtung der Übertragungsurkunde vom 23.6.2004 bereits abgelaufen, ohne dass die Kapelle errichtet worden war.

Der Beteiligte zu 2 ist der Alleinerbe der Verstorbenen und widersetzt sich der Eigentumsumschreibung im Grundbuch.

Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat mit Beschluss vom 31.8.2004 den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht am 20.10.2004 zurückgewiesen. Mit seiner weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Eintragungsantrag weiter.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 78 GBO).

a) Die weitere Beschwerde bedarf in Grundbuchsachen keiner Zulassung. In § 78 Satz 2 GBO ist auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Revision, nicht über die Rechtsbeschwerde verwiesen. Eine Verweisung auf § 543 ZPO findet nicht statt. Selbst wenn man § 574 ZPO gleichwohl analog heranziehen würde, bestünde kein Zulassungserfordernis, da § 78 Satz 1 GBO eine ausdrückliche Bestimmung im Sinn des § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wäre.

b) Dass das Nachlassgericht der Anregung des Grundbuchamts (vgl. Nichtabhilfebeschluss vom 28.9.2004 a.E.) entsprochen und das Testamentsvollstreckerzeugnis wegen Unrichtigkeit eingezogen hat, hat das Landgericht nicht festgestellt. Solches ist auch eher fern liegend, da eine eventuelle Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers nicht zur Unrichtigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses führen würde, sondern zunächst eine Beendigung des Amts des Testamentsvollstreckers herbeigeführt werden müsste.

c) Das Landgericht hat die Kirchenstiftung nicht am Verfahren beteiligt, obwohl die Notarin den Eintragungsantrag auch in deren Namen gestellt hat. Das zwingt indes nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht. Auch der Senat konnte von einer Beteiligung der Kirchenstiftung absehen, da die Entscheidung des Senats nicht mit einem Rechtsnachteil für die Kirchenstiftung verbunden und auch eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich ist.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Beteiligte zu 1 sei als Testamentsvollstrecker grundsätzlich verfügungs- und damit auch bewilligungsbefugt. Die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers werde gegenüber dem Grundbuchamt allein durch das Zeugnis nachgewiesen. Das gelte jedoch nicht, wenn das Grundbuchamt neue, vom Nachlassgericht nicht berücksichtigte Tatsachen kenne, welche die Unrichtigkeit des Zeugnisses in irgendeinem Punkt erwiesen und daher seine Einziehung erwarten ließen. Der Testamentsvollstrecker habe die ihm kraft Gesetzes eingeräumten Befugnisse ganz offensichtlich überschritten. Die Kapelle sei nicht innerhalb der Fünfjahresfrist errichtet worden, so dass ohne weiteres davon auszugehen sei, dass die Grundstücke in den Nachlass zurückzuführen seien.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zu Unrecht rügt die weitere Beschwerde allerdings die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde bereits gegenüber dem Grundbuchamt begründet. Dass der vor der Entscheidung des Grundbuchamts an dieses gerichtete Schriftsatz des Beteiligten zu 2 dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gelangt ist, ist unerheblich. Das Landgericht hat keinen in diesem Schriftsatz enthaltenen Vortrag verwertet, der nicht bereits in dem ablehnenden Beschluss des Grundbuchamts und in der Nichtabhilfeentscheidung der Rechtspflegerin enthalten gewesen wäre.

b) Der Eintragungsantrag kann aus den vom Grundbuchamt und vom Landgericht genannten Gründen nicht zurückgewiesen werden. An einer abschließenden Entscheidung sieht sich der Senat gehindert, da die Eintragungsvoraussetzungen im Übrigen noch nicht geprüft sind. Es erscheint deshalb zweckmäßig, die Sache unmittelbar an das Grundbuchamt zurückzuverweisen.

aa) Eine wirksame Eintragungsbewilligung und ein wirksamer Eintragungsantrag liegen vor.

Wie das Landgericht im Ansatzpunkt zutreffend sieht, werden die Verfügungsbefugnis und damit auch die Befugnis zur Abgabe der Eintragungsbewilligung nach § 35 Abs. 2 GBO durch das Testamentsvollstreckerzeugnis nach § 2368 BGB nachgewiesen. Zu einer eigenen oder ergänzenden Auslegung der letztwilligen Verfügung ist das Grundbuchamt nicht berechtigt, wenn ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt ist (BayObLGZ 1990, 82/86). Etwas anderes gilt nach dieser Rechtsprechung des Senats nur dann, wenn dem Grundbuchamt neue, vom Nachlassgericht offenbar nicht berücksichtigte Tatsachen bekannt werden, die die Unrichtigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses erweisen und daher die Einziehung erwarten lassen. Das Landgericht verkennt jedoch diese Ausführungen des Senats und trennt nicht zwischen einer möglichen Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers und einer offensichtlichen Unrichtigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses. Für eine Unrichtigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses bestehen hier keinerlei Hinweise. Der Testamentsvollstrecker bleibt solange Testamentsvollstrecker, bis er nach § 2227 BGB abberufen ist. Dass eine solche Abberufung stattgefunden hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Grundbuchamt hat nicht zu prüfen, ob die vom Testamentsvollstrecker abgegebene Eintragungsbewilligung pflichtgemäß oder pflichtwidrig ist.

bb) Nach § 20 GBO darf im Falle der Auflassung eines Grundstücks die Eintragung nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist. Dabei hat das Grundbuchamt nur zu prüfen, ob die Einigung erklärt ist. Eintragungsvoraussetzung ist nicht, dass die Wirksamkeit der Einigung vom Grundbuchamt festgestellt ist. Ist der Nachweis der Einigung erbracht, darf das Grundbuchamt die Eintragung nur ablehnen, wenn es aufgrund feststehender Tatsachen zu der Überzeugung gelangt, dass das Grundbuch durch die Eintragung unrichtig würde (vgl. Demharter GBO 24. Aufl. § 20 Rn. 38 m.w.N.). Der Senat hat für den Vollmachtsmissbrauch und das Selbstkontrahieren bereits entschieden, dass hierbei nur die im Grundbuchverfahren zulässigen Beweismittel herangezogen werden können, insbesondere dass ein Zeugenbeweis nicht zulässig ist (vgl. BayObLGZ 2004, 118/121).

Dass die Auflassung wegen eines der Kirchenstiftung bekannten pflichtwidrigen Verhaltens und damit einer missbräuchlichen Ausnutzung der Testamentsvollstreckerstellung durch den Beteiligten zu 1 nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig wäre, hat das Landgericht nicht festgestellt und kann auch vom Senat nicht festgestellt werden.

Nach dem in der Rechtsbeschwerde zwar neuen aber unbestritten gebliebenen Vortrag des Beteiligten zu 1 konnte die Kapelle wegen objektiver Unmöglichkeit nicht errichtet werden. Das ist ein Umstand, den nach dem Inhalt des Testaments die Erblasserin wohl nicht bedacht hat, so dass eine ergänzende Testamentsauslegung in Betracht kommt (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 63. Aufl. § 2084 Rn. 8 ff.). Hierzu sind tatsächliche Umstände zu ermitteln, die auf einen hypothetischen Willen der Erblasserin schließen lassen. Zu solchen Ermittlungen ist das Grundbuchamt jedoch weder berechtigt noch verpflichtet, wenn die Tatsachen nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden. An einer eigenständigen Auslegung des privatschriftlichen Testaments ist das Grundbuchamt regelmäßig gehindert (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO). Die materielle Beweislast für das Vorliegen einer missbräuchlichen Ausnutzung der Testamentsvollstreckerstellung trägt derjenige, der sich hierauf beruft.

4. Eine Entscheidung über Kostentragung und Geschäftswertfestsetzung ist nicht veranlasst. Die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG liegen nicht vor, da die Rechtsmittel begründet sind und ein grobes Verschulden eines Beteiligten nicht erkennbar ist. Von der Möglichkeit des § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG macht der Senat keinen Gebraucht, da die Sach- und Rechtslage nicht einfach ist.



Ende der Entscheidung

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