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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.01.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 216/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 28 Abs. 5
Ein Eigentümerbeschluss über eine Jahresabrechnung, die nur die Monate August bis Dezember einbezieht, entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Die Antragstellerin war zusammen mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann Eigentümerin einer Wohnung und eines Tiefgaragenstellplatzes. Der weitere Beteiligte übernahm am 1.8.2000 die Verwaltung der Wohnanlage.

Die in der Teilungserklärung vom 23.10.1997 enthaltene Gemeinschaftsordnung lautet nach den Feststellungen des Landgerichts auszugsweise wie folgt:

§ 9 Abs. 1

Die Gebäude der einzelnen Häuser werden der gemeinschaftlichen Nutzung der jeweiligen Miteigentümer zugewiesen. ...

Die Mit- und Sondereigentümer eines Hauses haben die Rechte so, wie wenn es sich um Wohnungs- und Teileigentum eines einzigen Hauses handeln würde.

§ 10 Abs. 2

Für die Kosten und die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums gilt im Übrigen Folgendes:

Jede Untereigentümergemeinschaft trägt sämtliche Kosten und Lasten ihres Hauses so, wie wenn sie eine eigene echte Eigentümergemeinschaft wäre. Die Verteilung der Kosten geschieht nach den Miteigentumsanteilen in dieser Untergemeinschaft. ...

§ 11 Abs. 1

Für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und alle Angelegenheiten, über die die Miteigentümer durch Beschluss zu entscheiden haben, werden je eine Untereigentümergemeinschaft für die einzelnen Wohnhäuser und für die Tiefgarage gebildet. Die Untereigentümerversammlung ist zuständig für alle Angelegenheiten des jeweiligen Hauses, soweit sie dessen Sondereigentum und das damit verbundene gemeinschaftliche Sondernutzungsrecht am Gemeinschaftseigentum betreffen. Der Beschlussfassung unterliegen insbesondere die in § 21 Abs. 5 WEG aufgeführten Angelegenheiten des Hauses ...

Die daneben bestehende Gesamteigentümergemeinschaft ist für alle anderen Angelegenheiten zuständig, insbesondere für den Außenbereich. Sie ist auch dann zuständig, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die sämtliche Miteigentümer berühren.

In dem Vertrag über den Kauf des Wohnungs- und Teileigentums der Antragstellerin und ihres Ehemanns vom 28.11.1997 haben die Käufer den Verkäufer unwiderruflich ermächtigt, die zur Bildung von Sondereigentum an weiteren noch zu errichtenden Häusern sowie zur Einräumung von Sondernutzungsrechten und Änderungen der Gemeinschaftsordnung erforderlichen Willenserklärungen abzugeben und Handlungen vorzunehmen (Abschn. XV); außerdem wurde dem Verkäufer unwiderrufliche Vollmacht zur Änderung der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung unter der Voraussetzung erteilt, dass das Sondereigentum der Käufer nicht berührt wird und den Käufern dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen (Abschn. XVI Nr. 3).

Am 2.5.2001 traf der Verkäufer in einem 2. Nachtrag zur Teilungserklärung unter Berufung auf die ihm in den Kaufverträgen erteilte Vollmacht die Feststellung, dass nach Fertigstellung der Gesamtanlage fünf Untergemeinschaften bestünden; übergeordnet bestehe eine Gesamteigentümergemeinschaft; diese sei u.a. insbesondere für Beschlüsse über Wohngeldabrechnungen zuständig.

Am selben Tag beschlossen die Wohnungseigentümer die Wohngeldabrechnung für die Zeit vom 1.8. bis 31.12.2000.

Die Antragstellerin und ihr verstorbener Ehemann haben beantragt, diesen Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat den Antrag am 21.5.2002 abgewiesen. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 29.9.2003 dem Antrag stattgegeben. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Der Eigentümerbeschluss sei nichtig, weil er gegen die Regelung der Gemeinschaftsordnung verstoße, nach der die Wohngeldabrechnung für jede Untergemeinschaft getrennt vorgenommen werden müsse. Über die eine Untergemeinschaft betreffenden Kosten hätten nur die Eigentümer dieser Untergemeinschaft zu beschließen. Eine Beschlussfassung unter Einbeziehung auch der Wohnungseigentümer anderer Untergemeinschaften sei nicht zulässig.

Die Regelung im 2. Nachtrag zur Teilungserklärung sei unwirksam, weil die in den Kaufverträgen erteilten Vollmachten als Allgemeine Geschäftsbedingungen die einzelnen Wohnungseigentümer treuwidrig unangemessen benachteiligten.

Der Eigentümerbeschluss sei aber auch wegen des unvollständigen Abrechnungszeitraums ungültig. Auch wenn der frühere Verwalter die Abrechnungsunterlagen nicht herausgegeben habe, hätte jedenfalls versucht werden müssen, diese über das kontoführende Kreditinstitut zu erlangen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Ob der angefochtene Eigentümerbeschluss gegen die in der Teilungserklärung vom 23.10.1997 enthaltene Gemeinschaftsordnung verstößt, weil über die Wohngeldabrechnung nicht nur die Eigentümer der betreffenden Untergemeinschaft beschlossen haben, kann dahinstehen. Ein Verstoß gegen die in Abänderung der gesetzlichen Regelung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG getroffene Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung würde allerdings nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit des Eigentümerbeschlusses führen. Bei diesem handelt es sich nur um eine vereinbarungswidrige, aber nicht um eine vereinbarungsändernde Regelung; nur letztere würde die Nichtigkeit zur Folge haben (BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500).

Welche Regelungen die ursprüngliche Gemeinschaftsordnung enthält, kann der Senat nur aus der Entscheidung des Landgerichts entnehmen, weil sich die Gemeinschaftsordnung nicht bei den Akten befindet. Zunächst ist schon zweifelhaft, ob es sich bei der in Abschn. XII des 2. Nachtrags vom 2.5.2001 getroffenen Bestimmung um eine Änderung der Gemeinschaftsordnung handelt. Denn dort wurden lediglich "Feststellungen" zu dem Inhalt der Gemeinschaftsordnung vom 23.10.1997 getroffen. Um eine bloße Klarstellung des Inhalts der Gemeinschaftsordnung kann es sich allerdings nicht handeln, weil diese nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen in dem maßgeblichen Punkt eindeutig sind und Beschlüsse über Wohngeldabrechnungen durch die Eigentümer der jeweiligen Untergemeinschaft zu fassen sind.

Wenn es sich bei dem 2. Nachtrag insoweit um eine Änderung der Gemeinschaftsordnung handeln sollte, könnte an dieser der Eigentümerbeschluss vom 2.5.2001 nur dann gemessen werden, wenn die Änderung für sämtliche Wohnungseigentümer verbindlich wäre. Dies hätte wiederum zur Voraussetzung, dass die Vollmacht von sämtlichen Personen, die am 2.5.2001 Wohnungseigentümer waren, eine gleichlautende Vollmacht erteilt worden ist. Feststellungen darüber, ob dies der Fall ist, sind nicht getroffen. Es fehlt auch an Feststellungen dazu, ob der Nachtrag auch hinsichtlich des Abschn. XII als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen wurde. Offensichtlich ist dies nicht geschehen, da dies in der Urkunde weder bewilligt noch beantragt wurde. Für Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers würde die Regelung, wenn es sich um eine solche handeln sollte, nicht gelten (§ 10 Abs. 2 WEG). Gegen die in Abschn. XVI Nr. 3 des Kaufvertrags enthaltene Vollmacht dürften keine Bedenken bestehen, weil diese ausreichend bestimmt ist und die Rechte des Vollmachtgebers durch die Einschränkung gebührend berücksichtigt, dass dessen Sondereigentum nicht berührt werden darf und ihm keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen (vgl. BayObLGZ 1994, 244).

Für die in Abschn. XV des Kaufvertrags erteilte Vollmacht zur Änderung der Gemeinschaftsordnung im Zusammenhang mit der Erweiterung der Gemeinschaft durch Errichtung weiterer Häuser ergibt sich unmittelbar keine Einschränkung, es sei denn eine solche kann aus dem in diesem Zusammenhang genannten § 14 der Gemeinschaftsordnung abgeleitet werden. Ob dies der Fall ist, kann nicht beurteilt werden, weil die Gemeinschaftsordnung nicht vorliegt. Nicht ausgeschlossen erscheint es aber, dass im Wege der Auslegung die in Abschn. XVI Nr. 3 erteilte Beschränkung der Vollmacht zur Abänderung der Gemeinschaftsordnung auch auf die in Abschn. XV enthaltene Vollmacht anzuwenden ist, soweit die Vollmacht zur Änderung der Gemeinschaftsordnung ermächtigt, eine Änderung also nur insoweit auf Grund der Vollmacht vorgenommen werden kann, als dem Vollmachtgeber keine zusätzlichen Kosten entstehen und im Übrigen sein Sondereigentum nicht berührt wird.

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den angefochtenen Eigentümerbeschluss jedenfalls deshalb für ungültig erklärt, weil die Abrechnung nicht das gesamte Kalenderjahr sondern nur einen Teil davon erfasst. Nach § 28 Abs. 5 WEG hat der Verwalter nach Ablauf des Kalenderjahrs eine Abrechnung aufzustellen. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass die Abrechnung das gesamte Kalenderjahr zu umfassen hat. Eine Abrechnung, die nur einen Teil des Kalenderjahrs einbezieht, entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Der angefochtene Eigentümerbeschluss hat eine Abrechnung nur für die Monate August bis Dezember 2000 zum Gegenstand und lässt die Zeit von Januar bis Juli unberücksichtigt. Für die ersten sieben Monate des Jahres 2000 sind aber Ausgaben getätigt und von den Wohnungseigentümern Vorauszahlungen geleistet worden. Decken die Vorauszahlungen die Ausgaben nicht, besteht ein Fehlbetrag, der ausgeglichen werden muss. Übersteigen die Vorauszahlungen die Ausgaben, besteht ein Überschuss, der den einzelnen Wohnungseigentümern anteilig zugeordnet werden muss. Welche Beträge der einzelne Wohnungseigentümer nachzahlen muss oder zurückerstattet erhält, kann nur auf Grund einer Abrechnung ermittelt werden. Eine solche ist daher unverzichtbar. Die Wohnungseigentümer müssen im Hinblick auf den Verwalterwechsel zum 1.8.2000 alles versuchen, um von dem ausgeschiedenen Verwalter die Unterlagen für den Zeitraum von Januar bis Juli 2000 zu erlangen, die Grundlage für eine Abrechnung über das gesamte Jahr 2000 sind. Zur Herausgabe dieser Unterlagen ist der ausgeschiedene Verwalter grundsätzlich verpflichtet (§§ 675, 667 BGB; BayObLG WE 1993, 288; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 26 Rn. 105). Notfalls sind die Einnahmen und Ausgaben in diesem Zeitraum auf andere Weise, z.B. über das das gemeinschaftliche Konto führende Kreditinstitut zu beschaffen.

3. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG und die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



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