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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.02.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 219/03
Rechtsgebiete: BGB, FGG, WEG


Vorschriften:

BGB § 675
FGG § 12
WEG § 26
WEG § 28 Abs. 5
WEG § 43
WEG § 44
1. Ein Antrag auf Ungültigerklärung der Feststellung in einem Protokoll, dass die gesetzliche Ladungsfrist eingehalten ist, ist unzulässig.

2. Ein Eigentümerbeschluss über die Bestellung eines Schriftführers für die Eigentümerversammlung kann nicht selbständig angefochten werden.

3. Die Verpflichtung des Antragstellers im Verfahren über die Ungültigerklärung eines Abrechnungsbeschlusses, die von ihm angenommenen Mängel der Abrechnung konkret darzulegen, kann beschränkt sein und zu einer erweiterten Amtsermittlungspflicht führen, wenn der Verwalter an die Wohnungseigentümer die Abrechnungen nicht versandt hat.

4. Eine Erhöhung der Verwaltervergütung während des Laufs des Verwaltervertrags entspricht in der Regel nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Sie kann jedoch einer solchen entsprechen, wenn der Verwaltervertrag eine Erhöhungsklausel beinhaltet. Der Verwalter hat auch in solchen Fällen keinen Anspruch darauf, dass durch eine nachträgliche Erhöhung Umstände berücksichtigt werden, die bereits bei der ursprünglichen Vereinbarung der Vergütung hätten kalkuliert werden können.


Gründe:

I.

Der Antragsteller, die Antragsgegner und die Streithelfer des Antragstellers sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die früher von dem weiteren Beteiligten zu 1 verwaltet wurde und nunmehr von der weiteren Beteiligten zu 2 verwaltet wird.

Am 23.10.2001 fand eine Eigentümerversammlung statt. Die Einladung endete mit "Gez. P. Verwalter".

In der Niederschrift über die Eigentümerversammlung ist unter anderem Folgendes vermerkt:

I. Die Einladungen gingen in der vom Gesetzgeber gesetzten Frist zu.

III. Als Schriftführer wird Herr M. mit 838,38/1000 Stimmanteilen gewählt.

V. Die Genehmigung der Abrechnung 2000 und des Wirtschaftsplanes 2001 mit den neuen Vorauszahlungen wird mit 596,02/1000 Ja-Stimmanteilen, 241,78/1000 Nein-Stimmanteilen genehmigt.

XII. Die Verwaltergebühr soll von 40 DM pro WE und Monat + MWSt. erhöht werden. 596,05/1000 Ja-Stimmanteile, 241,878/1000 Nein-Stimmanteile, 0-Enthaltungen.

Der Antragsteller hat beim Amtsgericht unter anderem beantragt, die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten (TOP) I, III, V und XII für ungültig zu erklären, den Beschluss zu TOP V jedoch nur hinsichtlich der Abrechnung.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 16.10.2002 dem Antrag stattgegeben und dem weiteren Beteiligten zu 1 die Gerichtskosten auferlegt.

Gegen diesen Beschluss hat der weitere Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat am 5.9.2003 den Beschluss des Amtsgerichts teilweise aufgehoben und den Antrag des Antragstellers auf Ungültigerklärung der in der Eigentümerversammlung vom 23.10.2001 zu den TOP I, III, V und XII gefassten Beschlüsse zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat teilweise Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der weitere Beteiligte zu 1 sei beschwerdeberechtigt, insbesondere deshalb, weil ihm im amtsgerichtlichen Beschluss die Gerichtskosten auferlegt worden seien.

Die Feststellung zu TOP I sei nicht anfechtbar, da mangels Regelungscharakter kein Beschluss vorliege.

Die isolierte Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses über die Wahl eines Schriftführers sei gleichfalls unzulässig, da es sich insoweit um einen Geschäftsordnungsbeschluss handele.

Der Beschluss über die Jahresabrechnung 2000 sei gültig. Ein Einladungsmangel liege nicht vor. Die Einladung sei durch den Verwalter erfolgt, anderweitige Vermutungen des Antragstellers seien nicht zu belegen. Die Textform des § 126b BGB sei gewahrt. Ebenso sei die gesetzliche Ladungsfrist eingehalten, ein abweichender Eigentümerbeschluss vom 10.3.1995 sei nichtig. Inhaltlich sei die Gültigkeit des Beschlusses nicht zu beanstanden. Der Antragsteller habe keine substantiierten Einwendungen gegen die Abrechnung erhoben. Wegen fehlender Mitwirkung des Antragstellers sei das Landgericht zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen nicht gehalten gewesen.

Der Beschluss zu TOP XII sei trotz der missverständlichen Formulierung dahin auszulegen, dass eine Erhöhung der Verwaltergebühr auf 40 DM + MWSt. beschlossen worden sei. Diese Vergütung sei unter Berücksichtigung des Umstands, dass der weitere Beteiligte zu 1 in Köln ansässig sei, nicht zu beanstanden. Die Höhe der Verwaltervergütung betreffe auch nicht den Maßstab für die Umlegung der Vergütung auf die einzelnen Wohnungseigentümer.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

a) Zutreffend hat das Landgericht die Zulässigkeit der Beschwerde bejaht.

aa) Der weitere Beteiligte zu 1 ist beschwerdeberechtigt. Die verfahrensgegenständlichen Fragen hängen eng mit der Verwaltungstätigkeit des weiteren Beteiligten zu 1 zusammen bzw. betreffen dessen Vergütungsanspruch. Die Feststellung zu TOP I und die Beschlüsse zu TOP III und V betreffen die Verwaltungsführung durch den weiteren Beteiligten zu 1. Unterstellt, dass die Auffassung des Amtsgerichts zutreffend ist, können sich daraus Schadensersatzansprüche gegen den weiteren Beteiligten zu 1 aus §§ 675, 280 ff. BGB ergeben. Diesem Umstand hat das Amtsgericht im Ergebnis auch dadurch Rechnung getragen, dass es die Gerichtskosten dem weiteren Beteiligten zu 1 auferlegt hat (vgl. BayObLGZ 2004 Nr. 8).

bb) Die sofortige Beschwerde ist auch nicht deshalb unzulässig, weil Erledigung der Hauptsache eingetreten ist. In der Eigentümerversammlung vom 25.1.2003 wurden Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 28.9.2002 aufgehoben, nicht jedoch diejenigen, die hier verfahrensgegenständlich sind, nämlich die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 23.10.2001.

b) Zutreffend hat das Landgericht erkannt, dass hinsichtlich der Feststellung der Einhaltung der Ladungsfrist (TOP I) mangels Regelungsgehalts ein anfechtbarer Beschluss nicht gegeben ist.

c) Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass es sich bei der Wahl eines Schriftführers um einen Geschäftsordnungsbeschluss handelt, der einer selbständigen Anfechtung nicht zugänglich ist. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hierzu wird Bezug genommen.

d) Die Entscheidung des Landgerichts kann jedoch keinen Bestand haben, soweit sie die Abrechnung 2000 (TOP V) zum Gegenstand hat, da das Landgericht die Amtsermittlungspflicht (§ 43 Abs. 1 WEG, § 12 FGG) verletzt und wesentlichen Sachvortrag des Antragstellers außer Acht gelassen hat.

Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Landgerichts, dass die Amtsermittlungspflicht im Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz nur insoweit besteht, als der Beteiligtenvortrag und der übrige Akteninhalt zur Sachverhaltsaufklärung Anlass geben, und dass die Amtsermittlungspflicht dort endet, wo ein Beteiligter es allein oder hauptsächlich in der Hand hat, Tatsachen und Beweismittel für eine ihm günstige Entscheidung beizubringen (BayObLG NZM 2002, 616). Das Landgericht hat jedoch die Besonderheit außer Acht gelassen, dass entgegen der Verpflichtung des Verwalters (Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 28 Rn. 109; Staudinger/Bub WEG § 28 Rn. 527) die Jahresabrechnung 2000 vor der Versammlung an die Wohnungseigentümer nicht versandt worden ist. Das hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt. Dadurch ist es dem Antragsteller wesentlich erschwert, substantiierte Einwendungen gegen die Abrechnung vorzubringen. Dem weiteren Beteiligten zu 1 oder der weiteren Beteiligten zu 2 wäre es deshalb zumindest aufzugeben gewesen, die Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnung für den Antragsteller vorzulegen. Vom weiteren Beteiligten zu 1 wurde lediglich eine Abrechnung vorgelegt, die an eine Bank adressiert ist. Diese Abrechnung ist jedenfalls hinsichtlich der Einzelabrechnung für den Antragsteller nicht aussagekräftig.

Das Landgericht hat sich auch nicht mit der Einwendung des Antragstellers befasst, dass der Abrechnung keine Heizkostenabrechnung beigefügt sei. Dieser Einwand des Antragstellers ist ersichtlich dahin zu verstehen, dass er rügt, dass die Heiz- und Warmwasserkosten nicht nach den Vorschriften der Heizkostenverordnung abgerechnet worden sind. Ob eine solche Abrechnung stattzufinden gehabt hätte, bedarf der weiteren Aufklärung. Die Heizkostenverordnung ist im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nicht bereits gemäß § 2 HeizkostenV kraft Gesetzes anwendbar, sondern gemäß § 3 HeizkostenV nur, wenn die Wohnungseigentümer dies durch Vereinbarung oder Beschluss geregelt haben (BayObLG ZMR 1988, 349 = WuM 1988, 332). Ob eine derartige Regelung vorliegt, bedarf der Aufklärung.

Das Landgericht hat auch die Richtigkeit der Kostenverteilung hinsichtlich der Verwaltergebühren nicht überprüft, sondern lediglich im Zusammenhang mit der Erhöhung der Verwaltervergütung thematisiert. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Verwaltervergütung nach Wohneinheiten oder nach Miteigentumsanteilen zu verteilen ist. Der weitere Beteiligte zu 1 hat hierzu vorgetragen, dass aufgrund einer stillschweigenden Vereinbarung die Verwaltervergütung in Abweichung von der ursprünglichen Teilungserklärung nach Wohneinheiten zu verteilen sei und auch verteilt worden ist. Demgegenüber legt es die vorgelegte Abrechnung für die Bank eher nahe, davon auszugehen, dass die Verwaltergebühr nach Miteigentumsanteilen verteilt wurde. Das Landgericht wird deshalb insoweit den richtigen Umlegungsmaßstab festzustellen haben.

e) Auch die Entscheidung des Landgerichts zum Beschluss über die Erhöhung der Verwaltervergütung (TOP XII) kann keinen Bestand haben.

Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass der Beschluss trotz seiner unglücklichen Fassung eine Erhöhung der Verwaltergebühr auf 40 DM + MWSt. zum Gegenstand hat. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist auch die Feststellung des Landgerichts, dass die Verwaltergebühr bisher 30 DM betragen hat. Unabhängig davon, dass sich in dem Verwaltervertragsformular hierzu kein Eintrag findet, konnte das Landgericht insoweit von dem unwidersprochenen Parteivortrag ausgehen.

Jedoch hat das Landgericht hinsichtlich der Frage, ob die Erhöhung der Verwaltervergütung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (§ 21 Abs. 3 WEG), keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen. Maßgeblich hierfür ist die Nützlichkeit der beschlossenen Maßnahme für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Es entspricht deshalb grundsätzlich nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, einen durch einen laufenden Vertrag gebundenen Verwalter ohne Notwendigkeit zu begünstigen (vgl. BayObLGZ 2002, 422/425). Allerdings könnte hier die Besonderheit bestehen, dass eine Erhöhung der Verwaltervergütung aufgrund des Verwaltervertrags vom Verwalter nach billigem Ermessen gefordert werden könnte, da § 6 des Verwaltervertrags eine Neufestsetzung der Vergütung durch Beschluss der Wohnungseigentümer vorsieht. Es bestehen jedoch bereits Zweifel, ob der Verwaltervertrag ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Zum einen fehlen in dem Vertragsformular wesentliche Vertragsbestandsteile, nämlich die Laufzeit des Vertrages und die Höhe der Vergütung, zum anderen ist vom Landgericht nicht festgestellt, dass der Wohnungseigentümer, der den Verwaltervertrag unterschrieben hat, hierzu auch bevollmächtigt war. Das Landgericht wird hierzu weitere Feststellungen zu treffen haben. Davon abgesehen erscheint es in hohem Maße zweifelhaft, dass eine Vergütungsanhebung von 30 auf 40 DM, also um 1/3 innerhalb eines Jahres angemessen ist. Eine solche Anhebung der Vergütung kann nicht mit der Erwägung des Landgerichts begründet werden, dass der Verwalter in Köln ansässig sei. Dieser Umstand war nämlich bereits bei der Bestellung des Verwalters und bei der erstmaligen Festlegung der Vergütung bekannt. Der Verwalter hätte deshalb diesen Umstand bereits bei der erstmaligen Kalkulation seiner Vergütung berücksichtigen müssen. Eine nachträgliche Korrektur eines eventuellen Kalkulationsversehens zulasten der Wohnungseigentümer ist grundsätzlich nicht angemessen, da das Kalkulationsrisiko der Verwalter trägt.

f) Der Senat sieht sich zu einer abschließenden Entscheidung wegen der Notwendigkeit weiterer tatsächlicher Feststellungen nicht in der Lage.

Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig, da das Landgericht zutreffend erkannt hat, dass formelle Mängel nicht zur Ungültigerklärung der Beschlüsse zu den TOP V und XII führen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Ergebnis der Abstimmung feststeht, dass eventuelle Mängel hinsichtlich der Einberufung und des Zeitpunkts der Versammlung für die Beschlüsse nicht kausal gewesen wären. Die Beschlüsse zu TOP V und XII wurden mit einer Mehrheit von 596,502/1000 zu 241,878/1000 gefasst. Den Beschlüssen hat also die Mehrheit der vorhandenen Stimmanteile zugestimmt. Dafür, dass bei einem anderen Vorgehen weitere Wohnungseigentümer an der Versammlung teilgenommen und durch ihre Diskussionsbeiträge ein anderes Abstimmungsergebnis herbeigeführt hätten, bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

3. Das Landgericht wird erneut über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

4. Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG, wobei der Senat auch die Geschäftswertfestsetzung durch das Landgericht gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO abgeändert hat.

Für die Protokollfeststellung zu TOP I und die Wahl des Schriftführers (TOP III) erscheint angesichts der geringen Bedeutung dieser Punkte ein Geschäftswert von jeweils 500 EUR angemessen und ausreichend. Hinsichtlich des Antrags auf Ungültigerklärung der Jahresabrechnung ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. BayObLG Rpfleger 1979, 427) ein Ansatz von rund 25 % des Abrechnungsvolumens angemessen. Hinsichtlich der Erhöhung der Verwaltervergütung ist grundsätzlich von der Vergütung für die Restlaufzeit des Verwaltervertrages auszugehen, da über die künftigen Einnahmen des Verwalters beschlossen wurde. Der Senat erachtet es jedoch in Übereinstimmung mit dem Landgericht für angemessen, hier nur einen Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen, da der Verwaltervertrag keine Festlaufzeit enthält, so dass eine ordentliche Kündigung des Verwaltervertrags möglich ist. Allerdings ist nicht von der Gesamtverwaltervergütung auszugehen, sondern lediglich von dem Erhöhungsbetrag. Es erscheint deshalb ein Geschäftswert für diesen Punkt von 1.286,07 EUR angemessen.

Ende der Entscheidung

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