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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.04.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 22/04
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 25
WEG § 26
ZPO § 148
1. Das Erfordernis der Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde in der Eigentümerversammlung gibt dem Versammlungsleiter das Recht, die Stimmabgabe des nicht so ausgewiesenen Vertreters zurückzuweisen. Jedoch hat die unterbliebene Zurückweisung nicht zur Folge, dass die Stimmabgabe unwirksam ist.

2. Heben die Wohnungseigentümer durch einen späteren Beschluss den Beschluss über die Verwalterbestellung auf, ist ein Verfahren auf Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens auf Ungültigerklärung des Aufhebungsbeschlusses auszusetzen.


Gründe:

I.

Die Wohnungseigentümer beschlossen am 21.6.2001, der weiteren Beteiligten zu 1 für das Jahr 2000 Entlastung zu erteilen (TOP 2) und sie für weitere fünf Jahre (1.1.2002 bis 31.12.2006) zur Verwalterin zu bestellen (TOP 9).

Die Antragsteller haben beantragt, die Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären und festzustellen, dass eine Vereinbarung vom 21.6.2001 über die Verlängerung des Verwaltervertrages nicht besteht. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 19.4.2002 den Anträgen stattgegeben. Das Landgericht hat am 7.1.2004 die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde. Außerdem haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 im eigenen Namen Geschäftswertbeschwerde eingelegt.

Am 7.11.2001 beschlossen die Wohnungseigentümer, dass der Eigentümerbeschluss vom 21.6.2001 über die Bestellung der Beteiligten zu 1 zur Verwalterin auf weitere fünf Jahre aufgehoben wird, dass die Beteiligte zu 2 für die Dauer vom 1.1.2002 bis zum 31.12.2003 zur Verwalterin bestellt wird und dass der Verwaltungsbeirat beauftragt und bevollmächtigt wird, mit der Beteiligten zu 2 einen Verwaltervertrag abzuschließen, wenn der mit der Beteiligten zu 1 abgeschlossene Vertrag nicht gültig sein sollte. Die weitere Beteiligte zu 1 hat beantragt, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat am 18.4.2002 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 24.7.2003 das Beschwerdeverfahren (LG München I - 1 T 8627/02) im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ausgesetzt.

II.

Das Verfahren wird ausgesetzt wegen Vorgreiflichkeit der Entscheidung im Verfahren LG München I - 1 T 8627/02. Es ist Sache der Beteiligten, in dem vom Landgericht ausgesetzten Verfahren einen Antrag auf Aufhebung der Aussetzung zu stellen.

1. Bei summarischer Überprüfung des Anfechtungsantrags zu TOP 9 erscheint es fraglich, ob der Eigentümerbeschluss, wie vom Landgericht angenommen, für ungültig zu erklären ist.

a) Der Versammlungsleiter hat in der Eigentümerversammlung vom 21.6.2001 das Abstimmungsergebnis zu dem Beschlussantrag, die Beteiligte zu 1 für die Dauer von fünf Jahren zur Verwalterin zu bestellen, als Antragsannahme im Protokoll vermerkt. Der Abstimmung kommt somit Beschlussqualität zu (vgl. BGH ZMR 2001, 809).

b) Bei der Abstimmung dürfte die erforderliche Mehrheit erzielt worden sein. Unerheblich dürfte sein, ob und wie viele Enthaltungen es gegeben hat. Ohne Bedeutung dürfte ferner sein, dass die meisten Ja-Stimmen auf einen Wohnungseigentümer entfielen, der sich in der Eigentümerversammlung hat vertreten lassen, ohne dass die nach der Gemeinschaftsordnung als Nachweis für die Vertretungsmacht erforderliche öffentlich beglaubigte Urkunde dem Verwalter vorlag. Das Erfordernis der Vorlage einer Vollmachtsurkunde in einer bestimmten Form gibt nämlich dem Versammlungsleiter nur das Recht, die Stimmabgabe des nicht ausgewiesenen Vertreters zurückzuweisen. Eine unterbliebene Zurückweisung wie hier hat aber nicht zur Folge, dass die Stimmabgabe unwirksam ist. Ein Bevollmächtigter, dessen Stimmabgabe nicht zurückgewiesen worden ist, kann folglich, auch ohne im Besitz einer Vollmachtsurkunde zu sein, wirksam abstimmen (BayObLGZ 1984, 15/22 f.; Kümmel ZWE 2000, 292/294).

c) Das Landgericht kommt zu dem Ergebnis, dass in der Eigentümerversammlung bei der Behandlung von TOP 9 "völlige Konfusion herrschte" und deshalb der Eigentümerbeschluss wegen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung für ungültig zu erklären sei. Dies erscheint wenig überzeugend. In der Einladung zur Eigentümerversammlung war zu TOP 9 angekündigt worden: "Verwalterbestellung und Fortsetzung des bestehenden Verwaltervertrags". Der Beschlussantrag, über den im schriftlichen Abstimmungsverfahren entschieden wurde, lautete so wie im Protokoll wiedergegeben, nämlich Bestellung des Verwalters für weitere fünf Jahre. Bei dieser Sachlage dürfte der Eigentümerbeschluss nicht schon deshalb für ungültig zu erklären sein, weil im Rahmen der Vorbereitung der Versammlung nur über eine Verlängerung des Verwaltervertrags um ein Jahr gesprochen worden ist und in der Eigentümerversammlung möglicherweise nicht alle Wohnungseigentümer richtig erfasst haben, dass es bei der Abstimmung um eine Verlängerung um fünf Jahre geht. Auch wenn einige Wohnungseigentümer schon vor der Abstimmung im Vertrauen darauf, es gehe nur um eine Vertragsverlängerung um ein Jahr, die Versammlung verlassen haben und dann tatsächlich über den Antrag abgestimmt wurde, den Vertrag um fünf Jahre zu verlängern, so dürfte dies das von diesen Wohnungseigentümern allein zu tragende Risiko gewesen sein.

d) Die Antragsteller berufen sich darauf, der Versammlungsleiter habe arglistig gehandelt, als er "plötzlich und überraschend wie ein Springteufelchen aufgesprungen sei und den Antrag formuliert habe, den bestehenden Verwaltervertrag um fünf Jahre zu verlängern". Im Hinblick auf die eindeutige Antragsformulierung (Verlängerung für fünf Jahre) dürfte das Vorliegen von Arglist bei der Abstimmung schwer begründbar sein.

2. Durch den Eigentümerbeschluss vom 7.11.2001 wurde der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 21.6.2001 über die Bestellung der Beteiligten zu 1 zur Verwalterin für fünf Jahre aufgehoben. Dieser Beschluss war mit keiner Bedingung verbunden. Die Wohnungseigentümer haben deshalb zum Ausdruck gebracht, dass sie die Beteiligte zu 1 nicht als Verwalterin wünschen. Auch wenn ein gültiger Verwaltervertrag mit der Beteiligten zu 1 abgeschlossen worden sein sollte, so brauchen sich doch die Wohnungseigentümer deren Dienste nicht aufdrängen zu lassen.

Im zweiten Teil des Beschlusses zu TOP 9 haben die Wohnungseigentümer zwar beschlossen, dass die Beteiligte zu 2 für die Zeit vom 1.1.2002 bis 31.12.2003 zur Verwalterin bestellt werden soll und dass der Verwaltungsbeirat beauftragt und bevollmächtigt wird, mit ihr einen Verwaltervertrag abzuschließen. Dabei sollte die Bevollmächtigung aber nur für den Fall gelten, dass der mit der Beteiligten zu 1 abgeschlossene Vertrag nicht gültig sein sollte. Nachdem sich die Bedingung ausdrücklich nur auf die Bevollmächtigung zum Abschluss des Verwaltervertrags bezieht, kann im Wege der Auslegung nicht davon ausgegangen werden, auch der erste Teil des Eigentümerbeschlusses sei unter eine Bedingung gestellt worden. Abgesehen davon hat sich die Bedeutung des zweiten Beschlussteils aufgrund Zeitablaufs erledigt.

Solange der Eigentümerbeschluss vom 7.11.2001 nicht rechtskräftig für ungültig erklärt ist, ist er für die Wohnungseigentümer, deren Sondernachfolger und den Verwalter bindend. Der Antrag auf Ungültigerklärung hat keine aufschiebende Wirkung. Demnach ist, da der Eigentümerbeschluss vom 7.11.2001 noch nicht rechtskräftig für ungültig erklärt ist, verbindlich davon auszugehen, dass der Eigentümerbeschluss über die Bestellung der Beteiligten zu 1 zur Verwalterin auf die Dauer von fünf Jahren aufgehoben wurde. Für den Antrag, einen aufgehobenen Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären, fehlt es derzeit nicht nur am Rechtsschutzbedürfnis, sondern auch an der materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage. Erst mit einer etwaigen rechtskräftigen Ungültigerklärung des Zweitbeschlusses ist Raum für eine Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag.

Ende der Entscheidung

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