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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 15.01.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 225/03
Rechtsgebiete: BGB, GG, WEG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1
WEG § 14 Abs. 1
WEG § 15 Abs. 3
ZPO § 263
1. Zur Nachholung des rechtlichen Gehörs in der Rechtsbeschwerdeinstanz (Bestätigung von BayObLG, Beschluss vom 3.12.2003 - 2Z BR 188/03 - und Abgrenzung zu OLG Hamburg ZMR 2003, 868).

2. Der Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch aus § 15 Abs. 3 WEG ist seinem Wesen nach ein Individualanspruch. Es ist deshalb verfahrensrechtlich unbedenklich, wenn zunächst zwar alle Wohnungseigentümer (ausgenommen der störende Wohnungseigentümer), im Zuge des Verfahrens jedoch nur noch ein oder einzelne Wohnungseigentümer den Anspruch gegen diesen geltend macht oder machen.

3. Nutzt ein Wohnungseigentümer Räume des gemeinschaftlichen Eigentums, ohne dass eine Vereinbarung oder ein gebrauchsregelnder Beschluss der Wohnungseigentümer vorliegt, können die übrigen Wohnungseigentümer, einzeln oder gemeinsam, die Räumung und Herausgabe der Räume an die Eigentümergemeinschaft verlangen.


Gründe:

I.

Die Antragsteller, die Antragsgegnerin und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer aus Ferienwohnungen und einem Restaurant bestehenden Wohnanlage. Im Untergeschoss des Anwesens befindet sich unter anderem ein im Gemeinschaftseigentum stehender Raum, der im Aufteilungsplan mit "Anmeldung/Büro" bezeichnet ist und nach der Teilungserklärung nur als Büro genutzt werden darf. Diesen nutzt die Antragsgegnerin allein und betreibt darin im Auftrag eines Teils der Wohnungseigentümer die Vermittlung von Ferienappartements, die sich in der Wohnanlage befinden. Ferner nutzt ausschließlich die Antragsgegnerin im Untergeschoss gelegene gemeinschaftliche Räume, welche im Aufteilungsplan als Waschraum, Trockenraum, Putz- und Geräteraum bezeichnet sind. Die Räume sind keinem der Wohnungseigentümer zur Sondernutzung zugewiesen. In der Eigentümerversammlung vom 20.4.2002 lehnten die Wohnungseigentümer Anträge, alle gemeinschaftlichen Räume zu räumen und der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Verfügung zu stellen, ferner die Gemeinschaftsräume wie in der Teilungserklärung festgesetzt zu nutzen, mehrheitlich ab.

Ursprünglich haben mit Ausnahme der Antragsgegnerin sämtliche Wohnungseigentümer, vertreten durch die damalige Verwalterin, beantragt, die genannten Räume zu räumen und an die Gemeinschaft herauszugeben. Nach Hinweis des Amtsgerichts auf Bedenken hinsichtlich der Legitimation der Verwalterin, einen Herausgabeanspruch im Namen der Wohnungseigentümer geltend zu machen, haben die im Rubrum bezeichneten Antragsteller dem anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten ausdrücklich Vollmacht erteilt, sie in diesem Verfahren zu vertreten. Daraufhin hat das Amtsgericht dem Antrag mit Beschluss vom 23.6.2003 stattgegeben. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 14.10.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsgegnerin habe keine ausschließliche Nutzungsberechtigung an den Räumen. Ob die Wohnanlage hotelmäßig betrieben werden müsse, habe keinen Einfluss auf die Frage, wer zur Nutzung der Räume im Untergeschoss befugt sei. Selbst wenn eine ausschließliche hotelmäßige Nutzung nach öffentlich-rechtlichen Vorgaben, etwa in der Baugenehmigung, vorgeschrieben sei, könne die Antragsgegnerin daraus für sich nicht das Recht ableiten, bestimmte Räume des Gemeinschaftseigentums ausschließlich inne zu haben.

Es verbleibe bei der allgemeinen Regel, dass Räume im Gemeinschaftseigentum nicht von einem einzelnen Wohnungseigentümer, gleich in welcher Eigenschaft, ohne vertragliche Grundlage allein genutzt werden dürften.

Schließlich könne die Antragsgegnerin eine ihr günstige Rechtsposition auch nicht daraus ableiten, dass ihr im Jahr 1996 von der damaligen Hausverwaltung mehrere Schlüssel zu den gegenständlichen Räumen übergeben worden seien. Die Antragsgegnerin habe nur für einen Teil der Wohnungseigentümer die Verwaltung und Vermietung der Appartements übernehmen sollen. Erhalte sie zu diesem Zweck Schlüssel zu Räumen im Gemeinschaftseigentum, begründe dies für sie keine alleinige Nutzungsberechtigung.

2. Der Beschluss des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Allerdings hat das Landgericht die übrigen Wohnungseigentümer am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt. Der Verfahrensgegenstand betrifft Gemeinschaftseigentum und damit Belange, die alle Wohnungseigentümer gleichermaßen berühren. Wegen der Rechtskrafterstreckung des § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG ist die Beteiligung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs gesetzlich geboten (§ 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 WEG) und unverzichtbar. Weil die Beteiligung ersichtlich nicht der weiteren Sachaufklärung dient, konnte sie der Senat hier nachholen und damit rechtliches Gehör gewähren (vgl. BGH NJW 1998, 755/756; NZM 2003, 946; NJW 2003, 3205; vgl. ferner Beschluss des Senats vom 3.12.2003, 2Z BR 188/03). Der Verfahrensfehler ist somit geheilt. Anders als in dem vom Oberlandesgericht Hamburg entschiedenen Fall (ZMR 2003, 868) ist eine Zurückverweisung deshalb nicht erforderlich.

b) Hingegen ist der Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG im Beschwerdeverfahren nicht verletzt worden. Die Antragsgegnerin rügt insoweit, sie habe keine Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer erhalten und deshalb den Termin nicht wahrnehmen können. Sie beruft sich insoweit zunächst auf eine eidesstattliche Erklärung ihrer Bevollmächtigten, dass im Büro der Antragsgegnerin eine entsprechende Ladung nicht eingegangen sei. Aus den Akten ist hingegen ersichtlich, dass die Antragsgegnerin unter ihrer abweichenden Privatanschrift formlos geladen wurde. Die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin hat zwar erklärt, insoweit ergänzend eine Erklärung für die Wohnung der Antragsgegnerin in M. vorzulegen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Der Senat geht von einer ordnungsmäßigen Terminsbenachrichtigung der Antragsgegnerin durch postalische Benachrichtigung unter ihrer Wohnanschrift aus.

Die Rüge ginge aber auch deshalb ins Leere, weil die Antragsgegnerin nicht vorträgt und im Übrigen auch nicht erkennbar ist, was sie im Fall ihrer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht entscheidungserheblich hätte vortragen können (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 25. Aufl. § 551 Rn. 7 f.; Schmidt in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 177).

c) Der Tatrichter hat die im ersten Rechtszug vorgenommene Änderung auf Seiten der Antragsteller nach den auch im Wohnungseigentumsverfahren anwendbaren Regeln des Parteiwechsels (§ 263 ZPO; vgl. OLG Köln WE 1998, 502) behandelt und als sachdienlich angesehen. Näher dürfte es liegen, in der Beitrittserklärung der nun ausdrücklich als Antragsteller auftretenden Wohnungseigentümer die Genehmigung der bisherigen Verfahrensführung zu erblicken (§ 89 Abs. 2 ZPO). Die Wohnungseigentümergemeinschaft besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit (BayObLG WuM 2001, 140; NZM 2001, 956). Ursprüngliche Antragsteller waren sämtliche Wohnungseigentümer, wenn es auch an einer wirksamen Bevollmächtigung der früheren Verwalterin zur Verfahrensführung und zur Beauftragung eines Rechtsanwalts fehlte. Die Erklärung vor dem Amtsgericht bewirkte, dass als Antragsteller nur noch die vier namentlich bezeichneten Wohnungseigentümer verblieben. Ein Parteiwechsel in deren Personen lag somit nicht vor. Der geltend gemachte Anspruch selbst, der sich auf Einhaltung von Gebrauchsregelungen und auf Unterlassung bzw. Beseitigung eines ordnungswidrigen Gebrauchs richtet (§ 15 Abs. 3 WEG), ist seinem Wesen nach ein Individualanspruch jedes Wohnungseigentümers und erfährt unabhängig davon, ob er von den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich oder nur von einzelnen Wohnungseigentümern gerichtlich geltend gemacht wird, keine Veränderung.

d) Der Anspruch auf Herausgabe der Räume an die Wohnungseigentümer ergibt sich aus § 1004 Abs. 1, § 1011 BGB, § 15 Abs. 3 und § 14 Nr. 1 WEG. Einer Ermächtigung der Antragsteller durch die übrigen Wohnungseigentümer bedarf es dazu nicht (OLG Zweibrücken ZMR 2001, 734; Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. § 15 WEG Rn. 22).

Das Landgericht hat festgestellt, dass weder Vereinbarungen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG) noch Beschlüsse (§ 23 Abs. 1 WEG; vgl. z.B. BayObLG NZM 2002, 128) der Wohnungseigentümer vorliegen, aufgrund derer die Antragsgegnerin befugt wäre, die im gemeinschaftlichen Eigentum nach § 1 Abs. 5 WEG stehenden Räume im Untergeschoss unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer zu nutzen. Es kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin einen der Zweckbestimmung der Räume entsprechenden Gebrauch ausübt. Darauf kommt es nicht an, weil Gegenstand der Auseinandersetzung die Nutzungsbefugnis der Antragsgegnerin unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer ist. Ein derartiges Recht steht der Antragsgegnerin jedoch nach den tatsächlichen Feststellungen nicht zu und ergibt sich insbesondere auch nicht aus der Teilungserklärung und dem Aufteilungsplan. Das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 15.6.1996 enthält zu Tagesordnungspunkt 10 keinen Eigentümerbeschluss, der die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin stützen könnte. Auch aus der Aushändigung von Schlüsseln an die Antragsgegnerin durch die damalige Verwalterin und aus der Entgegennahme von Zahlungen hat das Landgericht ohne Rechtsfehler keine rechtsgeschäftliche, noch dazu unwiderrufliche Einräumung eines alleinigen Gebrauchsrechts an Räumen des Gemeinschaftseigentums entnommen.

Für eine Verwirkung des Herausgabeanspruchs (dazu BayObLG NZM 2002, 128, jüngst BayObLG, Beschluss vom 7.1.2004, 2Z BR 220/03) gibt es keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte.

Schließlich stehen dem Herausgabeanspruch auch nicht die Beschlüsse der Wohnungseigentümer in der Versammlung vom 20.4.2002 entgegen. Denn diese berühren den Individualanspruch jedes Wohnungseigentümers aus §§ 14, 15 WEG und § 1004 BGB nicht (BayObLG ZMR 1996, 565; OLG Hamm ZWE 2001, 273; Palandt/Bassenge § 21 Rn. 4 und 5). Zudem kommt dem Negativbeschluss (BGHZ 148, 355) nicht die Bedeutung zu, dass der Antragsgegnerin damit zugleich positiv ein unbefristetes Nutzungsrecht an den Räumen zugestanden wird.

e) Die Kostenentscheidung des Landgerichts nach § 47 WEG hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens und ist nicht zu beanstanden. Der Senat berichtigt sie lediglich dahingehend, dass verpflichtet zur Tragung der im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten die Antragsgegnerin ist. Für die Gerichtskosten des ersten Rechtszugs verbleibt es, wie vom Landgericht auch gewollt, bei der amtsgerichtlichen Entscheidung.

3. Der Senat hält es nach § 47 WEG für angemessen, dass die Antragsgegnerin als unterlegene Beteiligte die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt und den Antragstellern deren außergerichtliche Kosten zu erstatten hat.

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und deckt sich mit den Festsetzungen im ersten und zweiten Rechtszug.



Ende der Entscheidung

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