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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 24.01.2005
Aktenzeichen: 2Z BR 225/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 3
Lassen sich der Text der Eintragungsbewilligung und die Angaben im Aufteilungsplan hinsichtlich eines Sondernutzungsrechts auch nicht durch Auslegung in Einklang bringen und verbleibt somit ein nicht ausräumbarer Widerspruch, ist ein Sondernutzungsrecht nicht entstanden.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die aus einem Altbau und einem Anbau besteht. Dem Antragsteller gehört die Wohnung Nr. 1 im Altbau; dem Antragsgegner gehört die Wohnung Nr. 2 im Anbau.

Vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) befindet sich ein Kfz-Stellplatz. Vor dem Anbau (Wohnung Nr. 2) liegen die beiden im Aufteilungsplan mit Nr. 1 und Nr. 2 bezeichneten Stellplätze. Die Beteiligten streiten darüber, wem das Sondernutzungsrecht an dem vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) gelegenen Stellplatz zusteht.

In der im Grundbuch eingetragenen Teilungserklärung ist unter § 4 (Sondernutzungsrechte) u.a. Folgendes bestimmt:

Das alleinige und ausschließliche Recht der Nutzung steht zu:

1. dem jeweiligen Eigentümer der Eigentumswohnung Nr. 1 ... die Sondernutzung an den Kfz-Stellplätzen Nr. 1 und 2 vor dem Anbau, im beiliegenden Aufteilungsplan ... blau schraffiert eingezeichnet.

2. dem jeweiligen Eigentümer der Eigentumswohnung Nr. 2 ... an dem Kfz-Stellplatz im Hof ..., im beiliegenden Aufteilungsplan (Auszug) grün schraffiert eingezeichnet.

In dem im Grundbuch in Bezug genommenen Aufteilungsplan sind im Lageplan der Stellplatz vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) und der Stellplatz Nr. 1 vor dem Anbau (Wohnung Nr. 2) blau markiert; der Stellplatz Nr. 2 vor dem Anbau (Wohnung Nr. 2) ist grün markiert. Auf einem anderen Blatt dieses Aufteilungsplans sind die beiden Stellplätze vor dem Anbau (Wohnung Nr. 2) blau schraffiert.

Der Antragsgegner legte im Verfahren eine notariell beglaubigte Abschrift des Aufteilungsplans vor, der nach seiner Behauptung dem in seinem Besitz befindlichen Exemplar der Teilungserklärung beigeheftet ist. In diesem Aufteilungsplan ist der Stellplatz vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) grün schraffiert; die beiden Stellplätze vor dem Anbau (Wohnung Nr. 2) sind blau schraffiert.

Der Antragsteller hat beantragt, dem Antragsgegner zu untersagen, seine Fahrzeuge vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) abzustellen und festzustellen, dass für diesen Stellplatz ein dem Antragsteller gehörendes Sondernutzungsrecht besteht. Der Antragsgegner hat beantragt, dem Antragsteller zu untersagen, seine Kraftfahrzeuge auf dem Stellplatz vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) abzustellen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.6.2004 die Anträge des Antragstellers abgewiesen und auf den Gegenantrag hin den Antragsteller verpflichtet, es zu unterlassen, seine Kraftfahrzeuge vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) abzustellen. Das Landgericht hat am 18.11.2004 die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat zum Teil Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Sondernutzungsrecht vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) stehe dem Eigentümer der Wohnung Nr. 2 (Anbau), somit dem Antragsgegner, zu.

Es bestehe zwar ein Widerspruch zwischen dem Text der Teilungserklärung und dem in der Grundakte befindlichen Lageplan. Der Widerspruch sei aber durch Auslegung ausräumbar. In dem in der Grundakte befindlichen Aufteilungsplan befinde sich nämlich ein weiteres Blatt, auf dem die beiden vor der Wohnung Nr. 2 (Anbau) befindlichen Stellplätze blau schraffiert seien. Bei der Erstellung des Lageplans seien die Farben vertauscht worden. Abzustellen sei auf den Text der Teilungserklärung und das Blatt des Aufteilungsplans, auf dem die beiden Stellplätze vor dem Anbau blau schraffiert seien. Die beiden Stellplätze vor der Wohnung Nr. 2 seien deshalb dem Antragsteller zugewiesen, während dem Antragsgegner ein Sondernutzungsrecht an dem Stellplatz vor der Wohnung des Antragstellers zustehe.

2. Die Entscheidung des Landgerichts ist nur im Ergebnis zum Teil zutreffend; insgesamt hält sie der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Anträge des Antragstellers und der Gegenantrag des Antragsgegners sind nicht begründet, weil ein Sondernutzungsrecht an dem strittigen Stellplatz vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) rechtswirksam nicht entstanden ist.

a) Inhalt der Grundbucheintragung sind bei der Teilung eines Grundstücks in Wohnungseigentum wie hier die Teilungserklärung und der Aufteilungsplan dazu. Den Inhalt des Grundbuchs kann das Rechtsbeschwerdegericht ohne Bindung an die Auslegung durch das Landgericht selbständig auslegen; dabei ist auf den Wortlaut und den Sinn der Eintragung sowie der darin in zulässiger Weise in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung samt Anlagen abzustellen, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergeben. Umstände außerhalb dieser Urkunde dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Der im Grundbuch herrschende Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass die Eintragungsbewilligung die Flächen, an denen Sondernutzungsrechte bestehen sollen, klar und bestimmt bezeichnet. An diese Bezeichnung sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei sonstigen ein Grundstücksteil betreffenden Eintragungen. In § 10 Abs. 2 WEG i.V.m. § 7 Abs. 3 WEG kommt überdies zum Ausdruck, dass der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung nicht weniger Bedeutung zukommt als dem zur Konkretisierung beigefügten Aufteilungsplan. Demnach gilt für die Einräumung von Sondernutzungsrechten nichts anderes als für den Gegenstand von Sondereigentum. Lassen sich der Text der Eintragungsbewilligung und die Angaben im Aufteilungsplan auch nicht durch eine Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB in Einklang bringen und verbleibt somit ein nicht ausräumbarer Widerspruch, so ist ein Sondernutzungsrecht nicht entstanden (BayObLG DNotZ 2000, 204 ff.; DWE 2001, 71 f.).

b) Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach dem Text der Teilungserklärung stehen dem Eigentümer des Altbaus (Wohnung Nr. 1) die Kfz-Stellplätze vor dem Anbau (Wohnung Nr. 2) zu, während dem Eigentümer des Anbaus (Wohnung Nr. 2) der "Kfz-Stellplatz im Hof" gehört. Bei diesem Stellplatz kann es sich nach dem Aufteilungsplan nur um den Stellplatz vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) handeln. Anhaltspunkte dafür, weshalb nach dem Text der Teilungserklärung die beiden Eigentümer der Wohnanlage jeweils nicht den Stellplatz vor ihrer eigenen Wohnung, sondern jeweils einen oder zwei Stellplätze vor der Wohnung des anderen Wohnungseigentümers erhalten sollen, sind nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass nach dem im Grundbuch in Bezug genommenen Lageplan der Stellplatz vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) blau markiert ist, also dem Antragsteller gehören soll, während ein Stellplatz vor dem Anbau (Wohnung Nr. 2) dem Antragsteller, weil blau markiert, und ein Stellplatz dem Antragsgegner, weil grün markiert, zustehen soll. Die Zweifel daran, was hier gewollt ist, werden noch dadurch vergrößert, dass auf einem weiteren Blatt des im Grundbuch in Bezug genommenen Aufteilungsplans beide Stellplätze vor dem Anbau (Wohnung Nr. 2) blau schraffiert sind, also dem Antragsteller gehören sollen.

Die Widersprüche lassen sich auch nicht durch Auslegung in Einklang bringen. Aufgrund der Grundbucheintragung steht nicht zweifelsfrei fest, dass das strittige Sondernutzungsrecht vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) dem Antragsteller oder dem Antragsgegner gebührt. Bei dieser Sachlage braucht auf die weitere Unstimmigkeit nicht eingegangen zu werden, dass der Antragsgegner einen notariell beglaubigten Aufteilungsplan vorgelegt hat, in dem der strittige Kfz-Stellplatz vor dem Altbau (Wohnung Nr. 1) grün schraffiert eingezeichnet ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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