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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 29.12.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 228/04
Rechtsgebiete: GBO, ZPO


Vorschriften:

GBO § 18
GBO § 71
ZPO § 139
ZPO § 192
ZPO § 193
ZPO § 750 Abs. 1
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 795
ZPO § 866
ZPO § 867
1. Eine Aufklärungsverfügung des als Vollstreckungsorgan tätigen Grundbuchamts ist in der Regel nicht anfechtbar.

2. Die Eintragung einer Zwangshypothek setzt u.a. voraus, dass die Zustellung des Schuldtitels an den Schuldner nachgewiesen ist. Wird die Zustellung im Parteibetrieb vorgenommen, so ist es erforderlich, dass dem Gerichtsvollzieher der Schuldtitel in Urschrift oder in Ausfertigung vorliegt. Es genügt nicht, dass dem Gerichtsvollzieher nur eine beglaubigte Abschrift des Titels vorliegt und er dem Schuldner eine beglaubigte Abschrift davon zustellt.


Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Lorbacher und Dr. M. Schmid am 29. Dezember 2004 in der Grundbuchsache

Eintragung einer Zwangshypothek

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 11. November 2004 aufgehoben.

II. Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Aufklärungsverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Regensburg vom 15. Oktober 2004 wird verworfen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte ist Gläubiger eines notariellen Schuldanerkenntnisses vom 24.1.2002, in dem sich der Schuldner zugleich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwarf. Im Auftrag des Beteiligten übermittelte der Gerichtsvollzieher am 23.9.2004 dem Schuldner eine beglaubigte Abschrift des Titels, die ihrerseits von der dem Gerichtsvollzieher übergebenen beglaubigten Abschrift der vollstreckbaren Ausfertigung der Schuldurkunde gefertigt war.

Für den Schuldner sind im Grundbuch Wohnungs- und Teileigentumsrechte eingetragen. Der Beteiligte hat beantragt, an den maßgeblichen Grundbuchstellen je eine Zwangssicherungshypothek in Höhe von 800 EUR zu seinen Gunsten einzutragen. Das Grundbuchamt hat am 15.10.2004 eine Aufklärungsverfügung erlassen und beanstandet, dass der Titel nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Notwendig sei die Übergabe des Originals bzw. einer Ausfertigung des zuzustellenden Schriftstücks an den Gerichtsvollzieher. Es genüge nicht, dass dem Gerichtsvollzieher nur eine beglaubigte Abschrift des Titels vorgelegt werde. Zugleich hat das Grundbuchamt eine Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt. Die Beschwerde des Beteiligten, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat, hat das Landgericht mit Beschluss vom 11.11.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten.

II.

Die nach §§ 78, 80 GBO zulässige weitere Beschwerde hat nur insoweit Erfolg, als der Beschluss des Landgerichts aufzuheben und die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen ist.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan habe eine Aufklärungsverfügung erlassen können, weil eine Zwischenverfügung hier nicht statthaft gewesen sei. Gegen die Aufklärungsverfügung als Zwischenentscheidung des Grundbuchamts sei die Beschwerde statthaft. Diese sei jedoch unbegründet, weil der Beteiligte eine ordnungsgemäße Zustellung des Vollstreckungstitels nicht nachgewiesen habe. Es genüge nämlich nicht, dass dem Gerichtsvollzieher mit dem Zustellungsauftrag nur die beglaubigte Abschrift einer vollstreckbaren Ausfertigung und nicht diese selbst vorgelegt werde. Demnach fehle es an einer formgerechten Zustellung im Sinn von § 750 ZPO.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hat aus Rechtsgründen keinen Bestand.

a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Landgerichts, dass im Fall des Fehlens von Vollstreckungsvoraussetzungen oder bei vollstreckungsrechtlichen Hindernissen eine auf § 18 GBO gestützte Zwischenverfügung unzulässig ist (BGHZ 27, 310/315; Zöller/ Stöber ZPO 25. Aufl. § 867 Rn. 4; Eickmann in MünchKommZPO 2. Aufl. § 867 Rn. 30). Zulässig ist hingegen eine nicht gemäß § 18 Abs. 2 GBO rangwahrende Verfügung des Grundbuchamts entsprechend § 139 ZPO (ThürOLG Rpfleger 2002, 355 f.; Eickmann in MünchKommZPO § 867 Rn. 32). Eine derartige Verfügung ist als Zwischenentscheidung des Grundbuchamts und verfahrensleitende Maßnahme grundsätzlich nicht anfechtbar (Budde in Bauer/von Oefele GBO § 71 Rn. 17; Demharter GBO 24. Aufl. § 71 Rn. 19 und 20). Abgesehen von gesetzlichen Regelungen ist eine Ausnahme allenfalls dann zu bejahen, wenn die Verfügung unmittelbar in erheblichem Maß in die Rechte eines Beteiligten eingreift (Demharter § 71 Rn. 20).

Davon kann hier nicht die Rede sein. Denn der Beteiligte kann entweder das aufgezeigte Vollstreckungshindernis beseitigen oder sogleich auf eine den Antrag abschließend zurückweisende Entscheidung des Grundbuchamts hinwirken, die er sodann nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 71 ff. GBO) anfechten kann. Der Umstand, dass die Aufklärungsverfügung dem Beteiligten eine Frist setzt, bedingt nicht deren Anfechtbarkeit (a.A. Wilke in Bauer/von Oefele § 18 Rn. 75; wohl auch Eickmann in MünchKommZPO § 867 Rn. 72). Aus der Fristsetzung kann auch nicht auf das Vorliegen einer Zwischenverfügung im Sinn von § 18 GBO geschlossen werden. Vielmehr hat der Rechtspfleger die Maßnahme bewusst und unzweideutig als Aufklärungsverfügung abgefasst sowie auf § 139 ZPO und die fehlende Rangwahrung hingewiesen.

b) Auch wenn es demnach nicht mehr darauf ankommt, hat das Grundbuchamt zu Recht durch eine Aufklärungsverfügung entsprechend § 139 ZPO den fehlenden Nachweis der Zustellung des Titels an den Gläubiger nach § 794 Abs. 1 Nr. 5, § 795 ZPO i.V.m. § 750 Abs. 1 ZPO beanstandet.

(1) Das Grundbuchamt kann die Eintragung der Zwangshypothek nur vornehmen, wenn außer den Voraussetzungen für eine Grundbucheintragung auch die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind (BGH NJW 2001, 3627; BayObLGZ 1975, 398/403; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 13. Aufl. Rn. 2168 ff.). Dazu gehört u.a. die Zustellung des Titels an den Schuldner gemäß § 750 Abs. 1 ZPO. Es genügt die Zustellung durch den Gläubiger (§ 750 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO); ausführendes Organ ist der Gerichtsvollzieher (§§ 191, 192 Abs. 1 ZPO).

(2) Vollzogen wird die Zustellung, indem der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher das zuzustellende Schriftstück mit den erforderlichen Abschriften übergibt. Diese Abschriften beglaubigt der Gerichtsvollzieher; er kann solche gegebenenfalls auch selbst herstellen (vgl. § 190 Abs. 2 ZPO). Zugestellt, d.h. an den Schuldner als Zustellungsadressaten übergeben, wird in der Regel nicht die Urschrift des Schriftstücks, sondern eine beglaubigte Abschrift. Hingegen muss das nach § 750 Abs. 1 ZPO zuzustellende Schriftstück selbst eine Urschrift oder eine diese im Rechtsverkehr ersetzende Ausfertigung (vgl. § 47 BeurkG) der öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde sein (OLG Hamm Rpfleger 1994, 173; LG Münster MDR 1989, 648). Das erschließt sich zwar nicht unmittelbar aus § 192 Abs. 2 ZPO und § 193 Abs. 1 ZPO. Denn diese Vorschriften regeln nur die Art und Weise der Bekanntgabe des Schriftstücks (vgl. § 166 Abs. 1 ZPO), nicht aber dessen Qualität als Urschrift, Ausfertigung, beglaubigte oder einfache Abschrift (Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 26. Aufl. § 166 Rn. 5). Dass dem Gerichtsvollzieher die Urschrift oder die diese vertretende Ausfertigung des zuzustellenden Schriftstücks vorliegen muss, ergibt sich vielmehr aus dem Verfahrensrecht, also § 750 Abs. 1 ZPO und § 317 Abs. 1 ZPO, hier i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO und § 795 ZPO. Das Zustellungserfordernis in § 750 Abs. 1 ZPO, das entsprechend auch für vollstreckbare notarielle Urkunden gilt, soll gewährleisten, dass sich der Schuldner anhand der ihm zugestellten Urkunden zuverlässig über die Umstände der bevorstehenden Zwangsvollstreckung informieren kann. Die Zustellung dient der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs; sie bildet zudem eine "letzte Warnung" an den Schuldner (vgl. Heßler in MünchKommZPO § 750 Rn. 9 und 10). Das Schriftstück, auf das sich die Zustellung bezieht, ist der Titel selbst, nicht dessen beglaubigte Abschrift. Geringere Anforderungen als an Urteile sind bei vollstreckbaren Urkunden auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Schuldner Kenntnis vom Schuldtitel hat (vgl. LG Frankfurt am Main JurBüro 1993, 750/751). Folgerichtig entspricht es auch der ganz herrschenden Meinung, dass der Auftraggeber dem Gerichtsvollzieher stets die Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks zu übergeben hat (LG Aachen Rpfleger 1990, 520/521; Zöller/ Stöber § 192 Rn. 5; Heßler in MünchKommZPO § 750 Rn. 71 bei Fn. 109; Münzberg in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 750 Rn. 36; Salzmann in Wieczorek/Schütze ZPO 3. Aufl. § 750 Rn. 33). Die vom Beteiligten angeführten Fundstellen (Salzmann in Wieczorek/Schütze § 750 Rn. 28; Zimmermann ZPO 5. Aufl. § 750 Rn. 10; Putzo in Thomas/Putzo § 750 Rn. 15) sind nicht einschlägig. Sie stellen nämlich nur klar, dass es im Regelfall ausreicht, wenn dem Schuldner eine beglaubigte Abschrift der Urschrift oder der Ausfertigung des Titels übergeben wird (siehe Wenzel in MünchKommZPO Aktualisierungsband § 166 Rn. 8). Das erschließt sich jedoch bereits aus § 192 Abs. 2 ZPO.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.



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