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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 25.07.2005
Aktenzeichen: 2Z BR 230/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 28 Abs. 1
WEG § 28 Abs. 2
WEG § 47
1. Zur Fälligkeit von Wohngeldforderungen.

2. Macht der Verwalter für die Wohnungseigentümergemeinschaft Wohngeldforderungen geltend, die nicht fällig sind, und wird die Hauptsache nach Begleichung übereinstimmend für erledigt erklärt, entspricht es regelmäßig billigem Ermessen, den Verwalter mit den Gerichtskosten zu belasten. Ob auch eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten in Betracht kommt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2.10.2003 (= NJW 2003, 3550) war es jedenfalls nicht offensichtlich, dass eine in der Gemeinschaft durch Beschluss getroffene generelle Fälligkeitsregelung nichtig ist.


Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Verwalterin einer Wohnanlage, in der dem Antragsgegner eine Wohnung gehört.

Die Antragstellerin machte für die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Antragsgegner rückständiges Wohngeld für das Jahr 2003 (Januar - Dezember) in Höhe von 1.200,- EUR geltend. Nach dem Verwaltervertrag ist sie ermächtigt, ausstehendes Wohngeld gegenüber säumigen Wohnungseigentümern im eigenen Namen und für Rechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend zu machen. Gemäß dem Wirtschaftsplan vom 28.2.2001, genehmigt durch Eigentümerbeschluss vom 17.3.2001, entfällt auf den Miteigentumsanteil des Antragsgegners ein monatliches Wohngeld in Höhe von 100,- EUR. Nach den Beschlüssen der Wohnungseigentümer vom 7.12.1995 gilt ein beschlossener Wirtschaftsplan so lange fort, bis ein neuer Wirtschaftsplan aufgestellt und beschlossen ist. Wohngelder sind hiernach Jahresbeiträge, die jeweils am 2.1. jeden Jahres fällig sind und monatlich auf 1/12 Raten gestundet werden. Die Stundung entfällt, sobald ein Wohnungseigentümer mit zwei Wohngeldraten in Verzug gerät. Nach dem aktuellen Verwaltervertrag (§ 10) sind die Lasten- und Kostenbeiträge monatlich im Voraus, spätestens am 3. eines jeden Monats kostenfrei auf das Verwaltungskonto der Eigentümergemeinschaft zu bezahlen. Die Verwalterin mahnte den Antragsgegner unter der Anschrift "A-straße 2" in S. wegen Wohngeldrückstands mit Schreiben vom 19. und 29.4.2003.

Auf Antrag der Antragstellerin ist am 26.5.2003 Mahnbescheid ergangen. Dieser wurde am 30.5.2003 unter der Anschrift "A-straße 2" in S. zugestellt. Am 17.6.2003 ist beim Mahngericht ein Widerspruch eingegangen, wobei nicht geklärt ist, wer den Widerspruch unterschrieben hat. Am 16.9.2003 hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung des Wohngeldes in Höhe von 1.200,- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 3.1.2003 verpflichtet. Auch dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner unter der Anschrift "A-straße 2" in S. zugestellt, und zwar am 27.9.2003. Mit Schriftsatz vom 10.3.2004, eingegangen beim Amtsgericht am folgenden Tage, haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners sofortige Beschwerde eingelegt und vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 10.9.2004 waren sich die Beteiligten einig, dass der Antragsgegner das Wohngeld zwischenzeitlich vollständig bezahlt hat. Zuletzt hat die Antragstellerin die Hauptsache für erledigt erklärt. Der Antragsgegner hat der Erledigungserklärung nicht widersprochen.

Mit Beschluss vom 8.11.2004 hat das Landgericht den Antragsgegner mit den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen belastet. Den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren hat es auf 376,44 EUR festgesetzt. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Er wendet sich gegen seine Kostentragungspflicht und bringt vor, dass ihm weder Mahnungen noch der Mahnbescheid noch der amtsgerichtliche Beschluss zugegangen seien. Er habe nie unter der Anschrift "Asamstraße 24 d" gewohnt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Gegen die isolierte Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts ist in Wohnungseigentumssachen die sofortige weitere Beschwerde statthaft, wenn die Beschwerdesumme 100,- EUR übersteigt und auch in der Hauptsache die weitere Beschwerde statthaft wäre (§§ 45 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 und Abs. 2, 20a Abs. 2 FGG). Dies ist hier der Fall. Die sofortige weitere Beschwerde ist im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Eine wirksame Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses könne nicht nachgewiesen werden. Nach den Ermittlungen sei der Antragsgegner in S. nur unter einer anderen Anschrift, aber nicht unter "A-straße 2" gemeldet. Eine wirksame Zustellung an den Vater des Antragsgegners unter jener Anschrift scheide aus, weil es an der erforderlichen Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde fehle. Ein tatsächlicher Zugang des Beschlusses nach § 189 ZPO ergebe sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit aus den gewechselten Schriftsätzen der Beteiligten. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den amtsgerichtlichen Beschluss sei deshalb zulässig.

Die Hauptsache sei nach zwischenzeitlicher Zahlung des Wohngeldes übereinstimmend für erledigt erklärt worden. Der Antragsgegner sei sowohl mit den Gerichtskosten als auch mit den außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge zu belasten, weil der Antragsgegner bei Fortführung des Verfahrens voraussichtlich unterlegen gewesen wäre. Das Wohngeld in Höhe von 1.200,- EUR für das Jahr 2003 sei fällig gewesen. Der Antragsgegner habe sich in Verzug befunden. Die Mahnungen seien ihm zugegangen. Seit dem Erwerb der Eigentumswohnung im Jahr 2000 sei jedwede Korrespondenz zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner über dessen Vater unter der Anschrift "A-straße 2" abgewickelt worden. Selbst wenn der Vater des Antragsgegners von diesem nicht bevollmächtigt worden sein sollte, müsse sich der Antragsgegner nach den Grundsätzen der Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht so behandeln lassen.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält nicht in jeder Hinsicht rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht ist gemäß seinen Ausführungen unter II.1. im angegriffenen Beschluss zutreffend davon ausgegangen, dass eine wirksame Zustellung der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht nachzuweisen ist, so dass die sofortige Beschwerde als zulässig zu behandeln war.

b) Nach übereinstimmender Erledigungserklärung hatte das Landgericht nur noch gemäß § 47 WEG nach billigem Ermessen über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden. Das Rechtsbeschwerdegericht kann diese Entscheidung nur daraufhin überprüfen, ob der Tatrichter die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten, insbesondere ob er wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen, sich mit den Denkgesetzen in Widerspruch gesetzt oder sonst von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Gebrauch gemacht hat (vgl. BayObLGZ 1997, 148/151 m.w.N.; BayObLG WuM 2003, 296). Eine Beweisaufnahme findet nach Erledigung nicht mehr statt (BayObLG NZM 2002, 623/624).

c) Die Wohngeldansprüche waren nicht fällig. Ihre Fälligkeit kann nicht auf die Organisationsbeschlüsse der Gemeinschaft vom 7.12.1995 gestützt werden. Denn diese sind als generelle Fälligkeitsregelung für alle zukünftigen Wirtschaftspläne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nichtig (BGH NJW 2003, 3550). Dafür fehlt der Eigentümerversammlung nämlich die Beschlusszuständigkeit (BGHZ 145, 158/168). Auch § 10 des Verwaltervertrags, der zugleich eine Fälligkeitsregelung im Sinn von § 28 Abs. 2 WEG beinhaltet (siehe KG FGPrax 2000, 221/222), ändert daran nichts, weil die Klausel nur Ansprüche aus dem für das jeweilige Kalenderjahr beschlossenen Wirtschaftsplan erfasst. Für das Jahr 2003 kann jedoch aus den dargelegten Gründen nicht auf den Wirtschaftsplan für das Jahr 2001 zurückgegriffen werden. Demgemäß haben auch die Mahnungen des Verwalters vom 19. und 29.4.2003 unabhängig von ihrem Zugang auf die Fälligkeit der Forderung keinen Einfluss.

4. Es entspricht danach billigem Ermessen, der Antragstellerin die Gerichtskosten des ersten und zweiten Rechtszugs aufzuerlegen (§ 47 Satz 1 WEG). Hingegen hat es für die außergerichtlichen Kosten beim Grundsatz des Wohnungseigentumsverfahrens zu bleiben, dass jeder Beteiligte diese selbst trägt (§ 47 Satz 2 WEG). Eine eindeutige Sach- und Rechtslage war jedenfalls bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2.10.2003 (BGH NJW 2003, 3550) nicht gegeben; die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung zu diesem Zeitpunkt war nicht offensichtlich.

5. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind nach billigem Ermessen gegeneinander aufzuheben. Denn jede Seite hat teilweise obsiegt bzw. ist teilweise unterlegen (vgl. § 97 Abs. 1 ZPO; § 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG und bemisst sich nach den geschätzten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens, jedoch ohne die Kosten der Zwangsvollstreckung. Diese sind nämlich nicht Kosten des zugrunde liegenden Rechtsstreits (Thomas/Putzo ZPO 26. Aufl. § 788 Rn. 2).

Ende der Entscheidung

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