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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 15.04.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 235/03
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 26
WEG § 28
WEG § 43
ZPO § 256
1. Wird ein Verwalter bei einem "Treffen der Käufer" von Wohnungseigentum formlos "bestellt", so besteht ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Nichtigkeit der Bestellung auch dann, wenn eine Verwaltertätigkeit nicht mehr ausgeführt wird.

2. Die Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses erfordert kein besonderes Rechtsschutzinteresse, kann jedoch rechtsmissbräuchlich sein. Ein Rechtsmissbrauch kann verneint werden, wenn ein Wohnungseigentümer dem Beschluss über die Jahresabrechnung trotz Bedenken gegen die Richtigkeit zugestimmt und nach der Eigentümerversammlung die Verwaltungsunterlagen nochmals überprüft hat.

3. Beschließen die Wohnungseigentümer die Ansammlung einer Instandhaltungsrücklage, so fehlt der Anfechtung dieses Beschlusses das Rechtsschutzbedürfnis, wenn es alleiniges Ziel des Antragstellers ist, dass die Ansammlung der Instandhaltungsrücklage für frühere Jahre nachgeholt wird.


Gründe:

I.

Die Antragsgegner zu 1 sind Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Für die Antragsteller, die die Wohnung vom Bauträger gekauft und bezogen haben, ist eine Eigentumsvormerkung eingetragen. Die Wohnanlage wird von der weiteren Beteiligten verwaltet.

Der Antragsgegner zu 2 übte früher die Verwaltertätigkeit aus. Anlässlich eines Zusammentreffens von Wohnungskäufern im Jahre 1998, an dem die Antragsteller nicht teilgenommen haben, wurde ein Verwaltungsbeirat gebildet und diesem die Auswahl eines Verwalters übertragen. Die Mitglieder des Verwaltungsbeirats bestellten den Antragsgegner zu 2 zum Verwalter.

Am 9.5.2001 fand eine Eigentümerversammlung statt. Dort wurden unter anderem folgende Beschlüsse gefasst:

Tagesordnungspunkt (TOP) 2: Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnung 2000 und Entlastung des Beirats für die Belegprüfung.

TOP 3: Entlastung der Hausverwaltung für die Erstellung der Abrechnung.

TOP 4: Beschluss über die Bildung einer Instandhaltungsrücklage. Dabei wurde beschlossen, dass die Bildung einer Instandhaltungsrücklage ab 1.1.2001 nachzuholen ist.

TOP 8: Wartungsvertrag für die Heizungsanlage. Es wurde beschlossen, dass die Hausverwaltung mit dem Abschluss eines Wartungsvertrags beauftragt wird.

Diese Beschlüsse wurden mit Zustimmung der Antragsteller gefasst.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht unter anderem beantragt, die vorgenannten Beschlüsse für ungültig zu erklären. Weiter haben sie beantragt, festzustellen, dass der Beschluss über die Bestimmung des neuen Verwalters durch den Verwaltungsbeirat nichtig ist. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.9.2002 diese und weitere Anträge abgewiesen.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht am 23.10.2003 die Kostenentscheidung und die Geschäftswertfestsetzung des Amtsgerichts aufgehoben. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen die Abweisung ihres Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit der Verwalterbestellung und ihrer Anträge auf Ungültigerklärung der Eigentümerbeschlüsse hat es zurückgewiesen (Nr. III). Nr. IV bis VI enthalten Entscheidungen zu Kosten und Geschäftswert.

Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsteller den Feststellungsantrag und die Beschlussanfechtungsanträge weiter. Außerdem wenden sie sich gegen die Kostenentscheidung und die Geschäftswertfestsetzung durch das Landgericht.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde hat teilweise Erfolg; die Geschäftswertbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, ausgeführt:

Die Antragsgegner zu 1 seien im Verfahren ordnungsmäßig vertreten gewesen.

Der Anfechtung der unter TOP 2 bis 4 gefassten Beschlüsse fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Die Anfechtung dieser Beschlüsse sei rechtsmissbräuchlich. Unrichtigkeiten der Abrechnung hätten die Antragsteller bereits zuvor gerügt und der Abrechnung und den Entlastungsbeschlüssen gleichwohl zugestimmt. Hinsichtlich der Instandhaltungsrücklage sei es das Anliegen der Antragsteller, eine rückwirkende Einzahlung in die Instandhaltungsrücklage von einem früheren Zeitpunkt ab zu erreichen. Dies könne aber nicht durch die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses geschehen. Zu TOP 8 sei der Antrag unbegründet, da der Beschluss ohnehin allenfalls die Genehmigung eines bereits abgeschlossenen Vertrages beinhalte.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

Die Antragsgegner zu 1 sind am Verfahren ordnungsgemäß beteiligt. Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie vom Verfahrensbevollmächtigten nicht unterrichtet worden wären. Soweit nicht bereits eine ausdrückliche Genehmigung der Verfahrensführung vorliegt, ist von einer stillschweigenden Genehmigung auszugehen.

a) Das Landgericht hat zu Unrecht ein Feststellungsinteresse (vgl. § 256 ZPO) für den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Verwalterbestellung des Antragsgegners zu 2 verneint. Dass zwischenzeitlich die weitere Beteiligte zur Verwalterin bestellt wurde, ist unerheblich, da sich aus der Nichtigkeit der Bestellung Rechtsfolgen für die Zeit der Tätigkeit des Antragsgegners zu 2 ergeben können. Die Situation ist insoweit anders gelagert als bei der Anfechtung eines Beschlusses über die Verwalterbestellung (vgl. hierzu BayObLG NJW-RR 1997, 715/717). Im vorliegenden Fall fand unstreitig gar keine Eigentümerversammlung statt, sondern nur "ein erstes Treffen der Käufer". Es fehlte auch an einer Beschlussfassung; vielmehr wurde lediglich die Notwendigkeit einer Wohnungsverwaltung angesprochen. Ob zum damaligen Zeitpunkt überhaupt schon eine (werdende) Wohnungseigentümergemeinschaft bestand, ist vom Landgericht nicht festgestellt. Der Antragsgegner zu 2 war bei diesem Treffen anwesend und kannte alle Umstände, die zu seiner "Bestellung" führten, und trägt sogar vor, dass er bei diesem Treffen zum Hausverwalter bestellt worden sei. Bei dieser Sachlage erscheint es nicht ausgeschlossen, dass dem Antragsgegner zu 2 möglicherweise kein Anspruch auf die übliche Verwaltervergütung aus Geschäftsführung ohne Auftrag zusteht. Der vom Bundesgerichtshof (NJW-RR 1989, 970) entschiedene Fall war insofern anders gelagert, als dort jedenfalls feststand, dass bereits eine zumindest werdende Wohnungseigentümergemeinschaft vorhanden war. Bestand aber im vorliegenden Fall für eine Verwaltung nach dem Wohnungseigentumsgesetz noch gar keine Möglichkeit, so kann eine solche Verwaltungstätigkeit auch nicht im Interesse der künftigen Wohnungseigentümer liegen. Vielmehr wäre die Verwaltungstätigkeit, soweit überhaupt schon erforderlich, noch vom Bauträger vorzunehmen gewesen. Bei dieser Sachlage erscheint es darüber hinaus zweifelhaft, ob für Rechtshandlungen des Verwalters für die Wohnungseigentümer von einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht ausgegangen werden kann. Allein der Umstand, dass in einer Aktennotiz über ein Käufertreffen festgehalten ist, die Notwendigkeit einer Wohnungsverwaltung sei angesprochen worden, schafft im Gegensatz zu einem - möglicherweise auch anfechtbaren - Beschluss noch keinen Rechtsschein. Inwieweit die Wohnungseigentümer die Vertretung durch den Antragsgegner zu 2 geduldet haben, ist nicht festgestellt. Es ist deshalb durchaus möglich, dass von der Wirksamkeit der Verwalterbestellung Rechte und Pflichten abhängen können.

Der somit zulässige Feststellungsantrag ist auch begründet. Ein Verwalter kann bereits vom Bauträger bei der Begründung von Sondereigentum oder durch Beschluss nach § 26 Abs. 1 Satz 1 WEG bestellt werden, jedoch nicht formlos auf einem Treffen der Käufer von Wohnungseigentum.

b) Im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanzen fehlt den Antragstellern nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung der Beschlüsse über die Jahresabrechnung und die Entlastungen (TOP 2 und 3). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2003, 3124) ist ein Rechtsschutzbedürfnis im Beschlussanfechtungsverfahren im Regelfall nicht zu prüfen. Dadurch wird es jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein Antrag auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses im Einzelfall wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig sein kann (Beschlüsse des Senats vom 27.11.2003 - 2Z BR 183/03 und vom 23.12.2003 - 2Z BR 195/03).

Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragsteller liegt jedoch nicht vor. Die Rechtsordnung lässt widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu (KG ZMR 2004, 261/265). Allein die Tatsache, dass die Antragsteller den Beschlüssen zugestimmt haben, schließt ihr Anfechtungsrecht nicht aus (BayObLG NJW-RR 1988, 1168). Besondere Umstände, die einen Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) begründen würden, sind nicht gegeben. Allein die Tatsache, dass die Antragsteller bereits vor der Eigentümerversammlung die Richtigkeit der Abrechnung beanstandet haben, kann einen Rechtsmissbrauch nicht begründen. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Antragsteller in der Eigentümerversammlung ihre Bedenken nicht im Einzelnen darlegen wollten. Hierzu sind sie auch nicht verpflichtet. Hinzu kommt, dass einer der Antragsteller nach seinem unwidersprochenen Vortrag erst in der Zeit vom 10. bis 14.5.2001, also nach der Eigentümerversammlung, die Unterlagen eingesehen hat. Die Antragsteller haben also nach der Eigentümerversammlung und vor der Stellung des Antrags auf Ungültigerklärung des Beschlusses ihre Bedenken nochmals überprüft und hierzu die Unterlagen eingesehen. Dass sie sich danach zu einer Beschlussanfechtung entschlossen haben, kann ihnen nicht als Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden.

Ob der somit zulässige Anfechtungsantrag begründet ist, kann ohne weitere tatsächliche Feststellungen nicht entschieden werden, so dass eine Zurückverweisung an das Landgericht erforderlich ist. Dabei weist der Senat darauf hin, dass in die Jahresabrechnung die tatsächlich getätigten Einnahmen und Ausgaben einzustellen sind, unabhängig davon, ob die Ausgaben zu Recht oder zu Unrecht getätigt wurden (vgl. Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 28 Rn. 42 m.w.N.). Die Antragsteller rügen jedoch auch mangelnde Nachvollziehbarkeit und die Anwendung eines teilweise nicht zutreffenden Verteilungsschlüssels. Inwieweit diese Einwendungen berechtigt sind, bedarf noch der Aufklärung.

Die Richtigkeit der Abrechnung ist für die Frage der Ungültigerklärung der Entlastungsbeschlüsse vorgreiflich, da sich die Entlastung von Verwaltungsbeirat und Verwalter gerade auf diese Abrechnung bezog.

c) Für den Beschluss zu TOP 4 (Instandhaltungsrücklage) hat das Landgericht das Rechtsschutzbedürfnis im Ergebnis zutreffend verneint. Ziel der Antragsteller ist es, auch für zurückliegende Jahre die Bildung einer Instandhaltungsrücklage zu erreichen. Dieses Ziel können sie mit der Ungültigerklärung des angegriffenen Beschlusses nicht erreichen. Eine Ungültigerklärung des Beschlusses würde gerade das Gegenteil bewirken, nämlich, dass eine Regelung über die Bildung einer Instandhaltungsrücklage überhaupt nicht vorliegt. Hieran haben die Antragsteller kein Interesse. Inhalt des positiven Beschlusses ist nicht zugleich, für die vorangegangenen Jahre keine Rücklage zu bilden.

d) Der Beschluss zu TOP 8 (Wartungsvertrag) ist für ungültig zu erklären, da er nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Ein Wartungsvertrag bestand bereits. Die Beauftragung der Verwaltung mit dem Abschluss eines neuen Wartungsvertrags war deshalb überflüssig. Der Beschluss kann auch nicht dahin ausgelegt werden, dass er die Genehmigung eines bereits abgeschlossenen Vertrages enthält. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BayObLG WE 1991, 50) sind Eigentümerbeschlüsse aus sich hieraus objektiv und normativ auszulegen. Der Beschluss kann von seinem Wortlaut her nicht als Genehmigung ausgelegt werden, da er auf ein zukünftiges Handeln der Verwalterin gerichtet ist. Außerdem würde die Genehmigung das Bewusstsein von der Unwirksamkeit eines früheren Rechtsgeschäfts voraussetzen. Dafür, dass die Wohnungseigentümer von dem früheren Wartungsvertrag Kenntnis hatten, gibt es keine Anhaltspunkte.

3. Das Landgericht wird erneut über die Kosten des Verfahrens und auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden habe.

4. Die Geschäftswertfestsetzung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG, wobei der Senat für die noch verfahrensgegenständlichen Punkte der Wertfestsetzung durch das Landgericht folgt.

5. Die Geschäftswertbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abänderung der Geschäftswertfestsetzung des Amtsgerichts richtet, da das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat (§ 31 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO). Von der Möglichkeit des § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO ist kein Gebrauch zu machen, da die Festsetzung durch das Landgericht im Ergebnis zutreffend ist.

Soweit sich die Geschäftswertbeschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren vor dem Landgericht richtet, ist sie zulässig aber nicht begründet.

Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG ist der Geschäftswert nach dem Interesse der Beteiligten festzusetzen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es zwar bedenklich, dass das Landgericht hinsichtlich der Feststellung der Beschlussfähigkeit auf den Mindestgebührenwert für Anwaltsgebühren abgestellt hat. Ebenso wenig kann, wie die Rechtsbeschwerde meint, auf einen Geschäftswert nach dem Gerichtskostengesetz abgestellt werden. Im Ergebnis ist jedoch das Interesse der Beteiligten mit 300 EURO angemessen bewertet. Warum hinsichtlich der Übertragung der Verwalterbestellung auf den Verwaltungsbeirat nur von einem Jahresbetrag der Verwaltervergütung auszugehen sein soll, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar.



Ende der Entscheidung

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