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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.03.2005
Aktenzeichen: 2Z BR 239/04
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 15 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.
Dem Antragsteller gehören die Teileigentumseinheiten Nr. 63 und Nr. 64. Er hat die ihm gehörenden Räume verpachtet. Der Pächter betreibt darin ein Restaurant. Auf der Gehwegfläche vor dem Restaurant stellt er, wenn es die Jahreszeit erlaubt, Tische und Stühle auf und bewirtet dort seine Gäste.
In der Gemeinschaftsordnung ist bestimmt, dass "die Ladeneinheiten ... uneingeschränkt gewerblich genutzt werden können". Nach der Teilungserklärung hat der Antragsteller ein Sondernutzungsrecht an den "vor den Läden ... befindlichen Gehwegflächen zum Aufstellen von Verkaufseinrichtungen bzw. Hinweis- und Reklameschildern, soweit dadurch der Fußgängerverkehr nicht erheblich beeinträchtigt wird."
Die Wohnungseigentümer beschlossen am 29.7.2003, dass dem Antragsteller untersagt wird, die Vorflächen zur Aufstellung von Tischen und Stühlen zu nutzen.
Der Antragsteller hat beantragt, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 2.4.2004 den Eigentümerbeschluss insoweit für ungültig erklärt als es dem Antragsteller untersagt worden ist, die vom Gebäude aus gesehen vordere Hälfte der Vorfläche zur Aufstellung von Tischen und Stühlen zu nutzen. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 6.12.2004 auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner den Beschluss des Amtsgerichts insoweit aufgehoben, als der Eigentümerbeschluss zum Teil für ungültig erklärt worden ist. Den Antrag des Antragstellers auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses hat es insgesamt abgewiesen. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers hat es zurückgewiesen. Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.
II.
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der angefochtene Eigentümerbeschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung.
Nach der Gemeinschaftsordnung sei es zulässig, in dem Teileigentum ein Restaurant zu betreiben. Auch sei dem Antragsteller wirksam ein Sondernutzungsrecht an den gesamten vor dem Restaurant befindlichen Gehwegflächen eingeräumt worden.
Der Begriff "Verkaufseinrichtungen" umfasse nicht auch das Aufstellen von Tischen und Stühlen. Eine Verkaufseinrichtung bringe typischerweise nur ein kurzfristiges Verweilen mit sich. Werde jemand demgegenüber an einem Tisch mit Speisen und Getränken bewirtet, bewirke dies ein längerfristiges Verweilen. Von der Intensität der Nutzung und Beeinträchtigung her gesehen seien somit eine Verkaufseinrichtung und das Aufstellen von Tischen und Stühlen nicht vergleichbar. Gerade im Hinblick auf den Fußgängerverkehr störe das Aufstellen von Tischen und Stühlen typischerweise erheblich mehr als eine bloße Verkaufseinrichtung wie z.B. einer Eistheke.
Der Unterlassungsanspruch sei auch nicht verwirkt. Jedenfalls fehle es am Umstandsmoment. Die Wohnungseigentümer hätten gegenüber dem Antragsteller keinen dahingehenden Vertrauenstatbestand geschaffen, dass sie das Aufstellen von Tischen und Stühlen auf der Vorfläche auch für die Zukunft dulden würden. Von Beginn an habe es immer wieder Streit um die Zulässigkeit der Nutzung gegeben. Der Antragsteller habe auch nicht vorgetragen, dass in früheren Eigentümerversammlungen Beschlüsse über die Tolerierung der tatsächlichen Nutzung gefasst oder entsprechende Diskussionen geführt worden seien. Unerheblich sei, wie sich der Verwalter zu der tatsächlichen Nutzung geäußert habe; die Wohnungseigentümer müssten sich nämlich dessen Handlungen nicht zurechnen lassen. Gegen die Annahme einer Verwirkung spreche insbesondere auch, dass sich der Voreigentümer und auch der jetzige Antragsteller immer wieder darauf berufen hätten, eine schriftliche Genehmigung für das Aufstellen von Tischen und Stühlen zu besitzen. Dies sei nicht richtig gewesen; beide hätten nämlich nur die Regelungen in der Teilungserklärung gemeint, die das Aufstellen von Tischen und Stühlen gerade nicht gestatte.
Der Antragsteller könne sich auch nicht darauf berufen, dass ohne das Aufstellen von Tischen und Stühlen das Betreiben eines Restaurants nicht möglich sei. Es sei allgemein bekannt, dass eine Vielzahl von Restaurants ohne solche Außenplätze betrieben werde. Abgesehen davon bleibe es dem Antragsteller oder dessen Pächter unbenommen, mit den Wohnungseigentümern eine vertragliche Regelung über eine entgeltliche Nutzung der Vorfläche herbeizuführen. Die Antragsgegner hätten deutlich gemacht, dass sie zu einer solchen Regelung bereit wären.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass das "Aufstellen von Verkaufseinrichtungen" nicht auch das Aufstellen von Tischen und Stühlen zum Bewirten von Gästen eines Restaurants umfasst.
(1) Verkaufen bedeutet, eine Ware gegen Bezahlung an jemanden abgeben. Unter einer Einrichtung versteht man die Ausstattung, das Inventar oder die Möbel, die zu räumlichen Einheiten gehören. Eine Verkaufseinrichtung ist somit eine Ausstattung, die dem Verkauf von Waren dient.
Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch liegt kein Verkaufsvorgang vor, wenn in einem Speiserestaurant am Tisch Waren oder Getränke zu sich genommen werden. Auch in rechtlicher Hinsicht verkauft der Wirt nicht Waren gemäß § 433 BGB; zwischen Wirt und Gast kommt vielmehr ein Vertrag nach § 651 BGB zustande.
Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise verfügt ein Speiserestaurant somit in der Regel nicht über "Verkaufseinrichtungen".
(2) Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass das Aufstellen von Tischen und Stühlen vor dem Restaurant mehr stört als eine auf den Gehwegflächen aufgestellte Verkaufseinrichtung wie z.B. eine Eistheke. Ob eine größere Beeinträchtigung vorliegt, obliegt in erster Linie der Beurteilung des Tatrichters; die Entscheidung des Landgerichts enthält keine Rechtsfehler.
(3) Das Landgericht kommt ferner zu dem Ergebnis, dass offensichtlich ein Restaurant auch dann betrieben werde könne, wenn keine Möglichkeit besteht, Tische und Stühle zum Bewirten der Gäste im Freien aufzustellen. Dieses Ergebnis ist nicht zu beanstanden.
b) Verwirkung liegt nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Der Gesichtspunkt der Verwirkung ist auf Ausnahmefälle zu beschränken. Er kann nur dann durchgreifen, wenn über das bloße Verstreichenlassen von Zeit hinaus Umstände vorliegen, die den Schluss darauf zulassen, der Gläubiger wolle keine Ansprüche mehr geltend machen (BGH NJW 1984, 1684 f.). Solche Umstände hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint. Entgegen der Auffassung des Antragstellers reicht es für Verwirkung nicht aus, dass ein Schuldner sich darauf eingerichtet hat, der Gläubiger werde keine Ansprüche mehr geltend machen, und er entsprechende Vermögensdispositionen getroffen hat; entscheidend ist vielmehr, dass sich der Antragsteller nach den für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen des Landgerichts hier eben nicht darauf einstellen durfte, es würden keine Ansprüche mehr geltend gemacht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.
Ende der Entscheidung
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