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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.04.2005
Aktenzeichen: 2Z BR 240/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 3
Der von einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemachte Individualanspruch auf Unterlassung von teilungserklärungswidrigen Nutzungen von Räumen bedarf nicht der Ermächtigung durch die übrigen Wohnungseigentümer.
Gründe:

I.

Die Antragsteller, die Antragsgegnerin und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die aus 26 Ferienwohnungen (Ferienappartements) und einem Restaurant besteht. Der Antragsgegnerin gehört u.a. das Sondereigentum an der Ferienwohnung Nr. 25. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, dieses Sondereigentum zukünftig als Seminarraum zu nutzen.

Die Teilungserklärung vom 12.12.1984 bestimmt hinsichtlich der Nutzung folgendes:

Die Gesamtanlage dient entsprechend ihrer Zweckbestimmung vornehmlich der gewerblichen Nutzung durch den Fremdenverkehr, wobei die Wohnungseigentümer die Ferienwohnungen im Rahmen ihrer privaten Vermögensverwaltung zur zweckgebundenen, touristischen Nutzung zur Verfügung stellen. ...

Nach der Gemeinschaftsordnung ist zur Rechtswirksamkeit eines Beschlusses über eine Änderung oder Aufhebung der Vereinbarungen zum Umfang der Nutzung und zur Übertragung des Wohnungseigentums außer der Einstimmigkeit auch die Zustimmung des Verwalters sowie der Gemeinde A. erforderlich.

Die Antragsteller haben beantragt, der Antragsgegnerin unter Androhung von Zwangsmitteln zu untersagen, die Wohneinheit Nr. 25 statt als Wohnung als Seminar- bzw. Veranstaltungsraum zu nutzen. Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 10.10.2003 stattgegeben. Das Landgericht hat auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 29.12.2003 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Mit Beschluss vom 2.6.2004 (2Z BR 029/04 = OLG-Report 2004, 390 - Leitsatz -) hat das Bayerische Oberste Landesgericht den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch für die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Das Landgericht hat am 7.12.2004 die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen. Über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat es keine Entscheidung getroffen. Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Unterlassungsanspruch sei begründet. Nach der Teilungserklärung solle sich die Nutzung der 26 Appartements durch Bewohnen und nicht durch anderweitige Nutzungsformen verwirklichen. Die Nutzung eines Appartements als Seminar- und Veranstaltungsraum sei somit von der Teilungserklärung nicht gedeckt.

Die Nutzung des Appartements der Antragsgegnerin als Seminar- oder Veranstaltungsraum sei mit erheblich größeren Störungen der sonstigen Eigentümer verbunden, als die laut Teilungserklärung vorgesehene Nutzung als Ferienwohnung. Dies ergebe sich zum einen aus den baulichen Besonderheiten der Anlage. Die Eingangstür zum Appartement Nr. 25 liege nämlich im rechten Winkel unmittelbar neben der Eingangstür zum Appartement Nr. 26; die Klingelanlagen zu beiden Appartements seien so angebracht, dass jedenfalls ortsunkundige Besucher bei nur flüchtigem Hinsehen zu der Überzeugung gelangen könnten, die Klingel zum Appartement Nr. 26 sei die Klingel zum Appartement Nr. 25. Es sei nicht auszuschließen, dass Seminarbesucher statt beim Appartement Nr. 25 beim Appartement Nr. 26 läuteten und so die Bewohner dieses Appartements empfindlich störten. Solche Verwechslungen seien in der Vergangenheit auch wiederholt vorgekommen.

Abgesehen davon sei mit einer Nutzung als Seminar- und Veranstaltungsraum eine deutlich erhöhte Geräuschentwicklung gegenüber der Nutzung als Ferienwohnung verbunden. Eine kurzzeitige Unterhaltung oder Bewegung innerhalb des Appartements Nr. 25 sei in den Nachbarappartements deutlich vernehmbar, wie die Kammer beim Augenschein festgestellt habe. Erst recht sei es in den Nachbarappartements zu hören, wenn im Appartement Nr. 25 Unterhaltungen zwischen ca. 20 Personen stattfänden und sich Seminarteilnehmer im Raum bewegten. Das erhöhte Besucheraufkommen führe auch in den Gängen zu einer größeren Störung der übrigen Wohnungseigentümer.

Der Unterlassungsanspruch sei auch nicht verwirkt. Die Antragsgegnerin habe bei der Einnahme des Augenscheins selbst erklärt, dass sie das Appartement Nr. 25 noch nie als Seminar- und Veranstaltungsraum genutzt habe; sie wisse nämlich, dass sie dafür einen Eigentümerbeschluss benötige.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG begründet ist.

Auf die Senatsentscheidung vom 2.6.2004 und auf die ausführliche Begründung des Landgerichts, die einen Rechtsfehler nicht erkennen lässt, wird Bezug genommen. Zur Rechtsbeschwerdebegründung ist folgendes zu bemerken:

a) Der von einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemachte Individualanspruch auf Unterlassung kann ohne Ermächtigung durch die übrigen Wohnungseigentümer geltend gemacht werden (BayObLGZ 2004, 1/4; BayObLG NJW-RR 2004, 1160; Palandt/Bassenge BGB 64. Aufl. § 15 WEG Rn. 22). Der Einwand der Antragsgegnerin, es fehle an einem Eigentümerbeschluss zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs, liegt deshalb ebenso neben der Sache wie die Beanstandung, es hätten nicht sämtliche Mitglieder des Verwaltungsbeirats dem Verfahren zugestimmt.

b) Der Eigentümerbeschluss vom 27.4.2003, auf Grund dessen zur Nutzung des Appartements Nr. 25 als Büro- und Seminarraum ein notarieller Vertragsentwurf über den Gemeinderatsbeschluss vom 15.2.2001 angefertigt und die Beurkundung vorbehaltlich der Zustimmung der Wohnungseigentümer vorgenommen werden soll, steht dem Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Eine Zustimmung der Wohnungseigentümer zu einem solchen Vertrag liegt eben bislang nicht vor. Im Hinblick darauf ist auch nicht ersichtlich, weshalb der Antrag der Antragsteller treuwidrig sein soll.

c) Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Nutzung des Appartements der Antragsgegnerin als Seminar- oder Veranstaltungsraum mehr stört als eine Nutzung als Ferienwohnung. Die dem zugrunde liegenden Feststellungen des Landgerichts sind rechtsfehlerfrei getroffen; sie sind für das Rechtsbeschwerdegericht bindend (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 Abs. 2 ZPO). Die festgestellte größere Beeinträchtigung durch eine Nutzung der Wohnung als Seminar- oder Veranstaltungsraum entfällt nicht deshalb, weil die Wohnungseigentümer ihre Appartements nur während 8 Wochen im Jahr selbst nutzen dürfen. Unerheblich ist nämlich, ob durch eine solche Nutzung Wohnungseigentümer oder deren Gäste beeinträchtigt werden. Abgesehen davon kann eine Beeinträchtigung auch dann nicht in Abrede gestellt werden, wenn sie nur für die Dauer von 8 Wochen im Jahr eintritt. Ohne Bedeutung ist auch, ob die Nutzung der Wohnung als Seminar- oder Veranstaltungsraum in erster Linie für die Nebensaison geplant ist. Die Antragsgegnerin nimmt nämlich für sich in Anspruch, die Wohnung uneingeschränkt als Seminar- oder Veranstaltungsraum nutzen zu können.

d) Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen wird (Palandt /Heinrichs § 242 Rn. 87 m.w.N.).

Die Antragsgegnerin weist zwar in der Rechtsbeschwerdebegründung auf gewichtige Umstände hin, die für eine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs beim Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin sprechen könnten. Hier liegt aber die Besonderheit vor, dass der Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin sich nicht auf eine Dauernutzung einrichten durfte, weil für eine Nutzung als Seminar- oder Veranstaltungsraum die Zustimmung der Gemeinde fehlte, die auf Grund einer entsprechenden Vereinbarung mit den Wohnungseigentümern erforderlich war. Eine solche Genehmigung ist erst am 15.5.2001 erteilt worden.

Abgesehen davon ist bei einer Gesamtbeurteilung der Interessenlage zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin sich ihrerseits nicht auf eine etwa ihrem Rechtsvorgänger gegenüber vorgenommene Duldung bei der Nutzung ihres Appartements als Seminarraum berufen hat. Die Antragsgegnerin hat nämlich beim Landgericht erklärt, sie habe während der Dauer ihres Eigentums noch keinerlei Seminare in dem Appartement abgehalten, da ihr immer bewusst gewesen sei, hierfür einen Eigentümerbeschluss zu benötigen. Auch hat sie keinerlei Vermögensdispositionen im Hinblick darauf getroffen, dass der Unterlassungsanspruch ihrem Rechtsvorgänger gegenüber möglicherweise verwirkt worden ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Die vom Landgericht unterlassene Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtsbeschwerdeverfahrens kann der Senat nachholen. Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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