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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.03.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 241/03
Rechtsgebiete: WEG
Vorschriften:
WEG § 5 Abs. 2 | |
WEG § 21 Abs. 4 | |
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2 |
Gründe:
I.
Der Antragsteller und der Antragsgegner sind die beiden Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Diese besteht aus zwei freistehenden Einfamilienhäusern auf einem größeren Grundstück. Mit dem Sondereigentum des Antragstellers sind 36/100 Miteigentumsanteile und mit dem des Antragsgegners 64/100 Miteigentumsanteile verbunden. Das Stimmrecht bemisst sich nach der Größe der Miteigentumsanteile.
Nach § 4 der Gemeinschaftsordnung (GO) hat der Eigentümer des jeweiligen Sondereigentums das alleinige Nutzungsrecht an denjenigen Teilen, Anlagen und Einrichtungen der zu seinem Wohnungseigentum gehörenden Gebäude, die nicht Gegenstand des Sondereigentums sind. Er hat sie allein zu unterhalten und die damit verbundenen Kosten zu tragen. § 7 GO bestimmt, dass jeder Wohnungseigentümer verpflichtet ist, die seiner alleinigen Nutzung unterliegenden Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes und des Grundstücks ordnungsgemäß instand zu halten und instand zu setzen.
Der Antragsteller hat seine Wohnung vermietet. Der Antragsgegner war im Jahr 2001 Verwalter der Anlage.
Am 17.7.2001 fassten die Wohnungseigentümer zum Anstrich der Fenster und Fensterläden im von den Mietern des Antragstellers bewohnten Gebäude unter Tagesordnungspunkt (TOP) 8 gegen die Stimmen des Antragstellers und mit den Stimmen des Antragsgegners folgenden Beschluss:
(Der Antragsteller) wird ... verpflichtet, alle Fenster und Fensterläden nach entsprechender Vorbehandlung neu anstreichen zu lassen. Er hat vor Inangriffnahme dieser Arbeiten alle Fenster und Fensterläden daraufhin zu untersuchen, ob das Holz noch sanierungsfähig ist oder nicht. Gegebenenfalls hat er je nach Beanspruchung des Holzes Fenster und/oder Fensterläden auch auszutauschen.
(Der Antragsteller) ist verpflichtet, die zu diesem TOP beschlossenen Arbeiten bis spätestens 31.05.2002 fertig zu stellen.
Der Antragsteller hat beantragt, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 9.4.2003 stattgegeben, das Landgericht die sofortige Beschwerde des Antragsgegners am 29.10.2003 zurückgewiesen. Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.
II.
Das zulässige Rechtsmittel ist erfolgreich.
1. Das Landgericht hat, teils unter Bezugnahme auf den Beschluss des Amtsgerichts, ausgeführt:
Fenster und Fensterläden seien in einem witterungsbedingt angegriffenen Zustand. Sie müssten in einem Zeitraum von zehn Jahren erneuert werden, Anstreichen allein bringe nichts mehr. Für ein sofortiges Handeln bestehe jedoch keine Notwendigkeit, so dass es die Eigentümergemeinschaft auch nicht vom Antragsteller verlangen könne.
Aus § 4 und § 7 GO gehe hervor, dass eine weitgehende Verselbständigung der einzelnen Wohneinheiten mit jeweils selbständiger Entscheidungsbefugnis ihrer Eigentümer über Instandhaltung und Pflege habe geschaffen werden sollen. Es obliege deshalb allein dem Antragsteller zu entscheiden, ob er die Fenster nur anstreichen oder das Holz auf Schädlinge untersuchen lassen wolle. Ein Mitbestimmungsrecht sei nur dann zu bejahen, wenn die unterlassenen Arbeiten sich nachhaltig auf den Miteigentumsanteil des anderen Wohnungseigentümers auswirken. Ein Reparaturstau allein genüge dafür nicht. Ein Schädlingsbefall sei weder beim Augenschein noch vom Sachverständigen, der die Fenster begutachtet habe, festgestellt worden.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschlussanfechtung nach § 23 Abs. 4 WEG ist insoweit bereits im ersten Rechtszug entfallen, als die für die Fertigstellung der auferlegten Arbeiten gesetzte Frist schon vor der amtsgerichtlichen Entscheidung abgelaufen war. Das hat zur Folge, dass hinsichtlich der Fristsetzung bereits das Amtsgericht den Antrag als unzulässig hätte abweisen müssen (vgl. Demharter ZMR 1987, 201/202; Jennissen NZM 2002, 594/597).
Auch ohne die Fristsetzung ordnet der Beschluss gemäß seinem Inhalt jedoch nach Art einer Grundlagenentscheidung fortdauernd und unabhängig vom Fristablauf an, die Fenster und Fensterläden auszutauschen oder neu zu streichen. Insoweit besteht ein Rechtsschutzbedürfnis an der gerichtlichen Überprüfung des Beschlusses fort.
b) Die Entscheidung des Landgerichts kann auch im Übrigen nicht aufrecht erhalten werden, weil sie von Rechtsfehlern beeinflusst ist.
(1) Die Fenster und Fensterläden sind Teil des Gemeinschaftseigentums nach § 5 Abs. 2 WEG (BayObLG WuM 1991, 440; BayObLG Beschluss vom 4.9.2003 2Z BR 145/03; Niedenführ/Schulze WEG 6. Aufl. § 5 Rn. 17). Sie befinden sich im bzw. am Gebäude, das zum Sondernutzungsbereich des Antragstellers gehört. Nach § 4 und § 7 GO ist deshalb nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern der Antragsteller allein verpflichtet, auf seine Kosten Läden und Fenster instand zu halten und instand zu setzen. Die Entscheidungskompetenz, ob, wann und wie solche Maßnahmen durchzuführen sind, liegt zunächst grundsätzlich beim Antragsteller.
(2) Mit dem Wesen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Inhalt der Gemeinschaftsordnung ist allerdings nicht die Auffassung des Landgerichts zu vereinbaren, ein Mitwirkungsrecht des anderen Wohnungseigentümers ergebe sich allenfalls erst dann, wenn das Unterlassen notwendiger Instandsetzungen diesen erheblich beeinträchtige und nachteilige Auswirkungen auf dessen Miteigentumsanteil habe. Unabhängig von einer Gefährdung der Bausubstanz verlangt § 7 GO eine ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung. Damit ist das gleiche gemeint wie eine ordnungsmäßige Verwaltung (Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 21 Rn. 127). Darunter fallen alle Maßnahmen, die im Interesse der Wohnungseigentümer auf die Erhaltung, Verbesserung oder dem der Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechenden Gebrauch gerichtet sind (BayObLGZ 1975, 201/203). Im Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer liegt die Maßnahme, wenn sie bei objektiv vernünftiger Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles nützlich ist. Dies ist der Fall, wenn sich die Maßnahme bei einer an den konkreten Bedürfnissen und Möglichkeiten ausgerichteten Kosten-Nutzen-Analyse und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft im Einzelfall als vertretbar erweist (Merle in Bärmann/Pick/Merle § 21 Rn. 64).
(3) Der Senat kann über die Ordnungsmäßigkeit des Eigentümerbeschlusses selbst entscheiden, weil die dazu erforderlichen Feststellungen dem unstreitigen Akteninhalt zu entnehmen sind.
Nach dem Ergebnis des amtsgerichtlichen Augenscheins sind Fenster wie Fensterläden in einem renovierungsbedürftigen Zustand, sei es dass ein Austausch erforderlich ist, sei es dass ein Neuanstrich genügt. Dies stellt auch das erholte Sachverständigengutachten nicht in Frage, das sich nur dazu äußert, ob die Fenster und die Läden überhaupt noch renovierungsfähig sind oder bereits ausgetauscht werden müssen. Auf der Grundlage dieser auch von den Beteiligten nicht angegriffenen Feststellungen rechtfertigt sich der Schluss, dass ein Neuanstrich, gegebenenfalls auf Grund des Alters und Erhaltungszustands von Fenstern und Fensterläden auch bereits ein Austausch, ordnungsmäßiger Verwaltung gemäß § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG entspricht. Der Eigentümerbeschluss ist deshalb inhaltlich nicht zu beanstanden. Nach seinem objektiven Inhalt braucht auch nicht festgestellt zu werden, welche der zu sanierenden Teile neu gestrichen und welche ausgewechselt werden müssen. Dies hat der Antragsteller auf Grund eigener Untersuchungsmaßnahmen festzulegen. Der Eigentümerbeschluss berücksichtigt insoweit auch den durch die Gemeinschaftsordnung in § 4 und § 7 festgeschriebenen Verantwortungsbereich des Antragstellers. Ob dieser sich für die Entscheidung zu einem Austausch oder einem Neuanstrich des im gerichtlichen Verfahren erholten Gutachtens bedient, ist ebenfalls seine Sache.
3. Nach § 47 WEG entspricht es der Billigkeit, dass der unterlegene Antragsteller die Gerichtskosten vollständig trägt. Dagegen ist die Anordnung einer außergerichtlichen Kostenerstattung angesichts der abweichenden Instanzentscheidungen nicht gerechtfertigt.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Maßgeblich ist das Interesse aller Beteiligten an der Renovierung von mehr als 17 Fenstern sowie der dazugehörigen Läden. Die Kosten hierfür liegen jedenfalls deutlich über dem Wertansatz der Vorinstanzen. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO Gebrauch.
Ende der Entscheidung
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