Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 18.03.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 249/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 16 Abs. 2
WEG § 21 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
WEG § 22 Abs. 1
WEG § 23 Abs. 4
1. Der durch Eigentümerbeschluss vorgesehene dauerhafte deutliche Rückschnitt einer Hecke kann im Einzelfall, etwa dann, wenn die Hecke erkennbar Sichtschutzfunktion hat, eine bauliche Veränderung darstellen. Dies aufzuklären ist Sache des Tatrichters.

2. Heckenrückschnitt als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung.

3. Die Verpflichtung eines Wohnungseigentümers zur anteiligen Zahlung einer Sonderumlage setzt die betragsmäßige Festlegung sowohl der Sonderumlage insgesamt als auch des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Anteils voraus.


Gründe:

I.

Der Antragsteller und der Antragsgegner sind die beiden Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Diese besteht aus zwei freistehenden Einfamilienhäusern auf einem größeren Grundstück. Mit dem Sondereigentum des Antragstellers sind 36/100 Miteigentumsanteile und mit dem des Antragsgegners 64/100 Miteigentumsanteile verbunden. Das Stimmrecht bemisst sich nach der Größe der Miteigentumsanteile. Der Antragsteller hat seine Wohnung vermietet. Der Antragsgegner war im Jahr 2001 zugleich Verwalter der Anlage.

Am 17.7.2001 wurde zu Tagesordnungspunkt (TOP) 7 mit den Stimmen des Antragsgegners gegen die des Antragstellers beschlossen:

Die Hecke zwischen den beiden Gartensondernutzungsflächen ist auf eine Höhe von höchstens 80 cm zurückzuschneiden. Sie ist auf Dauer jeweils in dieser Höhe zu belassen. Der Verwalter wird beauftragt und bevollmächtigt, den Rückschnitt und den jeweils erforderlichen Nachschnitt namens aller Wohnungseigentümer auf Kosten der Gemeinschaft in Auftrag zu geben ...

Auch diese Maßnahme (Rückschnitt) wird durch Sonderumlage finanziert. Der Verwalter ist befugt, diese bei Bedarf von den Wohnungseigentümern anzufordern. Die Kosten werden laut notariellem Kaufvertrag von beiden Eigentümern zu gleichen Teilen getragen.

Der Antragsteller hat beantragt, die in der Versammlung vom 17.7.2001 gefassten Eigentümerbeschlüsse für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat das Verfahren abgetrennt, soweit es den Beschluss zu TOP 7 betrifft. Es hat am 27.9.2002 den Antrag abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht mit Beschluss vom 29.10.2003 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und dem Antrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat teilweise Erfolg; insoweit führt es zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Landgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Beschluss widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Antragsgegner setze sich mit dem Beschluss, der seine Forderung auf einen Heckenrückschnitt durchsetzen solle, in rechtsmissbräuchlicher Weise in Widerspruch zu einem früheren Schreiben vom 8.12.1992, in dem er von den Rechtsvorgängern des Antragstellers eine Heckenhöhe von maximal 2 m verlangt habe.

Abgesehen davon sei der Beschluss schon deshalb unwirksam, weil er verlange, dass die Hecke "auf Dauer" auf der Höhe von 80 cm zu belassen sei. Das sei bei einer lebenden Hecke nicht möglich; allenfalls lasse sich ein Rückschnitt auf 80 cm in bestimmten längeren Zeitabschnitten festlegen. Eine Teilunwirksamkeit komme nicht in Betracht; vielmehr sei die ganze Regelung ungültig.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

a) Der Antrag auf Ungültigerklärung des maßgeblichen Eigentümerbeschlusses ist fristgerecht nach § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG gestellt worden. In ihm ist hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Beschlüsse der Eigentümerversammlung angefochten würden. Unerheblich ist, dass der Antragsteller in diesem Zusammenhang keine nähere Begründung für die Anfechtung gerade dieses Beschlusses gegeben hat. Ergänzend verweist der Senat noch auf seinen den Beteiligten bekannten Beschluss vom 4.3.2003 (2Z BR 244/03 unter II 2 a).

b) Im Ergebnis zu Recht für ungültig erklärt hat das Landgericht den Beschluss, soweit er die Finanzierung der Maßnahme durch eine Sonderumlage regelt. Der Beschluss enthält zwar einen Verteilungsschlüssel für die Umlage, nicht jedoch deren Höhe. Danach hätte es der Verwalter, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung also der Antragsgegner, in der Hand, die Höhe der Sonderumlage festzulegen, die der Antragsteller zu erbringen hätte. Die Verpflichtung eines Wohnungseigentümers zur anteiligen Zahlung einer Sonderumlage gemäß § 16 Abs. 2 WEG hat aber zur Voraussetzung, dass die Zahlungsverpflichtung betragsmäßig bestimmt ist. Die Höhe der Sonderumlage ist entsprechend dem geschätzten Bedarf festzulegen und nach dem maßgeblichen Verteilungsschlüssel auf die einzelnen Wohnungseigentümer umzulegen. Grundsätzlich muss sich aus dem Eigentümerbeschluss der auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallende Anteil betragsmäßig ergeben (BayObLG NZM 1998, 337; 1999, 1154 f.; siehe auch Beschluss des Senats vom 4.3.2004 2Z BR 247/03 unter II 2 b). Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Eigentümerbeschluss nicht.

c) Im Übrigen hat die landgerichtliche Entscheidung keinen Bestand.

(1) Eine die Wohnungseigentümer bindende Vereinbarung nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG, auf welche Höhe und in welcher Weise die Hecke zuzuschneiden ist, hat das Landgericht nicht festgestellt. Eine Vereinbarung lässt sich insbesondere nicht bereits einem schriftlichen Vorschlag des Antragsgegners aus dem Jahr 1992 entnehmen, nach dem die Voreigentümer des Antragstellers den Heckenschnitt an der östlichen Seite und in der Höhe von maximal 2 m, der Antragsgegner hingegen den He-ckenschnitt an der westlichen Seite auf ihre Kosten vornehmen lassen sollten. Dieser Vorschlag fand ersichtlich keine Billigung seitens der Rechtsvorgänger des Antragstellers.

(2) Das Landgericht hat aus dem damaligen Vorschlag des Antragsgegners die Rechtsmissbräuchlichkeit (§ 242 BGB) der nun durch ihn bewirkten Beschlussfassung hergeleitet. Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern. An einem einmal geäußerten Vorschlag muss man nicht festhalten, insbesondere dann nicht, wenn die Gegenseite darauf nicht eingegangen ist. Widersprüchliches Verhalten ist erst missbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. § 242 Rn. 55 m.w.N.). Insbesondere ist es treuwidrig, die Änderung eines Zustands zu verlangen, auf dessen Fortbestand der andere Teil vertrauen durfte und im Hinblick darauf Dispositionen getroffen hat (BGHZ 94, 344/351 f.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landgericht nicht festgestellt und ist auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich.

(3) Die Unwirksamkeit des Beschlusses kann schließlich nicht daraus hergeleitet werden, dass er für die Hecke eine bestimmte Höhe festlegt. Der Senat kann den Eigentümerbeschluss, der eine Dauerregelung beinhaltet, selbst auslegen (vgl. BGHZ 139, 288/292 und ständige Rechtsprechung). Dabei ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Leser als nächstliegende Bedeutung ergibt (allg. M.; siehe nur BGHZ 139, 288/292). Dieser besteht darin, die Hecke auf eine Höhe von höchstens 80 cm über dem Erdboden zu begrenzen. In der Bezeichnung des Tagesordnungspunkts und in der Beschlussfassung ist zwar einerseits davon die Rede, die Hecke auf mindestens 80 cm, und andererseits sie auf eine Höhe von höchstens 80 cm zurückzuschneiden. Ersichtlich ist aber das Gleiche gemeint, nämlich eine Begrenzung der maximalen Heckenhöhe auf 80 cm über dem Erdboden. Das folgt auch aus dem weiteren Beschlussinhalt, die Hecke jeweils in dieser Höhe zu belassen.

d) Zur abschließenden Entscheidung über die Wirksamkeit des Eigentümerbeschlusses zum Rückschnitt der Hecke bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen (§ 12 FGG), die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht treffen kann.

(1) Der Tatrichter hat zunächst rechtsfehlerfrei festgestellt, dass sich die ca. 1 m breite Hecke zwischen den jeweils dem Antragsteller und dem Antragsgegner zur Sondernutzung als Gartenteil zugewiesenen Flächen befindet. Hiernach und auch aus der Vereinbarung der Wohnungseigentümer, eine lebende Hecke zwischen den Grundstücksteilen errichten zu können und die Kosten zu gleichen Teilen zu tragen, folgt, dass Heckenzuschnitt und -pflege den Regeln für den Gebrauch des Gemeinschaftseigentums nach § 13 Abs. 2 WEG und § 14 Nr. 1 WEG unterstellt sind. Auch greift § 7 der Gemeinschaftsordnung nicht ein. Danach sind die Wohnungseigentümer verpflichtet, die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes und des Grundstücks, die ihrer alleinigen Nutzung unterliegen, ordnungsgemäß instand zu halten und instand zu setzen. Einen Anspruch auf eine bestimmte Gestaltung der Hecke kann der Antragsgegner auch nicht daraus ableiten, dass er "an sich" einen Anspruch auf Beseitigung hätte. Abgesehen davon, dass für einen Beseitigungsanspruch nichts ersichtlich ist, hat ein Beschluss, der den Rückschnitt und die Gestaltung der Hecke regelt, einen anderen Inhalt als ein Beseitigungsbeschluss und ist nicht als ein Weniger in diesem enthalten.

(2) Die gärtnerische Gestaltung einer im Aufteilungsplan ausgewiesenen Gartenfläche ist keine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums, solange sie nicht mit einer gegenständlichen Veränderung des Grundstücks verbunden ist (BayObLGZ 1975, 201/206; 1985, 164/167). Jedoch kann es ohne eine nähere Sachaufklärung nicht ausgeschlossen werden, dass der beschlossene Rückschnitt der Hecke und deren Belassung auf einer bestimmten Höhe eine gegenständliche Veränderung bildet (BayObLGZ 1985, 164/167; OLG Saarbrücken WE 1998, 69/71; OLG Hamm FGPrax 1996, 47/48) und somit nach § 22 Abs. 1 WEG zu beurteilen ist. Dies kann davon abhängen, ob die nach den Feststellungen des Tatrichters bisher "mannshohe" Hecke nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch eine Sichtschutzfunktion besitzt, die auf Dauer entfiele, wenn sie wie beschlossen zurückgeschnitten würde.

(3) Falls der Hecke eine solch prägende Eigenschaft für das Grundstück nicht zukommt, ist der Eigentümerbeschluss gültig, wenn der Rückschnitt von ca. 2 m auf höchstens 80 cm Höhe als eine Maßnahme ordnungsmäßiger Instandhaltung nach § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG anzusehen ist (OLG Saarbrücken WE 1998, 69; OLG Hamm FGPrax 1996, 47/48; Merle in Bärmann/Pick/ Merle WEG 9. Aufl. § 21 Rn. 128). Ordnungsmäßiger Instandhaltung können mehrere Pflegemaßnahmen entsprechen. Die Wohnungseigentümer haben ein Beurteilungsermessen, für welche dieser Möglichkeiten sie sich entscheiden wollen (BayObLGZ 1985, 164/167; OLG Saarbrücken WE 1998, 69/71). Ob ein Rückschnitt auf maximal 80 cm Höhe und ein Beibehalten dieser Höhe sich im Rahmen üblicher Gartenpflege hält, ist vom Landgericht aufzuklären. Dabei wird insbesondere eine Rolle spielen, ob ein derartiger Rückschnitt die Hecke, deren Gehölzeart im Übrigen bislang nicht aufgeklärt ist, unwiederbringlich zerstört. Dies hat der Antragsteller unter Beweisantritt behauptet.

(4) Schließlich kann ein Rückschnitt auch dann als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG anzusehen sein, wenn der Rückschnitt nicht als Pflegemaßnahme, wohl aber als Maßnahme zur Herstellung eines optisch einheitlichen Bildes dient. Weil das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen maßgeblich ist (vgl. § 21 Abs. 5 WEG), müssen in diesem Rahmen allerdings auch die Belange des Antragstellers berücksichtigt werden. Diese bestehen im Wesentlichen darin, dass dessen Sondernutzungsbereich durch die bisherige Heckenhöhe eine gewisse Abschirmung gegenüber dem Gartenteil des Antragsgegners erfährt.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird das Landgericht zu entscheiden haben. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.



Ende der Entscheidung

Zurück