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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 11.10.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 25/02
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 21 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 4
ZPO (n.F.) § 574 Abs. 4
Enthält die Gemeinschaftsordnung für einzelne Gebäude hinsichtlich des Kreises der Verpflichteten und des Verteilungsmaßstabs unterschiedliche Kostenregelungen, dann folgt daraus auch die Notwendigkeit, gesonderte Rückstellungen zu bilden und getrennt anzulegen
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die zum Zeitpunkt der maßgeblichen Beschlussfassung von der weiteren Beteiligten zu 2 verwaltet wurde und nunmehr von der weiteren Beteiligten zu 1 verwaltet wird. Nach der Teilungserklärung vom 25.1..1968 besteht die Wohnanlage aus zwei Wohngebäuden mit insgesamt 52 Wohnungen und einem Geschäft sowie einer versetzt zu den Wohngebäuden errichteten Tiefgarage mit 30 Pkw-Abstellplätzen. Die Tiefgarage steht mit Ausnahme eines Stellplatzes, an dem Teileigentum begründet ist, im Gemeinschaftseigentum. An 29 Abstellplätzen wurden Sondernutzungsrechte begründet und einzelnen Wohnungseigentümern zugewiesen. Die Oberfläche der Tiefgarage ist teilweise begrünt; auf ihr befinden sich elf oberirdische Abstellplätze. Nach der Teilungserklärung besteht für diese keine Nutzungsregelung; vielmehr müssen die jeweiligen Benutzer an die Gemeinschaft eine monatliche Entschädigung entrichten, über deren Höhe die Eigentümer entscheiden.

§ 6 (Lasten und Kosten) der Gemeinschaftsordnung (GO) lautet wie folgt:

(1) Die Sondereigentümer sind im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zur Ansammlung einer Instandsetzungsrücklage für das gemeinschaftliche Eigentum verpflichtet.

(2) Die Sondereigentümer sind im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile verpflichtet, alle Unkosten aufzubringen, die für das Gesamtobjekt anfallen.

Hierzu gehören insbesondere

a) die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des Gebäudes und des Grundstücks, wozu auch alle Reinigungskosten gehören,

b) die öffentlichen Abgaben und Lasten,

c) die Kanalgebühren,

d)...

e)...

f)...

g)...

h) die Kosten der Beleuchtung der gemeinschaftlichen Teile des Gebäudes.

(2a) Sämtliche Kosten und Lasten für die Tiefgarage und soweit solche unmittelbar durch die Benützung der Tiefgarage entstehen, haben die 30 Benützer zu gleichen Teilen zu tragen.

Bis in das Jahr 1993 wurde eine einheitliche Instandhaltungsrücklage gebildet, die die Tiefgarage nicht berücksichtigte. Am 19.10.1993 beschlossen die Wohnungseigentümer, für die Tiefgarage eine eigene Rücklage anzusammeln. Den Antrag von Wohnungseigentümern, diesen Beschluss für ungültig zu erklären, wies das Amtsgericht am 30.3.1994 rechtskräftig ab. Dem gemäß wurden in der Folgezeit für Wohngebäude und Tiefgarage gesonderte Rücklagen gebildet.

Am 18.11.1999 fassten die Wohnungseigentümer folgenden Beschluss:

Künftig wird nur noch eine Instandhaltungsrücklage für Haus und Garage angespart. Diese Rücklage wird gleichmäßig von allen 1000/1000stel Anteilen angesammelt.

Die derzeit vorhandene Instandhaltungsrücklage wird als Grundlage in diese gemeinsame Instandhaltungsrücklage eingebracht.

Der Antragsteller hat unter anderem diesen Beschluss fristgerecht angefochten. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 18.1.2001 dem Antrag auf Ungültigerklärung stattgegeben. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht mit Beschluss vom 24.1.2002 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner, der der Antragsteller entgegengetreten ist und Anschlussrechtsbeschwerde mit dem Ziel eingelegt hat, dass zu seinen Gunsten eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens angeordnet wird.

II.

Die Rechtsmittel des Antragstellers und der Antragsgegner haben keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der angegriffene Beschluss der Wohnungseigentümer sei nicht nichtig. Er befasse sich mit einer Änderung oder Neufassung der Regelung über die Instandhaltungsrücklage. Hierbei handle es sich um eine Verwaltungsmaßnahme. Ein Beschluss, der einer ordnungsmäßigen Verwaltungsmaßnahme widerspreche, sei nur anfechtbar, nicht nichtig. Im Gegensatz dazu stünden Regelungen über die Kostentragung, die aufgrund Gesetzes oder Vereinbarung mehrheitsfest seien. Für Regelungen über die Instandhaltungsrücklage gelte dies nicht. Hier komme es vielmehr darauf an, ob die Regelung ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche; dies sei nicht der Fall. Die Bildung getrennter Rücklagen, wie 1993 beschlossen, entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung und verhindere eine unklare und verwirrende Mischung der Gelder, die bei einer gemeinsamen Rücklage entstünde.

2. Das Landgericht hält den Eigentümerbeschluss im Ergebnis zu Recht für ungültig. Allerdings ist der Beschluss nicht wegen Verstoßes gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung rechtswidrig und damit für ungültig zu erklären, sondern wegen Verstoßes gegen die Gemeinschaftsordnung nichtig. Er ändert nämlich deren Kostentragungsregelung ab. Dazu fehlt der Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz (vgl. BGHZ 145, 158). Dies führt im Ergebnis aber nur dazu, dass die Nichtigkeit des Eigentümerbeschlusses festzustellen ist.

a) Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass § 6 (1) GO nicht die Bildung einer einheitlichen Instandhaltungsrücklage, also das Verbot der Bildung getrennter Rücklagen festschreibt. Der Senat kann die fragliche Bestimmung, die als Teil der Gemeinschaftsordnung im Grundbuch eingetragen ist, selbständig auslegen. Dabei ist wie bei jeder Grundbucheintragung auf Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Leser als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt (BGHZ 121, 236/239; BayObLGZ 1996, 58/61; BayObLG WE 1998, 404/405; ZMR 1999, 48/49). Diese geht hier dahin, dass den Wohnungseigentümern die Bildung einer Rücklage zur unabdingbaren Pflicht gemacht wird. Dagegen dient die Regelung nicht dem Zweck, verbindlich festzuschreiben, dass für Haus und Garage nur eine einheitliche Rücklage anzusammeln ist.

b) Der Bildung einer einheitlichen Instandhaltungsrücklage steht aber die für die Kostentragung in der Gemeinschaftsordnung vorgenommene Trennung zwischen den Wohngebäuden einerseits und der Tiefgarage andererseits entgegen (siehe dazu BayObLG NJW-RR 1988, 274). Diese Trennung entspricht auch dem von den Tatsacheninstanzen rechtsfehlerfrei und für den Senat damit nach § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO n. F. bindend festgestellten baulichen Zustand der Anlage, wonach die Tiefgarage technisch einen im wesentlichen eigenständigen Baukörper darstellt.

6 (2a) GO regelt, dass sämtliche Kosten und Lasten für die Tiefgarage nach einem gesonderten Verteilungsschlüssel, nämlich nach Kopfteilen, ausschließlich von deren Benutzern zu tragen sind. Die Bestimmung weicht somit in zweierlei Hinsicht vom allgemeinen Verteilungsschlüssel ab, der in § 6 (2) GO entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 16 Abs. 2 WEG vorsieht, dass sämtliche Wohnungseigentümer, auch solche ohne Sondernutzungsrechte an Tiefgaragenabstellplätzen, im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile verpflichtet sind, alle Unkosten aufzubringen, die für das Gesamtobjekt anfallen. Die nächstliegende Bedeutung der Sonderregelung für die Tiefgarage ist, dass sie alle mit dem Betrieb einer Tiefgarage typischerweise zusammenhängenden Unterhaltungskosten erfasst (siehe BayObLG ZMR 1999, 48; auch WE 1998, 404). Dazu gehören, ohne dass es an dieser Stelle einer abschließenden Beurteilung bedarf, etwa die Kosten für Instandhaltung und Instandsetzung des Tiefgaragengebäudes selbst, der Einfahrt samt Tor, der Zugänge, der Belüftungs- und Beleuchtungsanlage sowie des laufenden Unterhalts wie beispielsweise der Reinigung. Dies wird aus der in der Gemeinschaftsordnung gebrauchten Wendung deutlich, dass die Benutzer sämtliche Kosten und Lasten zu tragen haben.

Der Kostenbegriff ist weit zu fassen (Palandt/Bassenge BGB 61. Aufl. § 16 WEG Rn. 13; Weitnauer/Hauger WEG 8. Aufl. § 16 Rn. 14). Bereits aus dem Gesetz ergibt sich, dass dazu auch die Kosten für Instandhaltung und Instandsetzung (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) gehören. Die Gemeinschaftsordnung fasst den Begriff, dem gesetzlichen Sprachgebrauch folgend, nicht enger; vielmehr versteht sie diesen ausdrücklich ("sämtliche") umfassend. Dass die Regelung zusätzlich noch Kosten und Lasten erwähnt, die "unmittelbar durch die Benützung der Tiefgarage entstehen", widerspricht dem nicht. Zwar wären solche auch ohne ausdrückliche Erwähnung mitumfasst. Der Zusatz kann aber als verdeutlichende Beschreibung und als Hinweis auf eine markante Kostenposition verstanden werden. Der Zusatz bildet jedenfalls keine Einschränkung der vorausgegangenen Aufzählung ("sämtliche Kosten und Lasten"), wie das verwendete Bindewort "und" verdeutlicht. Im Ergebnis folgt der Senat damit der Auslegung, die das Amtsgericht bereits in seinem früheren Beschluss vom 30.3.1994 vorgenommen hat und damals auch von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für zutreffend angesehen wurde.

Diese für einen unbefangenen Betrachter nächstliegende Bedeutung wird durch die sich aufdrängende Überlegung bestätigt, dass ausschließlich diejenigen Personen, die die Tiefgarage durch das Abstellen von Fahrzeugen nutzen, auch nach Köpfen anteilig alle damit verbundenen Kosten tragen sollen. Bei typisierender Betrachtung spielt eine zusätzliche Nutzung der Tiefgaragenoberfläche durch Wohnungseigentümer, sei es als Grünfläche und Kinderspielplatz, sei es als Abstellfläche für Fahrzeuge, für eine kostenmäßige Zuordnung keine Rolle. Denn einem solchen Zweck dienen Tiefgaragen nicht.

c) Enthält die Gemeinschaftsordnung für einzelne Gebäude hinsichtlich des Kreises der Verpflichteten und des Verteilungsmaßstabs unterschiedliche Kostenregelungen, dann folgt daraus auch die Notwendigkeit, gesonderte Rückstellungen zu bilden und getrennt anzulegen (Staudinger/Bub § 21 Rn. 29, 211; siehe auch BayObLG WE 1991, 360/362). Denn Gelder für die Instandhaltung oder Instandsetzung des einen Gebäudes dürfen nicht für die Instandhaltung oder Instandsetzung des anderen Gebäudes verwendet werden; dies schließt deren einheitliche Ansammlung aus.

d) Dem stehen sonstige Regelungen in der Gemeinschaftsordnung nicht entgegen. Soweit im Nachtrag vom 19.9.1973 zur Teilungserklärung davon ausgegangen wird, dass "den jeweiligen Sondereigentümern, denen das Sondernutzungsrecht an einem Tiefgaragenabstellplatz zusteht, dieser rechnerisch mit 1,8/1000 Miteigentumsanteile angesetzt werden" soll, findet dies in der Ausgestaltung der Teilungserklärung im übrigen keinen Niederschlag. Denn nach § 6 (2) GO regelt sich die Lasten- und Kostentragung für das Objekt (Wohngebäude) nach den festgelegten Miteigentumsanteilen, ohne Abzüge für Wohnungseigentümer vorzunehmen, denen ein Sondernutzungsrecht an einem Tiefgaragenabstellplatz zusteht. Zudem bestimmt sich die Größe der einzelnen Miteigentumsanteile grundsätzlich unabhängig von der Größe und dem Wert des einzelnen Wohnungseigentums (BayObLGZ 1991, 396/398). Deshalb folgt aus der Größe der Miteigentumsanteile nicht zwingend, dass es grob unbillig ist, wenn die zur Instandhaltung nach Maßgabe ihrer Miteigentumsanteile herangezogenen Wohnungseigentümer zudem noch kopfteilig auch für die Kosten der Tiefgarage aufkommen müssen.

Die Gemeinschaftsordnung enthält keine Regelung, dass über Angelegenheiten, die ausschließlich die Tiefgarage betreffen, nur deren Benutzer abzustimmen haben (siehe etwa BayObLG NJW-RR 1988, 274). Ein Indiz für die Rechtsansicht der Antragsgegner ist dies indes nicht. Ob über Angelegenheiten der Tiefgarage nur die Inhaber von Sondernutzungsrechten und der Teileigentümer zu beschließen haben, braucht hier nicht entschieden zu werden. Die Gemeinschaftsordnung bestimmt, dass Einnahmen aus der Überlassung von Stellflächen oder von Sondernutzungsrechten sämtlichen Wohnungseigentümern zugute kommen. Für die Auslegung der Kostentragungsregelung in § 6 (2a) GO lässt sich daraus nichts herleiten. Nutzziehung und Kostentragung können sich decken, müssen es aber nicht. Erlöse aus der einmaligen Überlassung von Gemeinschaftseigentum, zu dem die Tiefgarage gehört, stehen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer, nicht aber nur einzelnen von ihnen zu.

e) Im Beschlussanfechtungsverfahren sind auch die Nichtigkeitsgründe zu prüfen. Für die Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses genügt es, dass der Eigentümerbeschluss fehlerhaft ist; etwaigen schwierigen Abgrenzungen, ob der Fehler sogar die Nichtigkeit zur Folge hat, braucht nicht nachgegangen zu werden. Ergibt die Prüfung aber die Nichtigkeit, so ist es sachgerecht, diese im Entscheidungssatz auszusprechen (BayObLGZ 1986, 444/447). Dies kann der Senat noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz nachholen.

3. Die Kostenentscheidung der Vorinstanzen hat der Senat, ungeachtet der Anschlussrechtsbeschwerde des Antragstellers, von Amts wegen zu prüfen. Dahinstehen kann deshalb, ob die Befristung der Anschlussrechtsbeschwerde durch die ZPO-Reform (§ 574 Abs. 4 ZPO n.F.) Auswirkungen auf das Wohnungseigentumsverfahren hat (allgemein Demharter NZM 2002, 233). Das Rechtsmittelgericht prüft jedoch die Kostenentscheidung des Tatrichters, die eine Ermessensentscheidung darstellt, nur auf ihre Gesetzmäßigkeit (BayObLGZ 1987, 381/386; BayObLG Beschluss vom 1.8.2002, 2Z BR 132/01).

Die Kostenentscheidung des Landgerichts hält diesen Anforderungen stand. Ohne Rechtsfehler legt das Landgericht dar, dass das Rechtsmittel der Antragsgegner angesichts der unsicheren Rechtslage nicht als eindeutig aussichtslos eingeschätzt werden musste. Diese Wertung ist angesichts der sprachlich missglückten Fassung von § 6 (2a) GO gut vertretbar. Die Anordnung einer Kostenerstattung bildet gemäß § 47 Satz 2 WEG nicht die Regel. Ein allgemeiner Grundsatz, dass der Gegner immer dann die Kosten erstatten muss, wenn das Beschwerdegericht die Rechtslage ebenso wie das Erstgericht beurteilt, besteht nicht (BayObLG WuM 1994, 567/568; Merle in Bärmann/ Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 47 Rn. 38).

4. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren erscheint es dem Senat nach § 47 WEG angemessen, den Antragsgegnern als Gesamtschuldnern die Verfahrenskosten aufzuerlegen und zudem auch anzuordnen, dass dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten in diesem Rechtszug zu erstatten sind.

Die Geschäftswertfestsetzung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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