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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 17.04.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 26/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 242
WEG § 22 Abs. 1
Haben in der Vergangenheit andere Wohnungseigentümer durch Balkonverglasungen die Fassade des Gebäudes nachteilig verändert, so erwächst daraus kein Recht, einen Balkon zu verglasen.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Der Antragsgegner hat den Balkon seiner Wohnung durch eine Verglasung geschlossen.

Unter dem Abschnitt "Instandhaltung und Instandsetzung" der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung ist bestimmt, dass die äußere Gestaltung der Gebäude nicht verändert werden darf.

Auf Antrag der Antragsteller hat das Amtsgericht den Antragsgegner am 26.6.2002 verpflichtet, die Balkonverglasung zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 28.1.2003 die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Dagegen richtet sich dessen sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antragsgegner müsse die Balkonverglasung beseitigen, weil sie gegen die in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Bestimmung verstoße, nach der die äußere Gestalt des Gebäudes nicht verändert werden dürfe. Die Regelung sei zwar im Abschnitt "Instandhaltung und Instandsetzung" enthalten, sie gelte aber erst recht für darüber hinausgehende bauliche Veränderungen.

Abgesehen davon stelle die Balkonverglasung eine bauliche, Veränderung mit einer erheblichen optischen Beeinträchtigung der Fassade dar; dies ergebe sich aus den vorgelegten Lichtbildern. Der überwiegende Teil der Balkone sei nicht verglast. Hinzu komme, dass die Verglasung der Wohnung des Antragsgegners uneinheitlich gestaltet sei. Dadurch werde der Eindruck einer uneinheitlichen und optisch unästhetischen Fassade noch verstärkt.

Das Beseitigungsverlangen sei nicht rechtsmissbräuchlich. Die Antragsteller gingen gegen den überwiegenden Teil der Wohnungseigentümer vor, die ihre Balkone gleichfalls verglast hätten. Auf die strittige Behauptung des Antragsgegners, dass bei einigen wenigen Verglasungen eine Entfernung rechtlich nicht mehr durchsetzbar sei, weil die Verglasung bereits seit über 20 Jahren bestehe, komme es somit nicht an. Gegen einen Rechtsmissbrauch spreche auch, dass die Antragsteller zunächst gegen solche Wohnungseigentümer, wie den Antragsgegner, vorgingen, die ihre Balkonverglasungen erst kürzlich und ohne Genehmigung durch die Verwalterin, die auf eine entsprechende Genehmigungspflicht hingewiesen habe, vorgenommen hätten.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht, bedarf der Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die Baumaßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG genannte Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 22 Abs. 1 Satz 2 WEG). Ein Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG kann auch in der optisch nachteiligen Veränderung des Gesamteindrucks des Gebäudes liegen. Ob eine solche nachteilige Veränderung vorliegt, obliegt der Beurteilung durch den Tatrichter, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann. Bei den Akten befindliche Lichtbilder können eine ausreichende Beurteilungsgrundlage sein, die einen Augenschein erübrigt (allgemeine Meinung und ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. BayObLG NZM 1998, 980 m. w. N.).

b) Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht ohne Rechtsfehler das Vorliegen einer zustimmungspflichtigen baulichen Veränderung bejaht, die einen Beseitigungsanspruch der Antragsteller gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3 § 14 Nr. 1 WEG begründet.

(1) Die Vorinstanzen haben rechtsfehlerfrei festgestellt, dass eine optische Beeinträchtigung vorliegt. Die bei den Akten befindlichen Lichtbilder bestätigen dies. Diese tatrichterliche Feststellung kann von dem Antragsgegner nicht dadurch erschüttert werden, dass er seine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen der Tatsachengerichte setzt.

(2) Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, die bauliche Veränderung durch den Antragsgegner könne nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass andere Wohnungseigentümer ebenfalls in der Vergangenheit Balkonverglasungen vorgenommen hätten, durch die die Fassade verändert worden sei. Dem Beseitigungsverlangen kann zwar grundsätzlich der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden (BayObLG WuM 2002, 164). Einen Rechtsmissbrauch (vgl. § 242 BGB) hat das Landgericht aber zu Recht verneint. Es hat auf Grund der vorliegenden Lichtbilder eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks durch die von dem Antragsgegner vorgenommene Verglasung trotz der bereits von anderen Wohnungseigentümern vorgenommenen Veränderung der Fassade bejaht, indem es ausgeführt hat, der optisch nachteilige Eindruck der Fassade werde durch die uneinheitliche Verglasung der Wohnung des Antragsgegners noch verstärkt. Diese Feststellungen binden das Rechtsbeschwerdegericht.

(3) Ein Rechtsmissbrauch liegt auch nicht darin, dass die Antragsteller zwar gegen einen Großteil der Wohnungseigentümer vorgehen, die Balkonverglasungen angebracht haben, nicht aber gegen alle "Verglaser". Bei der im Rahmen der Prüfung eines Rechtsmissbrauchs vorzunehmenden Abwägung fällt insbesondere ins Gewicht, dass sich der Antragsgegner erst jüngst in Kenntnis des Streits über die Balkonverglasungen über die eindeutige Bestimmung der Gemeinschaftsordnung, nach der die äußere Gestaltung der Gebäude nicht verändert werden darf, hinweggesetzt und die Baumaßnahme trotz der fehlenden und von der Verwalterin für erforderlich gehaltene Genehmigung durchgeführt hat. Dabei weist das Landgericht zutreffend darauf hin, dass die Regelung über die äußere Gestaltung der Gebäude zwar unter dem Abschnitt "Instandhaltung und Instandsetzung" der Gemeinschaftsordnung enthalten ist, erst recht aber dann gilt, wenn eine bauliche Veränderung vorliegt, die über eine Instandsetzung oder Instandhaltung hinausgeht. Es kann offen bleiben, ob die Behauptung des Antragsgegners zutrifft, bei vier Balkonen könne ein Beseitigungsverlangen nicht mehr durchgesetzt werden, weil die Verglasungen bereits seit mehr als 20 Jahren bestünden. Jedenfalls ist die vom Antragsgegner erst kürzlich vorgenommene Verglasung seines Balkons damit nicht vergleichbar. Von der fehlenden Vergleichbarkeit abgesehen gibt es im Übrigen keine Gleichheit im Unrecht (BayObLG WuM 1993, 564; Palandt/Bassenge BGB 62. Aufl. § 21 WEG Rn. 7; Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 25 Rn. 164; Staudinger/Bub WEG § 21 Rn. 73).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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