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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 19.05.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 272/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004
WEG § 8
WEG § 22 Abs. 1
Ein durch Eigentumsvormerkung gesicherter Erwerber und Nutzer von Wohnungseigentum kann nicht durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer, der ihm die Beseitigung baulicher Veränderungen auferlegt, gebunden werden, wenn er nicht vor Entstehung der Eigentümergemeinschaft Mitglied einer werdenden Gemeinschaft geworden ist.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und die weiteren Beteiligten sind Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Diese besteht aus sechs Wohneinheiten. Sie wurde von einem Bauträger erstellt, der das Grundstück gemäß § 8 WEG am 7.12.1993 geteilt hatte.

Die Antragsgegnerin erwarb mit Kaufvertrag vom 4.8.1993 vom Bauträger einen 203/1.000 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der im Erdgeschoß gelegenen Wohnung Nr. 1, zu der auch ein Hobbyraum im Keller gehört. Eine Eigentumsvormerkung für die Erwerberin wurde am 28.2.1994 im Grundbuch eingetragen. Eine Eigentumsumschreibung hat bisher nicht stattgefunden.

Die Wohnung der Antragsgegnerin sowie weitere Wohnungen wurden im Mai 1995 abgenommen und auch bezogen. Das Eigentum an den übrigen fünf Wohnungen wurde zwischen dem 11.4.1995 und dem 5.3.1996 auf die Erwerber überschrieben. In den Kaufverträgen mit den Erwerbern ist jeweils vereinbart, dass Besitz und Nutzung am Tag der Abnahme des Kaufobjekts und der Erfüllung der bis dahin fälligen Zahlungsverpflichtungen des Käufers auf diesen übergehen, die Lasten aber erst ab Fertigstellung vom Käufer zu tragen sind. Gleiches gilt für die Gefahren und die Verkehrssicherungspflicht.

Nach der Teilungserklärung und dem ihr beigefügten Lageplan ist dem jeweiligen Eigentümer der Wohneinheit Nr. 1 ein Sondernutzungsrecht am Grundstück zugeordnet, das die freie Fläche südlich und östlich der Wohnung umfasst. Weiter bestimmt die Gemeinschaftsordnung, dass der Wohnungseigentümer der Wohnung Nr. 1 in der Verlängerung der östlich an das Wohnhaus anschließenden Duplexgarage eine Pergola oder einen Wintergarten errichten kann.

Die Antragsgegnerin ließ im Jahr 1995 an der Südseite ihrer Wohnung einen mit einer Fußbodenheizung ausgestatteten Wintergarten errichten, dessen Seitenwand sich auf der Sondernutzungsfläche befindet, die dem Wohnungseigentum der Antragstellerin zu 3 zugeordnet ist. Außerdem ließ die Antragsgegnerin zu einem nicht näher ermittelten Zeitpunkt noch durch den Bauträger an der östlichen Gebäudeseite eine Außentreppe zu dem im Keller gelegenen Hobbyraum anbringen. Diese ist mit einer Holz-/Fliesenkonstruktion abgedeckt.

In der Eigentümerversammlung vom 10.2.1999 fassten die Wohnungseigentümer mehrheitlich folgende Beschlüsse:

Der Wintergarten (der Antragsgegnerin) auf der Südseite des Anwesens muss, inklusive der Feuerschutzmauer, bis zum 30.04.1999 von der Eigentümerin entfernt werden.

Falls der Zugang in den Kellerbereich der Wohnung (der Antragsgegnerin) noch nicht zurückgebaut wurde, muss (die Antragsgegnerin) veranlassen, dass der Rückbau bis zum 30.04.1999 ausgeführt wird.

Die Antragsteller haben, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den an der Südseite des Anwesens errichteten Wintergarten sowie die an der Ostseite errichtete Außentreppe zu entfernen und den Mauerdurchbruch zu verschließen. Das Amtsgericht hat diesen Anträgen mit Beschluss vom 14.8.2002 stattgegeben. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 1.12.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat vorläufigen Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (§ 27 Abs. 1 FGG, §§ 562, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragsgegnerin sei nach § 15 Abs. 3 WEG in Verbindung mit den bestandskräftigen Eigentümerbeschlüssen vom 10.2.1999 zur Beseitigung verpflichtet. Die Antragsgegnerin sei als Handlungsstörerin und faktische Wohnungseigentümerin passiv legitimiert. Der Eigentümerbeschluss begründe eine selbständige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Beseitigung des Wintergartens und der Außentreppe. Es komme nicht darauf an, ob einzelne Wohnungseigentümer der Errichtung zugestimmt hätten; ebenso könne sich die Antragsgegnerin nicht darauf berufen, dass der Bauträger schon vor Entstehen des Wohnungseigentums die Kelleraußentreppe planwidrig errichtet habe. Der Beschluss beinhalte eine selbständige Anspruchsgrundlage für das Beseitigungsverlangen.

Die Antragsgegnerin habe auch ihre Verpflichtung zum Rückbau der Kellertreppe nicht erfüllt. Dazu genüge es nicht, die Kellertreppe nur abzudecken oder einen Sichtschutz anzubringen.

Das Verlangen der Antragsteller sei nicht rechtsmissbräuchlich. Der Wintergarten sei ein massiver Baukörper, der sowohl das architektonische Gesamtbild nachteilig verändere als auch die Gartenfläche verkleinere. Die Außenkellertreppe schaffe einen zusätzlichen Zugang zum Gebäude; dies müssten die übrigen Wohnungseigentümer nicht hinnehmen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Zuständigkeit der Gerichte für Wohnungseigentumssachen nach § 43 WEG kann auf sich beruhen. Denn § 17a GVG gilt entsprechend für das Verhältnis von Prozessgericht zu Wohnungseigentumsgericht (BGHZ 130, 159/163; BayObLGZ 2002, 82/84 f.). Wegen § 17a GVG hat der Senat demnach nicht zu überprüfen, ob der Rechtsweg zu den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eröffnet ist (BayObLGZ 2002, 82/85; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 25. Aufl. § 17a GVG Rn. 24).

b) Das Landgericht geht davon aus, dass die Antragsgegnerin allein schon auf der Grundlage der bestandskräftigen Eigentümerbeschlüsse vom 10.2.1999 den Wintergarten und die Außentreppe zu beseitigen hat. Dies ist von Rechtsfehlern beeinflusst, weil die Antragsgegnerin nicht Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft geworden ist. Beschlüsse der Wohnungseigentümer über die Beseitigung baulicher Veränderungen, deren Bindungswirkung für Mitglieder der Gemeinschaft im Übrigen dahinstehen kann, binden die Antragsgegnerin als Außenstehende jedenfalls nicht.

Zur Entstehung gelangt eine nach § 8 WEG begründete Wohnungseigentümergemeinschaft spätestens dann, wenn die Wohnungsgrundbücher angelegt und mindestens zwei Wohnungseigentümer, nämlich neben dem teilenden Eigentümer noch ein Erwerber, eingetragen sind (BayObLGZ 1990, 101; Palandt/Bassenge BGB 63. Aufl. Überbl v § 1 WEG Rn. 5). Dies war hier nach dem unstreitigen Akteninhalt im April 1995 der Fall. Denn am 11. und 26.4.1995 wurden die Antragsteller zu 1 als Eigentümer von 2 der 6 Wohnungen im angelegten Wohnungsgrundbuch eingetragen. Die Antragsgegnerin war im April 1995 nicht Wohnungseigentümerin und ist es bisher auch nicht geworden.

Die Regeln über eine "werdende Gemeinschaft" (siehe Palandt/Bassenge Überbl v § 1 WEG Rn. 6 m.w.N.) finden keine Anwendung, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft bereits vor der Abnahme der Wohnungen im Mai 1995 entstanden war (BayObLGZ 1990, 101/105 f.; 2003, 16/19 f.). Als werdende Wohnungseigentümerin, die nicht Mitglied einer bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft ist, hat die Antragsgegnerin noch keine eigenen Rechte und Pflichten aus dem WEG (BGHZ 106, 113).

Auch eine etwaige Ermächtigung des Erwerbers aus dem Kaufvertrag mit dem Bauträger, bereits vor einer Eigentumsumschreibung in alle Rechte und Pflichten der Eigentümergemeinschaft einzutreten (BayObLG NZM 2002, 300; KG NJW-RR 1995, 147; WuM 2004, 229), ändert an der fehlenden Passivlegitimation der Antragsgegnerin für wohnungseigentumsrechtliche Ansprüche nichts. Denn eine Verpflichtungsermächtigung ist dem deutschen Recht unbekannt (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 24. Aufl. Vor § 50 Rn. 43).

b) Gegen die Antragsgegnerin als Dritte haben die Antragsteller, jeder für sich, unter den Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. § 1011 BGB) einen Beseitigungsanspruch (Palandt/Bassenge § 15 WEG Rn. 24 m.w.N.; § 22 Rn. 20). Dies verlangt die Feststellung, dass das jeweilige Sondereigentum oder das Gemeinschaftseigentum durch den Bau des Wintergartens und der Kellertreppe beeinträchtigt ist. Die Antragsgegnerin muss Handlungs- oder Zustandsstörer sein. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn die Wohnungseigentümer zur Duldung verpflichtet sind (§ 1004 Abs. 2 BGB). Dies ist für jeden der Antragsteller gesondert zu prüfen.

(1) Hinsichtlich des Wintergartens hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingeräumt, dass er erst ab Mai 1995, also nach Entstehen der Eigentümergemeinschaft, errichtet wurde. Dies wird das Landgericht zu würdigen haben. Die Antragsgegnerin macht jedoch geltend, jedenfalls einige der jetzigen Eigentümer hätten seiner Errichtung nicht widersprochen, teils sogar ausdrücklich zugestimmt. Insbesondere sei die Antragstellerin zu 3 als unmittelbare Nachbarin mit dem Bau einverstanden gewesen. Die Antragstellerin zu 2 habe ohnehin ihr Eigentum erst nach der Fertigstellung des Wintergartens erworben.

Diese Einwendungen sind als solche geeignet, einen Beseitigungsanspruch auszuschließen. Sofern einer der Antragsteller Eigentum erst nach der Errichtung des Wintergartens erworben hat, kann er eine Beseitigung nicht verlangen, wenn schon der Rechtsvorgänger zugestimmt hatte (OLG Hamm WE 1996, 351). Davon wird jedenfalls beim Bauträger als Wohnungseigentümer auszugehen sein. Die Zustimmung nachteilig betroffener Wohnungseigentümer zu einer baulichen Veränderung gemäß § 22 Abs. 1 WEG setzt keinen förmlichen Beschluss voraus (BayObLG NJW-RR 1996, 653).

(2) Sollten die weiteren Ermittlungen ergeben, dass die Kellertreppe noch vor der Invollzugsetzung der Eigentümergemeinschaft entgegen dem Aufteilungsplan vom Bauträger errichtet worden war, kommt ein Beseitigungsanspruch gegen die Antragsgegnerin nicht in Betracht. Denn die Herstellung eines dem Aufteilungs- und dem Bauplan entsprechenden Zustands ist als Gemeinschaftsangelegenheit Sache der Wohnungseigentümer. Eine bauliche Veränderung liegt nicht vor, wenn ein Wohnungseigentum vom Bauträger, wenn auch auf Verlangen eines Erwerbers und künftigen Wohnungseigentümers, abweichend von den Plänen erstellt wird. In einem solchen Fall besteht kein Beseitigungsanspruch gegen den Erwerber, sondern allenfalls ein gegen die Gesamtheit der (gegenwärtigen) Wohnungseigentümer gerichteter Anspruch auf erstmalige Herstellung eines den Plänen entsprechenden Zustands (BayObLG NJW-RR 1986, 954; 1994, 276; OLG Hamm NZM 1998, 199/200).

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Diese wird das Landgericht in seiner abschließenden Entscheidung auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu treffen haben.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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