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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 273/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 23 Abs. 4
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
WEG § 45 Abs. 1
Mit der unselbständigen Anschlussbeschwerde kann nach Ablauf der Beschwerdefrist die Abweisung eines Beschlussanfechtungsantrags nicht mehr angegriffen werden (wie KG WuM 1991, 367).
Gründe:

I.

Der Antragsteller und die beiden Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer eines Dreifamilienhauses; der Antragsgegner zu 1 ist zugleich Verwalter der Anlage.

Der Antragsteller ist Eigentümer der Dachgeschosswohnung, zu der ein Balkon gehört. Im Jahr 2001 wurde das Balkongeländer instand gesetzt. Dafür entstanden Kosten von insgesamt 4820 DM = 2.464,43 EUR.

Die Teilungserklärung bestimmt in § 4 unter Wiederholung des Wortlauts von § 5 Abs. 1 WEG zum Sondereigentum insbesondere den "Innenbelag und die sonstigen Innenteile der Wohnungen, Balkone und Loggien, sowie die von einem Wohnungseigentümer allein benutzten Versorgungs- und Abwasserleitungen bis zu deren Einmündung in die gemeinschaftlich benutzten Hauptstränge" sowie zum gemeinschaftlichen Eigentum insbesondere die Bodenplatten und Abschlussmauern oder Geländer von Balkonen.

Die in § 5 der Teilungserklärung enthaltene Gemeinschaftsordnung trifft in Nr. 6 folgende Regelung:

Für die Instandhaltung und Instandsetzung des Sondereigentums und der Sondernutzungsrechten unterliegenden Grundstücksteile kommen die jeweiligen Eigentümer/Nutzungsberechtigten auf. Dies gilt entsprechend für die Außenseiten des Balkons, die Fenster, Fensterrahmen, Rollläden, Jalousien und die Wohnungsabschlusstür.

In der Eigentümerversammlung am 16.11.2002 beschlossen die Antragsgegner gegen die Stimme des Antragstellers zu Tagesordnungspunkt (TOP) 3, dass die gesamten Kosten der Instandsetzung des Balkons im Dachgeschoss dem Eigentümer der Dachgeschosswohnung (=Antragsteller) belastet werden sollten. Der zusätzlich gestellte Antrag des Antragstellers, die Kosten der Balkonsanierung derart aufzuteilen, dass die Kosten der Erneuerung und Konstruktionsänderung von der Gemeinschaft, die Kosten des Streichens und ähnlicher Arbeiten vom Eigentümer der Dachgeschosswohnung zu tragen seien, wurde mit der Stimmenmehrheit der Antragsgegner abgelehnt.

Der Antragsteller hat bei dem Amtsgericht beantragt, diesen Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären und die Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten für die Balkonsanierung in der Weise aufzuteilen, dass die Kosten der Erneuerung und Konstruktionsänderung von der Gemeinschaft, die Kosten des Streichens und ähnlicher Arbeiten vom Antragsteller zu tragen sind.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 3.6.2003 den Eigentümerbeschluss vom 16.11.2002 zu TOP 3, mit den Sanierungskosten allein den Antragsteller zu belasten, für ungültig erklärt und dem Verpflichtungsantrag stattgegeben. Den Anfechtungsantrag hinsichtlich des Eigentümerbeschlusses, durch den eine Kostenaufteilung zwischen Gemeinschaft und Antragsteller abgelehnt wurde, hat es abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.11.2003 die Anträge des Antragstellers in vollem Umfang abgewiesen. Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

II.

Das Rechtsmittel des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Entscheidend sei die Auslegung des Begriffs "Außenseiten des Balkons" in § 5 Nr. 6 der Teilungserklärung. Unter Berücksichtigung der übrigen Regelungen in der Teilungserklärung für den Balkon stelle dieser Begriff den Oberbegriff für die verschiedenen möglichen Arten einer Balkonbegrenzung dar, die etwa in Form eines Geländers oder einer Brüstung möglich seien. Das ergebe sich daraus, dass in § 4 der Teilungserklärung die Teile des Balkons, die sondereigentumsfähig seien, zum Sondereigentum erklärt wurden. Eine Balkonbrüstung oder ein Balkongitter könne nicht zum Sondereigentum erklärt werden. Gleichwohl könne auch für diese Bauteile eine Regelung getroffen werden, die die Kosten für die Instandsetzung und Erneuerung abweichend von der gesetzlichen Regelung dem jeweiligen Eigentümer auferlege. Eine derartige Regelung stelle § 5 Nr. 6 der Teilungserklärung dar. Allein diese Auslegung führe zum Ergebnis, dass der jeweilige Eigentümer die Kosten für Instandhaltung und Instandsetzung aller in seinem Verantwortungsbereich stehenden Bauteile zu tragen habe ohne Rücksicht darauf, ob sie im Sondereigentum oder im Gemeinschaftseigentum stehen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Wesentlichen der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Regelungen der Teilungserklärung, einschließlich der in § 5 enthaltenen Gemeinschaftsordnung, sind als Inhalt des Grundbuchs objektiv, also nach Wortlaut und Sinn, wie er sich als nächstliegende Bedeutung für den unbefangenen Leser ergibt, auszulegen (z.B. BayObLG WuM 1993, 289). Die Auslegung durch das Landgericht ist deshalb vom Rechtsbeschwerdegericht in vollem Umfang nachprüfbar.

b) Die Auslegung von § 5 Nr. 6 der Teilungserklärung durch das Landgericht ist nach Auffassung des Senats nicht zutreffend. § 5 Nr. 6 der Teilungserklärung dehnt ersichtlich die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht der Wohnungseigentümer auf Teile des Gemeinschaftseigentums aus. Dies ist rechtlich zulässig, als Ausnahme vom Grundsatz des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG aber eher eng auszulegen. Während die Regelung in § 5 Nr. 6 der Teilungserklärung die Fenster, Fensterrahmen, Rollläden, Jalousien und Wohnungsabschlusstüren in ihrem vollen Umfang erfasst, heißt es bei den Balkonen nur "die Außenseiten der Balkone". Die nächstliegende Bedeutung dieser Regelung geht dahin, dass bei den Balkonen die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht der Wohnungseigentümer sich nur auf den Innenbelag und die Innenteile als Bestandteile des Sondereigentums und auf die Außenseite des Balkons als Teil des Gemeinschaftseigentums erstreckt, nicht aber auf die Abschlussmauern oder Geländer der Balkone.

c) Für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde kommt es indes auf die Auslegung der Teilungserklärung nicht entscheidend an. Denn der Verpflichtung der Antragsgegner, die Sanierungskosten zwischen dem Antragsteller und der Gemeinschaft aufzuteilen, steht die Bestandskraft des ablehnenden Eigentümerbeschlusses vom 16.11.2002 entgegen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 148, 335 = NJW 2001, 3339), der sich der Senat angeschlossen hat (BayObLGZ 2002, 20), hat auch die Ablehnung eines Beschlussantrags durch die Mehrheit der Wohnungseigentümer Beschlussqualität, so dass zu seiner Beseitigung ein Antrag nach § 23 Abs. 4, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG gestellt werden muss. Der Eigentümerbeschluss, durch den der Antrag auf Aufteilung der Sanierungskosten abgelehnt wurde, hat den gleichen sachlichen Inhalt wie ein Beschluss, durch den festgelegt wird, dass die Sanierungskosten nicht aufgeteilt werden (BayObLGZ 2002, 247). Da der ablehnende Eigentümerbeschluss durch die Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichts, durch die dieses den Anfechtungsantrag entgegen der angeführten Rechtsprechung abgewiesen hat, bestandskräftig geworden ist, hat der Antragsteller gegen die Antragsgegner keinen Anspruch mehr, die Sanierungskosten aufzuteilen.

Der Antrag auf Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses, durch den die Antragsgegner die gesamten Sanierungskosten dem Antragsteller auferlegten, hat sich durch die Bestandskraft des Negativbeschlusses erledigt. Diese ist mit Ablauf der Beschwerdefrist für den Antragsteller eingetreten, weil eine unselbständige Anschließung an das Rechtsmittel der Antragsgegner ausgeschlossen war (KG WuM 1991, 367). Mit der Hauptsacheerledigung ist die sofortige Beschwerde der Antragsgegner insoweit unzulässig geworden und hätte verworfen werden müssen. Mit dieser Maßgabe wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Angesichts der unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen wäre die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten unbillig. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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