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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.09.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 28/02
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 24 Abs. 6
WEG § 22
WEG § 23
WEG § 10
ZPO §§ 485 ff.
Es entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn eine Eigentümerversammlung eine korrigierte Version der Protokolle früherer Eigentümerversammlungen beschließt.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Die Wohnanlage besteht aus einem Vorder- und Rückgebäude. Die Wohnungen der Antragsteller befinden sich im Vordergebäude, diejenigen der Antragsgegner im Rückgebäude. Beide Gebäude wurden ursprünglich von einer Heizungsanlage versorgt. Die Antragsgegner haben zwischenzeitlich eine eigene Heizungsanlage installiert und die Versorgungsleitungen zwischen Vorder- und Rückgebäude getrennt. An der Terrasse am Rückgebäude sind Schäden aufgetreten.

Die Gemeinschaftsordnung enthält unter III.3.1 folgende Regelung:

Die Wohnanlage wird verwaltungsmäßig und instandhaltungsmäßig in zwei selbständige Einheiten in der Weise geteilt, dass wirtschaftlich gesehen die Einheiten Nr. 1 bis 5 einerseits und die Einheiten Nr. 6 und Nr. 7 andererseits samt den diesen Einheiten zugeordneten Sondernutzungsflächen so behandelt werden, als ob es sich um real geteilte Grundstücke handeln würde. Verwaltungsmäßig und unterhaltungsmäßig unterliegen somit lediglich der gemeinsamen Verwaltung aller Wohnungs- bzw. Teileigentümer

a)...

b) die gemeinsame Heizungsanlage für Vorderhaus und Rückgebäude mit den Zu- und Ableitungen, soweit sie der Versorgung beider Häuser dienen.

c)...

d)...

Unter VI.6.1. der Gemeinschaftsordnung findet sich folgende Regelung:

Bezüglich der Trennung der Kosten für die Unterhaltung und Instandhaltung und die Instandsetzung und die Reparaturrücklage gelten grundsätzlich die Bestimmungen gemäß Ziff 3.1, wonach die Einheiten Nr. 1 bis Nr. 5 und die Einheiten Nr. 6 und Nr. 7 jeweils bezüglich vorstehender Aufwendungen zu trennen sind.

Grundsätzlich ist jeder Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs, des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zueinander zu tragen, soweit nicht in dieser Gemeinschaftsordnung etwas anderes bestimmt ist.

Unter der Überschrift Wiederaufbau regelt Punkt IX.9.1 der Gemeinschaftsordnung:

Wird die Bausubstanz ganz oder teilweise zerstört, so sind die Wohnungseigentümer untereinander verpflichtet, den vor Eintritt des Schadens bestehenden Zustand wieder herzustellen.

Decken die Versicherungssumme und sonstige Forderungen den vollen Wiederherstellungsaufwand nicht, so ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, den nicht gedeckten Teil der Kosten in Höhe eines seinem Miteigentumsanteil entsprechenden Bruchteil zu tragen. Die Grundsätze der wirtschaftlichen Trennung finden nicht statt.

Am 24.2.2001 fand eine Eigentümerversammlung statt. Unter TOP 2 beschlossen die Wohnungseigentümer eine "korrigierte Version" der Protokolle über die Eigentümerversammlungen vom 18.4.2000 und 16.5.2000.

Unter TOP 3 beschlossen die Wohnungseigentümer ein Konzept für die möglichst vollständige Trennung des Rückgebäudes bezüglich der Versorgung. Danach sollte das Rückgebäude eine eigene Heizung haben und der Kostenverteilungsschlüssel zwischen Vorder- und Rückgebäude sollte geändert werden.

Zu TOP 5 "Beschluss zur Einleitung eines Gerichtsgutachtens zur Schadensfeststellung der Absenkung der Terrasse im Rückgebäude" wurde folgender Beschluss gefasst:

Die Schäden an der Terrasse im Rückgebäude werden möglicherweise irreversiblen Charakter annehmen, wenn nicht umgehend Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Zuvor muss der Schaden jedoch festgestellt und quantifiziert werden.

Aus diesem Grund schlägt Herr K. die Einleitung eines Gerichtsgutachtens vor, welches den Schaden als solchen und dessen verantwortlichen Verursacher feststellen soll. Die Kosten hierfür trägt die WEG nach Eigentumsanteilen.

Die Antragsteller haben, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, beim Amtsgericht beantragt, die Beschlüsse zu den TOP 2 und 5 der Eigentümerversammlung vom 24.2.2001 für ungültig zu erklären und festzustellen, dass der zur TOP 3 der genannten Eigentümerversammlung gefasste Beschluss nichtig sei.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 13.8.2001 diesen Anträgen entsprochen. Die Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht mit Beschluss vom 18.2.2002 zurückgewiesen, den Antragsgegnern als Gesamtschuldnern die Gerichtskosten auferlegt und eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht angeordnet. Die weitere Beschwerde der Antragsgegner richtet sich gegen die Zurückweisung ihrer Beschwerde durch das Landgericht. Die Antragsteller erstreben mit ihrer Anschlussbeschwerde die Auferlegung ihrer außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren auf die Antragsgegner.

II.

Die Rechtsmittel sind zulässig, haben in der Sache aber keinen Erfolg.

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner ist zulässig. Insbesondere besteht weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl die beschlossene Maßnahme bereits durchgeführt ist. Die Antragsteller erklären sich nämlich mit der Maßnahme nicht einverstanden und eine Rückgängigmachung der Veränderung ist nicht ausgeschlossen. Außerdem könnte auch bei getrennten Anlagen eine Kostenverteilung entsprechend den Regelungen der Teilungserklärung durchgeführt werden.

Die Einlegung einer Anschlussrechtsbeschwerde mit dem Ziel einer Abänderung der Kostenentscheidung ist zulässig (Beschluss des Senats vom 8.8.2002 - 2Z BR 5/02).

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Beschluss zu TOP 2 sei für ungültig zu erklären, weil er geeignet sei, den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, eine Unrichtigkeit der Niederschrift dürfe auch von den bei der Beschlussfassung überstimmten oder an ihr nicht beteiligten Wohnungseigentümern nicht mehr geltend gemacht werden.

Der Beschluss zu TOP 5 entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Regelung zur Kostentragung sei nicht von der Gemeinschaftsordnung gedeckt. Die Terrasse, bezüglich derer ein Gutachten erholt werden solle, seien als Sondernutzungsfläche den Wohnungseinheiten im Rückgebäude zugewiesen. Die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten, zu denen auch die Kosten eines Gutachtens gehören würden, seien allein von diesen Eigentümern zu tragen. Aus Ziff. 3.1 der- Gemeinschaftsordnung ergebe sich nicht nur eine Kostentragungsregelung für die Instandhaltung, sondern auch eine verwaltungsmäßige Trennung. Ein Beschluss, welcher eine Instandhaltungsmaßnahme lediglich für das Rückgebäude betreffe, entspreche daher nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Der zu TOP 3 gefasste Beschluss sei nichtig, da den Eigentümern die Beschlusskompetenz hierfür fehle. Die Antragsgegner könnten sich auch nicht auf frühere Beschlüsse berufen, da diese ebenfalls nichtig seien. Eine Auslegung der Beschlüsse als Vereinbarung scheide schon deshalb aus, weil nicht alle Eigentümer in den betreffenden Versammlungen anwesend oder vertreten gewesen seien. Die Trennung der Versorgungsanlagen betreffe das Grundverhältnis zwischen den Wohnungseigentümern, zumal sie der Vorbereitung einer späteren Realtrennung des Grundstücks dienen sollten. Eine modernisierende Instandsetzung liege nicht vor.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass ein Beschluss über die Berichtigung der Protokolle früherer Eigentümerversammlungen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Der Senat (NJW-RR 1987, 1363) hat bereits entschieden, dass eine Genehmigung des Protokolls nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, da dadurch der unzutreffende Eindruck erweckt wird, eine Unrichtigkeit der Niederschrift dürfe nicht mehr geltend gemacht werden. Diese Grundsätze gelten entsprechend für eine Berichtigung von Niederschriften. Auch hierdurch wird der unzutreffende Eindruck erweckt, dass die berichtigte Fassung die allein maßgebliche sei. Darüber hinaus fehlt es der Eigentümerversammlung auch an einer Zuständigkeit für die Abfassung und damit auch für die Berichtigung einer Niederschrift. Die nach § 24 Abs. 6 Satz 1 WEG aufzunehmende Niederschrift ist nach § 24 Abs. 6 Satz 2 WEG von dem Vorsitzenden und einem Wohnungseigentümer und, falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, auch von dessen Vorsitzenden oder seinem Vertreter zu unterschreiben. Nur diesen Personen und nicht der Gesamtheit der Wohnungseigentümer obliegt deshalb die Abfassung und damit auch eine eventuelle Berichtigung der Niederschrift.

b) Auch der Beschluss zu TOP 5 entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Das Landgericht hat zum Umfang der Schäden keine näheren Feststellungen getroffen. Nach dem in den Akten befindlichen Sachverständigengutachten dürfte es sich jedoch jedenfalls nicht um eine Instandhaltungsmaßnahme im Sinne von III.3.1. der Gemeinschaftsordnung handeln. Allerdings erwähnt Nr. VI.6.1. der Gemeinschaftsordnung neben der Instandhaltung auch die Instandsetzung und enthält insofern einen gewissen Widerspruch zu III.3.1. Die Überschrift Wiederaufbau von Nr. IX. der Gemeinschaftsordnung deutet zwar auf eine Parallelität zur Regelung des § 22 Abs. 2 WEG hin. Der Begriff der Zerstörung umfasst jedoch auch eine notwendige Sanierung (BayObLG ZMR 2001, 832/833). Es kann aber dahinstehen, wie die Teilungserklärung in diesem Punkt auszulegen ist und unter welche Regelung die Schadensbeseitigung fallen würde. Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich nämlich aus anderen Gründen als richtig.

Der Beschluss zu TOP 5 entspricht schon deshalb nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil er, worauf die Antragsteller bereits in ihren Schriftsätzen vom 18.4.2001 (S. 3) und 12.11.2001 (S. 3) hingewiesen haben, zu unbestimmt ist. Da es ein "Gerichtsgutachten" nicht gibt, ist der Beschluss nach seiner nächstliegenden Bedeutung dahin auszulegen, dass die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens gemeint ist. Ein solches Verfahren muss aber nach §§ 485 ff. ZPO einen Gegner haben. Wer dieser Gegner sein soll, kann dem Beschluss nicht entnommen werden. Denkbar sind der Bauträger, der Verkäufer, Personen, die an der Errichtung des Bauwerkes beteiligt waren, wenn allen oder einzelnen Wohnungseigentümern evtl. Ansprüche gegen diese Personen abgetreten sind, aber auch die Eigentümer selbst, wenn die Kostentragung für die Behebung der Schäden von deren Umfang oder einer möglichen Verursachung durch einzelne Wohnungseigentümer abhängt. Gegen wen sich das Beweisverfahren richten soll, lässt sich dem Beschluss auch durch Auslegung nicht entnehmen.

c) Zutreffend ist auch die Auffassung des Landgerichts, dass der Beschluss zu TOP 3 nichtig ist. Der Eigentümerversammlung fehlt hierfür die Beschlusskompetenz (vgl. BGH NJW 2000, 3500).

Durch die Trennung der Heizungsanlage wird von den Regelungen der Gemeinschaftsordnung abgewichen. Dort ist unter III.3.1.b) vorgesehen, dass die gemeinsame Heizungsanlage für Vorderhaus und Rückgebäude mit den Zu- und Ableitungen, soweit sie der Versorgung beider Häuser dienen, verwaltungsmäßig und unterhaltungsmäßig der gemeinsamen Verwaltung unterliegen. Die Kostenverteilung ist in VI.6.2.2. geregelt. Danach erfolgt eine gemeinschaftliche Kostenverteilung. Die Änderungsmöglichkeit bezieht sich nur auf die Änderung des Verteilungsschlüssels, nicht aber auf eine Trennung der Versorgungsleitungen und die Errichtung einer eigenen Heizungsanlage in einem Gebäude.

Auf den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 16.5.2000 können sich die Antragsgegner schon deshalb nicht berufen, weil auch dieser Beschluss nichtig ist, da der Wohnungseigentümerversammlung die Kompetenz zum Beschluss einer Änderung der Teilungserklärung fehlt (BGH NJW 2000, 3500). Rechtsfehlerfrei und damit für den Senat bindend hat das Landgericht festgestellt, dass in dieser Versammlung nicht alle Eigentümer anwesend oder vertreten waren. Eine Auslegung des gefassten Beschlusses als Vereinbarung scheidet damit schon aus diesem Grunde aus.

Dass lediglich eine modernisierende Instandsetzung vorliegt, wie die Rechtsbeschwerde meint, lässt sich selbst dem Vortrag der Antragsgegner nicht entnehmen. Es geht nicht um die Modernisierung einer vorhandenen Anlage, sondern um die Errichtung einer neuen Anlage unter Abtrennung von der bestehen bleibenden alten.

d) Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen hat der Senat ungeachtet der Anschlussbeschwerde von Amts wegen zu überprüfen. Allerdings prüft das Rechtsbeschwerdegericht die Kostenentscheidung des Tatrichters, die eine Ermessungsentscheidung darstellt, nur auf ihre Gesetzmäßigkeit (BayObLGZ 1987, 381/386; Beschluss des Senats vom 8.8.2002 - 2Z BR 5/02).

Die Entscheidung des Landgerichts lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Das Landgericht hat den Antragsgegnern als den Unterlegenen die Gerichtskosten nach § 47 Satz 1 WEG auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten sind von den Beteiligten grundsätzlich jeweils selbst zu tragen (Beschluss des Senats vom 8.8.2002 - 2Z BR 5/02; Palandt/Bassenge § 47 WEG Rn. 4 m. w. N.). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller ist nicht deshalb auszusprechen, weil das Landgericht auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Beschwerde hingewiesen und die Antragsgegner ihre Beschwerde gleichwohl nicht zurückgenommen haben. Zum einen muss es den Beteiligten unbenommen sein, auch eine negative Entscheidung des Landgerichts abzuwarten, um dagegen Rechtsmittel einlegen zu können. Zum anderen wurde der Hinweis des Landgerichts erst am Ende der mündlichen Verhandlung gegeben. Zu diesem Zeitpunkt waren die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller, insbesondere die Rechtsanwaltskosten, bereits entstanden.

4. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren erscheint es hingegen nach § 47 WEG angemessen, den Antragsgegnern die Gerichtskosten aufzuerlegen und zudem eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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