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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.04.2002
Aktenzeichen: 2Z BR 30/02
Rechtsgebiete: BGB, GBO, WEG


Vorschriften:

BGB § 877
BGB § 876
GBO § 19
WEG § 10 Abs. 2
Die Zuweisung einer bestimmten Grundstücksfläche zur Sondernutzung als Kfz-Stellplatz schließt eine andere Nutzung dieser Fläche aus.
Gründe:

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Mit notarieller Vereinbarung vom 7.11.2001 änderten sie die ursprüngliche Teilungserklärung. Unter anderem begründeten sie ein Sondernutzungsrecht für einen Eigentümer in Form eines Kfz-Abstellplatzes.

In den Wohnungsgrundbüchern ist in Abteilung II ein Kinderspielplatzmitbenutzungsrecht für die jeweiligen Eigentümer eines anderen Grundstücks und ein Geh- und Fahrtrecht für den jeweiligen Eigentümer einer Wohnung in einer anderen Wohnanlage eingetragen.

Das neu begründete Sondernutzungsrecht soll sich teilweise auf die Fläche erstrecken, für die das Kinderspielplatzmitbenutzungsrecht besteht. Die Ausübung des Geh- und Fahrtrechts ist auf einen anderen Teil des Grundstücks beschränkt.

Die Beteiligten haben die Eintragung der Vereinbarung vom 7.11.2001 in die Wohnungsgrundbücher beantragt. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 5.2.2002 die Zustimmung der dinglich Berechtigten der Rechte in Abteilung II für erforderlich erachtet und darauf hingewiesen, dass Pkw-Stellplatz und Spielplatz auf der gleichen Fläche nicht möglich seien.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist teilweise begründet.

1. Vorab ist klarzustellen, dass Beteiligte des Verfahrens die im Rubrum dieses Beschlusses genannten Personen sind. Der Notar selbst ist nicht Beteiligter. Er handelt gemäß § 15 GBO für die Beteiligten. Im Eintragungsantrag hat der Notar ausdrücklich auf § 15 GBO hingewiesen. In den Beschwerdeschriftsätzen fehlt zwar dieser ausdrückliche Hinweis, jedoch ergibt sich aus den Umständen, dass der Notar nicht im eigenen Namen, sondern für die Beteiligten gehandelt hat, zumal dem Notar ein eigenes Beschwerderecht nicht zustünde (vgl. Demharter GBO 24. Aufl. § 15 Rn. 20 m.w.N.).

2. Das Landgericht hat, teilweise unter Bezugnahme auf die Zwischenverfügung des Amtsgerichts, ausgeführt:

Die Zustimmung der Berechtigten der in Abteilung II eingetragenen Rechte sei erforderlich. Sie seien betroffen im Sinne des § 19 GBO, da eine Beeinträchtigung schon dann vorliege, wenn das Recht durch die Eintragung unter Umständen eine ungünstigere Gestaltung erführe. Das Kinderspielplatzmitbenutzungsrecht würde zwar rein formal betrachtet fortbestehen, jedoch liege ein Betroffensein im Sinne des § 19 GBO auch dann vor, wenn die faktische Ausübungsmöglichkeit dieses Rechts beeinträchtigt würde. Eine solche Beeinträchtigung liege vor, weil sich eine Nutzung als Kfz-Abstellplatz und eine Nutzung als Kinderspielplatz gegenseitig ausschlössen.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.

a) Betroffen im Sinne des § 19 GBO ist derjenige, dessen grundbuchmäßiges Recht im Zeitpunkt der Grundbucheintragung von dieser rechtlich beeinträchtigt wird oder beeinträchtigt werden kann. Das ist dann der Fall, wenn die dingliche Rechtsstellung des Rechtsinhabers durch die vorzunehmende Eintragung irgendwie ungünstiger gestaltet wird oder zumindest ungünstiger gestaltet werden kann. Dies setzt ein rechtliches, nicht nur ein tatsächliches oder wirtschaftliches Betroffensein voraus (BGHZ 91, 343 ff.; BayObLGZ 1981, 156/158; 1985, 141/142).

Materiell-rechtlich ist ein im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht weder ein dingliches noch ein grundstücksgleiches Recht, sondern ein schuldrechtliches Gebrauchsrecht. Mit der Eintragung im Grundbuch bewirkt es allerdings eine Inhaltsänderung aller Wohnungseigentumsrechte (BGHZ 91, 343 ff.; BayObLG ZMR 2000, 638 ff. = DNotZ 2002, 142 ff.). Zur Inhaltsänderung ist nach §§ 876, 877 BGB die Zustimmung eines Dritten erforderlich, mit dessen Recht das Wohnungseigentum belastet ist, es sei denn, dass die dingliche Rechtsstellung des Dritten durch die Änderung rechtlich nicht berührt wird (BGHZ 91, 343/346). Soweit danach die Zustimmung notwendig ist, bedarf es grundbuchrechtlich der Bewilligung (Demharter § 19 Rn. 53).

b) Durch die Begründung des Sondernutzungsrechtes wird das Kinderspielplatzmitbenutzungsrecht rechtlich beeinträchtigt, so dass die Vorinstanzen zu Recht die Zustimmung des insoweit dinglich Berechtigten verlangt haben.

Dabei kann es dahinstehen, ob bereits der Umstand, dass an einer Teilfläche des Spielplatzes statt einer gemeinschaftlichen Berechtigung eine Einzelnutzungsberechtigung in der Form eines Sondernutzungsrechtes geschaffen werden soll, eine Beeinträchtigung darstellt.

Die rechtliche Beeinträchtigung ergibt sich daraus, dass über die Benutzungsberechtigung hinaus auch die Benutzungsart verändert werden soll. Die betroffene Grundstücksfläche soll als Kfz-Stellplatz genutzt werden. Damit ist einerseits positiv geregelt, dass der Sondernutzungsberechtigte die Fläche zum Abstellen von Kraftfahrzeugen nutzen kann. Andererseits ist damit aber auch negativ geregelt, dass eine andere Art der Benutzung ausgeschlossen ist. Das ergibt sich aus der eindeutigen Bezeichnung des Sondernutzungsrechts als "Kfz-Sondernutzungsrecht" bzw. "Kfz-Stellplatz".

Wäre die Begründung dieses Sondernutzungsrechtes materiellrechtlich wirksam und im Grundbuch eingetragen, wären die Wohnungseigentümer rechtlich nicht mehr in der Lage, dem Berechtigten des Kinderspielplatzmitbenutzungsrechtes die uneingeschränkte Ausübung dieses Rechtes zu ermöglichen. Dem stünde nämlich die Zweckbestimmung als Kfz-Stellplatz nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich entgegen, da aufgrund der Inhaltsänderung des Wohnungseigentums eine Nutzung als Kinderspielplatz nicht mehr uneingeschränkt zulässig wäre. Das belastete Wohnungseigentum böte nämlich rechtlich nicht mehr die Möglichkeit, die gesamte Fläche als Kinderspielplatz zu nutzen, so dass die Dienstbarkeit eine Verpflichtung beinhalten würde, die rechtlich nicht erfüllt werden könnte. Für ein Kinderspielplatzmitbenutzungsrecht gibt es keine Grundlage, wenn kein Kinderspielplatz betrieben werden kann.

Der Senat folgt nicht der Auffassung von Röll (MünchKomm BGB 3. Aufl. § 10 WEG Rn. 16), wonach die Zustimmung der Inhaber von Dienstbarkeiten zur Änderung der Gemeinschaftsordnung in keinem Fall erforderlich sei. Zwar ist eine Dienstbarkeit gegen jeden Wohnungseigentümer durchsetzbar, wenn jedes Wohnungseigentum mit der Dienstbarkeit belastet ist. Die Dienstbarkeit kann jedoch nur dann durchgesetzt werden, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit nach dem Inhalt des belasteten Wohnungseigentums überhaupt möglich ist. Der Vorrang der Dienstbarkeit vor einer Änderung der Gemeinschaftsordnung kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Rangverhältnisses begründet werden. Ein Rangverhältnis besteht nach § 879 BGB grundsätzlich nur zwischen mehreren Rechten, mit denen ein Grundstück belastet ist, nicht aber zwischen dem Grundstück und dem darauf lastenden Recht (Demharter § 45 Rn. 15). Der Inhalt des Wohnungseigentums, wie er unter anderem durch die Begründung von Sondernutzungsrechten ausgestaltet wird, ist aber keine Belastung des Grundstücks.

c) Die weitere Beschwerde ist jedoch insoweit begründet, als die Vorinstanzen auch eine Zustimmung des Berechtigten des Geh- und Fahrtrechts verlangt haben. Die Vorinstanzen haben zur näheren Ausgestaltung des Geh- und Fahrtrechts keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Der Senat kann jedoch die erforderlichen Feststellungen anhand der Akten selbst treffen. In den jeweiligen Wohnungsgrundbüchern ist für das Geh- und Fahrtrecht Bezug genommen auf die Bewilligung vom 13.11.1990. Danach beschränkt sich die Ausübung des Geh- und Fahrtrechts auf die im Lageplan gekennzeichnete Grundstücksfläche. Die vom Geh- und Fahrtrecht betroffene Fläche liegt an einer anderen Stelle des Grundstücks als der verfahrensgegenständliche Kfz-Stellplatz. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Geh- und Fahrtrechts ist deshalb ausgeschlossen.

Es besteht somit weder materiell-rechtlich eine Zustimmungspflicht nach §§ 877, 876 BGB noch ist der Geh- und Fahrtberechtigte betroffen im Sinne des § 19 GBO.

Ende der Entscheidung

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