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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 14.05.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 30/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG
Vorschriften:
BGB § 242 | |
BGB § 1004 | |
WEG § 22 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Die Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Die Antragsgegnerin hat den Balkon ihrer Wohnung durch eine Verglasung geschlossen.
Unter dem Abschnitt "Instandhaltung und Instandsetzung" der als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung ist bestimmt, dass die äußere Gestaltung der Gebäude nicht verändert werden darf.
Auf Antrag der Antragsteller hat das Amtsgericht die Antragsgegnerin am 26.6.2002 verpflichtet, die Balkonverglasung zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 3.2.2003 die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Antragsgegnerin müsse die Balkonverglasung beseitigen, weil sie gegen die in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Bestimmung verstoße, nach der die äußere Gestalt des Gebäudes nicht verändert werden dürfe. Die Regelung sei zwar im Abschnitt "Instandhaltung und Instandsetzung" enthalten, sie gelte aber erst recht für darüber hinausgehende bauliche Änderungen. Im übrigen stelle die Balkonverglasung eine bauliche Veränderung mit einer erheblichen optischen Beeinträchtigung der Fassade dar. Dies ergebe sich aus den vorgelegten Lichtbildern. Der überwiegende Teil der Balkone sei nicht verglast. Auf die strittige Behauptung der Antragsgegnerin, dass bei einigen wenigen Verglasungen eine Entfernung rechtlich nicht mehr durchsetzbar sei, komme es somit nicht an. Ein Rechtsmissbrauch der Antragsteller durch die Inanspruchnahme gerade der Antragsgegnerin liege nicht vor. Es liege vielmehr nahe, dass die Antragsteller zunächst gegen Wohnungseigentümer vorgingen, die ihre Balkonverglasung erst kürzlich und trotz Wissen um die von der Verwalterin angenommene Genehmigungspflicht ohne Genehmigung angebracht hätten.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Eine bauliche Veränderung, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht, bedarf nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG der Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG genannte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Ein Nachteil im Sinn des § 14 Nr. 1 WEG kann auch in der optisch nachteiligen Veränderung des Gesamteindrucks des Gebäudes liegen. ob eine solche vorliegt, obliegt der Beurteilung durch den Tatrichter, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann. Bei den Akten befindliche Lichtbilder können eine ausreichende Beurteilungsgrundlage sein, die einen Augenschein erübrigen (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. BayObLG NZM 1998, 980 m. w. N.; Beschluss des Senats vom 17.4.2003 - 2Z BR 26/03).
b) Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht ohne Rechtsfehler das Vorliegen einer zustimmungspflichtigen baulichen Veränderung bejaht. Der Beseitigungsanspruch der Antragsteller ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG.
Die bauliche Veränderung durch die Antragsgegnerin kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass andere Wohnungseigentümer in der Vergangenheit ebenfalls Balkonverglasungen angebracht haben. Einem Beseitigungsverlangen kann zwar grundsätzlich nach § 242 BGB der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden (vgl. BayObLG WuM 2002, 164). Einen Rechtsmissbrauch hat das Landgericht aber zu Recht verneint. Es hat aufgrund der vorliegenden Lichtbilder eine nachteilige Veränderung des optischen Gesamteindrucks durch die von der Antragsgegnerin vorgenommene Verglasung trotz der bereits von anderen Wohnungseigentümern vorgenommenen Veränderung der Fassade bejaht, indem es ausgeführt hat, der optisch nachteilige Eindruck der Fassade werde durch die uneinheitliche Verglasung der Wohnung der Antragsgegnerin noch verstärkt. Diese Feststellungen binden das Rechtsbeschwerdegericht.
Ein Rechtsmissbrauch liegt auch nicht darin, dass die Antragsteller zwar gegen einen Großteil der Wohnungseigentümer vorgehen, die die Balkonverglasung angebracht haben, nicht aber gegen alle. Bei der im Rahmen der Prüfung eines Rechtsmissbrauchs vorzunehmenden Abwägung fällt insbesondere ins Gewicht, dass sich die Antragsgegnerin erst jüngst in Kenntnis des Streits über die Balkonverglasungen über die Bestimmung der Gemeinschaftsordnung, nach der die äußere Gestaltung des Gebäudes nicht verändert werden darf, hinweggesetzt hat. Dabei weist das Landgericht zutreffend darauf hin, dass die Regelung über die äußere Gestaltung der Gebäude zwar unter dem Abschnitt "Instandhaltung und Instandsetzung" der Gemeinschaftsordnung enthalten ist, erst recht aber dann gilt, wenn eine bauliche Veränderung vorliegt, die über eine Instandsetzung oder Instandhaltung hinausgeht. Es kann offen bleiben, ob die Behauptung der Antragsgegnerin zutrifft, bei vier Balkonen könne ein Beseitigungsverlangen nicht mehr durchgesetzt werden, weil die Verglasungen bereits seit mehr als 20 Jahren bestünden. Jedenfalls ist die von der Antragsgegnerin erst kürzlich vorgenommene Verglasung ihres Balkons damit nicht vergleichbar. Von der fehlenden Vergleichbarkeit abgesehen gibt es im Übrigen keine Gleichheit im Unrecht (BayObLG WuM 1993, 564; Beschluss des Senats vom 17.4.2003 - 2Z BR 26/03).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf § 48 Abs. 3 WEG.
Ende der Entscheidung
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