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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.06.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 32/01
Rechtsgebiete: BGB, WEG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 38
BGB § 389
WEG § 47
ZPO § 91a
Erledigendes Ereignis im Wohnungseigentumsverfahrens kann auch die im Wohngeldverfahren abgegebene Aufrechnungserklärung selbst dann sein, wenn die Forderungen als in einem Zeitpunkt erloschen gelten, der vor der Rechtshängigkeit der im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten Forderungen liegt.
Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Dr. Delius und Lorbacher

am 7. Juni 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Wohngeldforderung,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 10. Januar 2001'wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Kostenentscheidung für den Beschwerderechtszug aufgehoben und für die erste Instanz hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten dahin ergänzt wird, dass die Antragsteller dem Antragsgegner 30 % und der Antragsgegner den Antragstellern 70 % der jeweils angefallenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten haben.

II. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsteller als Gesamtschuldner und der Antragsgegner je zur Hälfte zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet in diesem Rechtszug nicht statt.

III. Der Antragsgegner hat die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

IV. Der Geschäftswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4996,99 DM und für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 2.650 DM festgesetzt. Insoweit wird der Beschluss des Landgerichts (Nr. III) abgeändert.

Gründe:

I.

Die Antragsteller, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, verlangten vom Antragsgegner als deren Mitglied die Zahlung von Wohngeld. Im Grundbuch ist der Antragsgegner als Wohnungseigentümer seit 9.6.1997 eingetragen. Die Wohngeldforderung setzte sich im wesentlichen aus Vorschuss- und Nachforderungen für den Zeitraum von November 1996 bis Juni 2000 zusammen. In erster Instanz haben die Antragsteller nach Rücknahme einer Wohngeldvorschussforderung von 1862,-- DM ihre Forderungen noch mit 12219,48 DM berechnet, gegen die der Antragsgegner seinerseits hilfsweise mit einer als solchen unbestrittenen (Teil-)Forderung über 12000,-- DM die Aufrechnung erklärt hat. Diese Forderung stammt aus einem gerichtlichen Vergleich vom 13.11.1996 zwischen den Antragstellern und der Mutter des Antragsgegners, welche die Forderung an ihren Ehemann abgetreten hat. Dieser hat schließlich am 18.6.1997 noch vor Anhängigkeit des Wohngeldantrags die Forderung an den Antragsgegner abgetreten.

Vor dem Amtsgericht haben die Antragsteller die Hauptsache in Höhe des aufgerechneten Betrags für erledigt erklärt; der Antragsgegner hat dem widersprochen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 20.7.2000 den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragsteller zur gesamten Hand 219,48 DM nebst Zinsen zu bezahlen und im übrigen ausgesprochen, dass die Hauptsache erledigt ist. Von den Gerichtskosten hat es den Antragstellern 1/3 und dem Antragsgegner 2/3 auferlegt. Mit seiner unbeschränkten sofortigen Beschwerde hat der Antragsgegner im wesentlichen geltend gemacht, für die verlangten Vorschüsse von 2394,-- DM aus dem Jahr 1996 bis einschließlich Juli 1997 hafte er nicht, weil er noch nicht Wohnungseigentümer gewesen sei. Die Jahresabrechnung 1997 mit einer Abrechnungsspitze von 383,51 DM hat er nicht gegen sich gelten lassen. Gegen den zugesprochenen Restbetrag von 219,48 DM hat er schließlich hilfsweise die Aufrechnung mit einer weiteren unstreitigen Forderung erklärt und beanstandet, dass er überhaupt mit anteiligen Gerichtskosten belastet worden ist.

Auf die umfassende Erledigungserklärung der Antragsteller hat das Landgericht am 10.1.2001 unter Nr. I seines Beschlusses festgestellt, dass die Hauptsache in Höhe eines Betrags von 10091,48 DM erledigt ist, im übrigen den Antrag der Antragsteller abgewiesen und die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Von den gerichtlichen wie den außergerichtlichen Kosten erster Instanz hat das Landgericht den Antragstellern 30 % und dem Antragsgegner 70 %, von denen des Beschwerdeverfahrens den Antragstellern 70 % und dem Antragsgegner 30 % auferlegt. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§ 45 Abs. 1 WEG, §§ 27, 29 FGG).

Der Rechtsbeschwerdeantrag richtet sich in der Sache zunächst gegen den Teil des Beschlusses in Nr. I, durch den die sofortige Beschwerde zurückgewiesen wurde. Darüber hinaus ergibt sich aus der Rechtsmittelbegründung aber auch, dass sich der Antragsgegner gegen die festgestellte Teilerledigung in der Hauptsache wendet. Denn er setzt sich ganz überwiegend mit der Frage auseinander, ob die Erledigung schon vorprozessual durch die Aufrechnungslage oder erst im Verfahren durch die nun erklärte Aufrechnung eingetreten ist. Da die Teilerledigung auch in der Beschwerdeinstanz strittig war, liegt kein Fall der unzulässigen Antragserweiterung in der Rechtsbeschwerdeinstanz (dazu BayObLGZ 1996, 58/62 und 188/192) vor.

b) Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 750 Euro (§ 45 Abs. 1 WEG). Der Beschwerdewert ist nicht gleichzusetzen mit dem Geschäftswert im Sinne von § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG. Er ist immer nach der Beschwer des Rechtsmittelführers und seinem Interesse an einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu bemessen. Die Belastung des Rechtsmittelführers mit Verfahrenskosten hat dabei außer Betracht zu bleiben (BGHZ 119, 216, 218 ff. und ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. BayObLGZ 1990, 141/144; BayObLG NZM 2000, 1240).

Die Beschwer des Antragsgegners bemisst sich danach, um welchen Betrag die angegriffene gerichtliche Entscheidung hinter seinem Antrag zurückgeblieben ist. Die Beschwer folgt somit zum einen aus dem wert des zweitinstanzlich noch strittigen Wohngeldbetrags, den das Landgericht den Antragstellern als ursprünglich zustehend anerkannt hat, also 649,51 DM. Hinzuzurechnen ist zum anderen aber auch das auf den erledigt erkannten Teil bezogene Kosteninteresse des Antragsgegners (BayObLG WuM 1991, 715/716; Beschluss vom 25.5.2001, 2Z BR 133/00). Die Beschwer ergibt sich in diesem Fall aus der Belastung des Antragsgegners mit gerichtlichen und außergerichtlichen Kost en, die auf den als erledigt bezeichneten Teil entfallen. Allein schon dieses Kosteninteresse übersteigt den in § 45 Abs. 1 WEG bestimmten Wert.

2. Die sofortige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

a) Das Landgericht hat ausgeführt:

Der einseitige Erledigungsantrag der Antragsteller sei als Feststellungsantrag, dass die Hauptsache sich erledigt hat, aufzufassen. Dieser habe überwiegend, nämlich in Höhe von 10091,48 DM, Erfolg. Dagegen schulde der Antragsgegner in Höhe von 2128,-- DM kein Wohngeld. Er sei erst am 9.6.1997 als Wohnungseigentümer ins Grundbuch eingetragen worden und hafte nicht für Rückstände des Voreigentümers. Der notarielle Wohnungskaufvertrag führe zu keiner anderen Beurteilung.

Dagegen hafte der Antragsgegner für die Abrechnungsspitze von 383,51 DM aus der bestandskräftigen Jahresabrechnung 1997. Der noch vom Amtsgericht zuerkannte Betrag von 219,48 DM sei durch die weitere Aufrechnung des Antragsgegners erledigt.

Für die Kostenentscheidung sei zu berücksichtigen, dass die Antragsteller hinsichtlich des durch Aufrechnung erledigten Teils obsiegt hätten. Denn bis zum erledigenden Ereignis der Aufrechnung seien deren Anträge zulässig und begründet gewesen.

b) Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

(1) Substantielle Angriffe gegen die Ansicht des Landgerichts, die Wohngeldforderungen der Antragsteller seien, berechnet ab dem Zeitpunkt des Eigentumswechsels durch Grundbucheintragung (§ 4 Abs. 1 WEG), mit 10.091,48 DM begründet gewesen, führt der Antragsgegner nicht; auch aus dem unstreitigen Akteninhalt ergeben sich keine Zweifel an der ursprünglichen Berechtigung dieser Forderungen.

(2) Die Hauptsache hat sich in dieser Höhe durch die im Verfahren erklärte Aufrechnung des Beklagten erledigt.

Erledigung tritt im Wohnungseigentumsverfahren ein, wenn der Antrag des Antragstellers nach der Verfahrenseinleitung durch ein tatsächliches Ereignis gegenstandslos wird und die Fortführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hat, d.h. wenn der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, das eine Änderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, entfällt (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. WE 1996, 145; 1997, 153/154; ferner Bärmann/Merle WEG 8. Aufl. § 44 Rn. 92; Demharter ZMR 1987, 201).

Strittig ist, ob als erledigendes Ereignis die Aufrechnungslage (§ 389 BGB), welche hier bereits vor Anhängigkeit des Wohngeldantrags bestand, oder aber erst die im Verfahren abgegebene Aufrechnungserklärung (§ 388 Satz 1 BGB) anzusehen ist. Während teilweise auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage abgestellt wird (Musielak/Wolst ZPO § 91a Rn. 57; Zöller/ Vollkommer ZPO 22. Aufl. § 91a Rn. 58 Stichwort "Aufrechnung"; Baumbach/Hartmann ZPO 59. Aufl. § 91a Rn. 120 Stichwort "Aufrechnung"; dem folgend OLG Hamm MDR 2000, 296 f.), findet sich, vor allem auch in der Rechtsprechung, die Ansicht, maßgeblich sei der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung (OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 432; OLG Frankfurt FamRZ 1991, 1457; siehe auch Stein/Bork ZPO 21. Aufl. § 91a Rn. 6; ausführlich Schneider MDR 2000, 507). Der letztgenannten Meinung folgt offensichtlich der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 6.12.1984 (NJW 1986, 588 f.).

Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass die abgegebene Aufrechnungserklärung das erledigende Ereignis bildet. Denn erst die Aufrechnungserklärung als tatsächlicher Vorgang führt die prozessuale Erledigung herbei. Die durch § 389 BGB angeordnete Rückwirkung ist lediglich eine materiell-rechtliche Fiktion, die für die verfahrensmäßige Frage der Erledigung bedeutungslos ist. Auch die Überlegung, die Antragsteller ihrerseits hätten bereits vorprozessual die Aufrechnung erklären und sich damit das gerichtliche Verfahren ersparen können, ist nicht stichhaltig. Dies belegt der gegenständliche Vorgang nachdrücklich. Die Kläger wussten nämlich bis zur Offenlegung der Abtretung durch den Antragsgegner im Verfahren nicht, dass eine Aufrechnungslage bestand. Denn ursprünglich fehlte es an der Gegenseitigkeit, weil die Forderung gegen die Wohnungseigentümer zunächst anderen Personen, nicht aber dem Antragsgegner zustand.

(3) Klarzustellen ist, dass die Wohngeldforderung von 10091,48 DM bereits infolge der Aufrechnung mit der abgetretenen Teilforderung von 12000,-- DM vollständig erloschen ist. Die in der Beschwerdeinstanz hilfsweise erklärte weitere Aufrechnung mit einer Kostenforderung auf den erstinstanzlich zuerkannten Betrag von 219,48 DM, der in dem insgesamt geschuldeten Wohngeldbetrag von 10091,48 DM enthalten ist, ist demnach gegenstandslos.

c) Die vom Landgericht für die erste Instanz getroffene Kostenentscheidung entspricht der Billigkeit (§ 47 WEG). Zwar bedingt § 389 BGB, dass die wechselseitigen Forderungen hier schon zu einem Zeitpunkt vor Rechtshängigkeit als erloschen gelten. Jedoch ist kein durchschlagender Grund dafür erkennbar, das Kostenrisiko auf den Gläubiger abzuwälzen (OLG Düsseldorf und Schneider je aaO). Dies gilt um so mehr, als die Antragsteller die Aufrechenbarkeit der verdeckt abgetretenen Gegenforderung vorprozessual weder kannten noch kennen konnten. Der Senat hat klarstellend die wechselseitige teilweise Erstattungspflicht für die außergerichtlichen Kosten angeordnet.

d) Für das Beschwerdeverfahren hat der Senat noch das Unterliegen des Antragsgegners im mitangefochtenen teilerledigten Teil des Antrags berücksichtigt. Dies bedingt neben einem höheren Geschäftswert auch eine höhere Kostenquote zu Lasten des Antragsgegners. Insgesamt erschien es angemessen, insoweit von einer Erstattung außergerichtlicher Kosten ganz abzusehen.

4. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 WEG. Für diese Instanz erscheint es billig, auch eine Erstattungspflicht gemäß § 47 Satz 2 WEG anzuordnen, weil der Antragsgegner vollständig unterlegen ist.

5. Den Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren bemisst der Senat nach dem noch offenen Hauptsachewert von rund 650 DM und einem geschätzten Kosteninteresse, welches sich auf den erledigten Teil der Hauptsache bezieht (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG) und mit rund 2000 DM angemessen bewertet erscheint. Für das Beschwerdeverfahren wurde dementsprechend noch dieses auf den erledigten Teil entfallende eigenständige Kosteninteresse mitberücksichtigt.

Ende der Entscheidung

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