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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 28.07.2004
Aktenzeichen: 2Z BR 33/04
Rechtsgebiete: BGB, WEG
Vorschriften:
BGB § 242 | |
WEG § 22 Abs. 1 |
2. Ob andere Wohnungseigentümer durch eine bauliche Veränderung über das zulässige Maß hinaus beeinträchtigt werden, obliegt der tatrichterlichen Würdigung und ist durch das Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt nachprüfbar.
3. Der Erwerber einer Eigentumswohnung muss sich bei der Prüfung, ob sein Anspruch auf Beseitigung einer baulichen Veränderung verwirkt ist, Duldung und Zeitablauf während des Eigentums des Rechtsvorgängers zurechnen lassen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin und die Antragsgegner, ein Ehepaar, sind Eigentümer von benachbarten Erdgeschosswohnungen in einer aus zehn Gebäuden bestehenden Wohnanlage, deren Erdgeschosswohnungen teils über einen Balkon, teils über eine Terrasse mit einer Böschung zu der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gartenfläche verfügen. Zur Wohnung der Antragstellerin gehört ein Balkon, zu der der Antragsgegner eine Terrasse.
Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten,
1. die Abdeckung (Teppichbelag) der Kellerschächte an der Terrasse ihrer Wohnung,
2. die Treppe von der Terrasse vor deren Wohnung zur tiefer liegenden Gartenfläche,
3. die unter dem Balkon der Antragstellerin abgestellten Geräte, insbesondere zwei Vogelhäuser und zwei Rechen, zu entfernen.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22.5.2003 die Antragsgegner gesamtschuldnerisch zur beantragten Entfernung verpflichtet.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts am 16.1.2004 hinsichtlich des Antrags Nr. 2 aufgehoben und diesen Antrag abgewiesen; im Übrigen hat es die sofortige Beschwerde unter Neufassung der Verpflichtung zu Antrag Nr. 1 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin unter Wiederholung ihrer Anträge zu Nr. 2 und 3 sofortige weitere Beschwerde eingelegt.
II.
Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist zum Teil unzulässig, im Übrigen unbegründet.
1. Unzulässig ist die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin, soweit sie den Antrag auf Entfernung der Gegenstände unter ihrem Balkon weiterverfolgt. Denn insoweit hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts nicht aufgehoben oder abgeändert, sondern vielmehr bestätigt. Das ergibt sich zweifelsfrei sowohl aus dem Tenor des Beschlusses als auch aus den Gründen (Seite 10 unter 2 b). Damit fehlt es insoweit an einer Beschwer der Antragstellerin durch den Beschluss des Landgerichts.
2. Soweit die sofortige weitere Beschwerde zulässig ist (Antrag auf Entfernung der Treppe von der Terrasse zur Gartenfläche), hat das Landgericht ausgeführt:
Die Errichtung der Treppe in der Böschung zur Terrasse stelle zwar eine bauliche Veränderung dar, die keine Maßnahme der ordnungsmäßigen Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums sei, doch sei dadurch eine über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehende Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer nicht gegeben. Ein Verstoß gegen das in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Verbot von Veränderungen an der äußeren Gestalt des Gebäudes liege nicht vor.
3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Die Errichtung einer wenige Stufen umfassenden Treppe in der Böschung zwischen der Terrasse und der Gartenfläche ist vom Landgericht zutreffend als bauliche Veränderung beurteilt worden, weil dadurch das gemeinschaftliche Eigentum an der Böschung dauerhaft umgestaltet wurde (vgl. BayObLG NZM 2003, 242). Die Beseitigung einer solchen baulichen Veränderung kann aber nur verlangt werden, wenn die Baumaßnahme nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG der Zustimmung des Anspruchstellers bedurft hätte. Dass im vorliegenden Fall die Zustimmung der Antragstellerin nicht erforderlich war, weil der Antragstellerin durch die Treppe in der Böschung kein Nachteil über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus erwächst, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei entschieden.
b) Die Frage, ob eine über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehende Beeinträchtigung gegeben ist, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet (BayObLG NZM 2003, 121 (Ls); WuM 2004, 48). Der Senat kann deshalb als Rechtsbeschwerdegericht die Entscheidung des Landgerichts zu diesem Punkt nur auf Rechtsfehler überprüfen. Ein derartiger Rechtsfehler ist hier nicht erkennbar. Der Senat ist deshalb an die Feststellung des Landgerichts, die Antragstellerin sei durch die Böschungstreppe nicht über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus beeinträchtigt, gebunden. Ausschlaggebend ist vor allem die Erwägung des Landgerichts, dass ein Zugang von der Terrasse zur Gartenfläche und umgekehrt auch ohne die Treppe über die Böschung ohne weiteres möglich ist. Ein solches Gehen über die Böschung könnte die Antragstellerin ebenso wenig verbieten wie den Aufenthalt von Kindern auf der gemeinschaftlichen Gartenfläche oder Blicke anderer Wohnungseigentümer in ihre Wohnung. Denn all dies ist mangels entgegenstehender Vereinbarungen oder Eigentümerbeschlüsse ein ordnungsmäßiger Gebrauch der Böschung und der Gartenfläche im Sinn von § 15 Abs. 3 WEG.
c) Die Errichtung der Treppe verstößt auch nicht gegen das in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Verbot von Veränderungen an der äußeren Gestalt des Gebäudes. Da die Gemeinschaftsordnung als Teil der Teilungserklärung Inhalt des Grundbuchs geworden ist, muss sie nach den Regeln für Grundbucheintragungen ausgelegt werden, nämlich nach der nächstliegenden Bedeutung des Wortlauts für einen unbefangenen Betrachter. Nach der nächstliegenden Bedeutung gehört die Böschung zwischen Terrasse und Gartenfläche nicht zum Gebäude.
d) Selbst wenn aber ein Beseitigungsanspruch der Antragstellerin nach § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG im Grundsatz zu bejahen wäre, könnte die Antragstellerin ihn wegen Verwirkung nicht durchsetzen. Nach den Äußerungen anderer Wohnungseigentümer im Beschwerdeverfahren befinden sich an allen Terrassenböschungen der Wohnanlage ein paar Treppenstufen, die überwiegend bereits vor 20 Jahren kurz nach der Fertigstellung der Wohnanlage entweder mit Zustimmung oder zumindest mit Duldung der übrigen Wohnungseigentümer angebracht wurden. Angesichts der seither vergangenen langen Zeitdauer und der offensichtlichen Duldung durch die übrigen Wohnungseigentümer sind deren ursprünglich etwa bestehende Beseitigungsansprüche nach § 242 BGB verwirkt. Die Duldung über lange Zeit durch ihren Rechtsvorgänger muss sich die Antragstellerin zurechnen lassen, weil sie durch den Kaufvertrag nicht mehr schuldrechtliche Ansprüche erwerben konnte, als ihrem Rechtsvorgänger zustanden (BayObLG NJW-RR 1993, 1165; KG WE 1994, 51/52; OLG Köln ZMR 1998, 459/460).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Dem Senat erscheint es billig, der Antragstellerin im Hinblick auf die teilweise unzulässige weitere Beschwerde einen Teil der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner aufzuerlegen.
Die Geschäftswertfestsetzung, die an die vom Landgericht für angemessen erachteten Einzelwerte anknüpft, beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.
Ende der Entscheidung
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