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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 08.05.2003
Aktenzeichen: 2Z BR 36/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 1
WEG § 22 Abs. 1
Der Tatrichter hat zu beurteilen, ob eine bauliche Veränderung das Gemeinschaftseigentum optisch beeinträchtigt.
Gründe:

I.

Die Antragsteller, der Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer gemäß Teilungserklärung vom 23.2.1996 von der Streithelferin des Antragsgegners errichteten Wohnanlage. Den Antragstellern gehört die Wohnung Nr. 8, dem Antragsgegner gehören die Wohnungen Nr. 4 und 5.

Die Antragsteller kauften ihre Wohnung am 13.5.1996. Am 12.6.1996 wurde für sie eine Eigentumsvormerkung eingetragen. Bezogen wurde die Wohnung von ihnen am 20.12.1996.

Der Antragsgegner kaufte seine Wohnungen am 20.9.1996. Eine Eigentumsvormerkung wurde für ihn am 2.10.1996 eingetragen und bezogen wurden die Wohnungen am 27.2.1997.

Mitte Februar 1997 wurde an den beiden Wohnungen des Antragsgegners auf dessen Veranlassung von seiner Streithelferin Balkone angebracht, die in den ursprünglichen Bauplänen nicht vorgesehen sind.

In dem Kaufvertrag mit dem Antragsgegner wurde diesem in Abweichung von der Teilungserklärung von 1996 ein Sondernutzungsrecht an einer Gartenfläche und an einem Keller eingeräumt. Der Antragsgegner errichtete auf der Sondernutzungsfläche ein Gartenhaus samt Zaun und nahm den Keller in Besitz.

In dem Kaufvertrag der Antragsteller ist der Verkäufer, die Streithelferin des Antragsgegners, ermächtigt, die Teilungserklärung zu ändern oder zu ergänzen, "soweit diese Änderungen oder Ergänzungen das Kaufobjekt nicht berühren".

Am 13.3.1997 änderte die Streithelferin des Antragsgegners die Teilungserklärung vorbehaltlich der Genehmigung der Antragsteller ab. Diese Genehmigung wurde nicht erteilt.

Die Antragsteller haben unter anderem beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, das Gartenhaus einschließlich Zaun und sonstige dort befindliche Gegenstände sowie den im Gemeinschaftseigentum stehenden Keller zu räumen und die Balkone zu entfernen. Die weitere Beteiligte zu 1 hat sich dem Antrag auf Entfernung der Balkone angeschlossen. Das Amtsgericht hat diesen Anträgen am 23.10.2001 unter Abweisung weiterer Anträge stattgegeben. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Antragsgegners und seiner Streithelferin dagegen durch Beschluss vom 14.2.2003 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts ausgeführt: Die Gartenfläche und der streitige Keller seien nach der Teilungserklärung von 1996 Gemeinschaftseigentum. Damit sei es unzulässig, dass der Antragsgegner diese allein nutze und ein Gartenhaus samt Zaun errichtet habe. Ein Sondernutzungsrecht bestehe jedenfalls nicht, weil die Änderung der ursprünglichen Teilungserklärung am 13.3.1997 von den Antragstellern nicht genehmigt worden sei.

Bei den Balkonen handle es sich um bauliche Veränderungen. Die Balkone seien nachträglich angebracht worden und in den ursprünglichen Bauplänen nicht vorgesehen gewesen. Bei Anbringung der Balkone im Frühjahr 1997 habe bereits eine faktische Eigentümergemeinschaft bestanden. Damit habe die Streithelferin des Antragsgegners als Bauträgerin die Verfügungsbefugnis über die Bauausführung verloren. Die Balkone stellten eine erhebliche optische Beeinträchtigung der Wohnanlage dar.

Die Ermächtigung zur Änderung der Teilungserklärung in dem Kaufvertrag mit den Antragstellern umfasse die vorgenommenen Änderungen nicht, weil dadurch die Eigentumsrechte der Antragsteller ausgehöhlt würden. Denn die Änderungen beeinträchtigten den Wert des Wohnungseigentums der Antragsteller. Die Antragsteller seien daher auch nicht verpflichtet, der Änderung zuzustimmen.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Balkone an den beiden Wohnungen des Antagstellers sind nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und damit für das Rechtsbeschwerdegericht bindenden Feststellungen des Landgerichts (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 559 ZPO) in den ursprünglichen Bauplänen nicht vorgesehen und nach Fertigstellung der Wohnanlage erst im Februar 1997 von der Streithelferin des Antragsgegners auf dessen Verlangen angebracht worden. Damit handelt es sich um eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums, die nach der dem Tatrichter obliegenden Beurteilung (vgl. BayObLG NZM 2000, 392) eine optische Beeinträchtigung der Wohnanlage darstellt (§ 22 Abs. 1, § 14 Nr. 1 WEG). Dies begründet den Beseitigungsanspruch der Antragsteller und der weiteren Beteiligten zu 1 gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Antragsteller haben ihre Wohnung, nachdem für sie am 12.6.1996 eine Eigentumsvormerkung eingetragen worden war, am 20.12.1996 bezogen. Damit ist eine werdende Eigentümergemeinschaft entstanden (BayObLGZ 1990, 101). Ab diesem Zeitpunkt war die Streithelferin des Antragsgegners als Bauträgerin nicht mehr berechtigt, Änderungen an dem Bauwerk vorzunehmen, ohne dass die Antragsteller zustimmten (BayObLG NJW-RR 1994, 276 f.). Der Beseitigungsanspruch der Antragsteller wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Balkone von der Bauträgerin angebracht wurden. Maßgebender Zeitpunkt ist nicht der Kaufvertrag mit dem Antragsgegner sondern die tatsächliche Veränderung des Bauwerks im Frühjahr 1997. Auch dem Änderungsvorbehalt in der Baubeschreibung kommt keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Dieser erledigt sich mit Fertigstellung des Bauwerks und lässt nachträgliche Änderungen nicht zu.

b) Der Anspruch der Antragsteller, den Antragsgegner zu verpflichten, die Gartenfläche und den Keller zu räumen und damit dem Gebrauch aller Wohnungseigentümer zugänglich zu machen, ist gemäß § 15 Abs. 3 WEG begründet. Dieser Anspruch schließt den Anspruch auf Beseitigung des vom Antragsgegner errichteten Gartenhauses samt Zaun ein. Dabei handelt es sich um bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums, die den uneingeschränkten Mitgebrauch aller Wohnungseigentümer beeinträchtigen (§ 22 Abs. 1, § 14 Nr. 1 WEG i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Bei der von dem Antragsgegner in Besitz genommenen, mit einem Gartenhaus bebauten und einem Zaun eingefriedeten Grundstücksfläche handelt es sich ebenso wie bei dem von ihm in Besitz genommenen Keller um Gemeinschaftseigentum. Zum Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums ist jeder Wohnungseigentümer nach Maßgabe der §§ 14, 15 WEG berechtigt (§ 13 Abs. 2 Satz 1 WEG). Eine Regelung des Gebrauchs durch Vereinbarung dergestalt, dass einem Wohnungseigentümer das alleinige Nutzungsrecht in Form eines Sondernutzungsrechts eingeräumt wurde (§ 15 Abs. 1 WEG), liegt nicht vor. Die ursprüngliche Teilungserklärung von 1996 sieht eine solche Regelung nicht vor, wohl aber die Änderung vom 13.3.1997. Diese ist aber mangels Zustimmung der Antragsteller nicht wirksam geworden und auch im Grundbuch nicht eingetragen. Die Streithelferin des Antragsgegners geht in der Änderung der Teilungserklärung vom 13.3.1997 selbst davon aus, dass die ihr im Kaufvertrag von den Antragstellern eingeräumte Ermächtigung, die Teilungserklärung zu ändern und zu ergänzen, keine ausreichende Grundlage dafür darstellt, dass sie namens der Antragsteller die Änderung vornehmen kann. Dort ist nämlich die Genehmigung der Antragsteller als noch erforderlich bezeichnet. Eine solche Genehmigung verweigern die Antragsteller zu Recht.

Die Ermächtigung in dem Kaufvertrag ist dahin eingeschränkt, dass der Bauträger zu Änderungen oder Ergänzungen der Teilungserklärung berechtigt ist, soweit das "Kaufobjekt nicht berührt wird". Objekt des Kaufvertrags ist das Wohnungseigentum. Dieses besteht nicht nur aus dem Sondereigentum, sondern auch aus dem Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum. Auch Veränderungen bezüglich des Gemeinschaftseigentums berühren damit das Kaufobjekt Wohnungseigentum. Die Begründung von Sondernutzungsrechten für einzelne Wohnungseigentümer an Teilen des Gemeinschaftseigentums entzieht diese dem gesetzlich vorgesehenen Mitgebrauch der anderen Wohnungseigentümer. Dadurch wird deren Wohnungseigentum berührt. Der Senat verkennt nicht, dass diese der nächstliegenden Bedeutung entsprechende Auslegung die Möglichkeit einer Ergänzung und Änderung der Teilungserklärung nicht unerheblich einschränkt, aber keineswegs jede Änderungsmöglichkeit ausschließt. Die Ermächtigung unterscheidet sich maßgeblich von der Vollmacht, die Gegenstand der Entscheidung des Senats vom 25.8.1994 (BayObLGZ 1994, 244) war. Dort ging die Einschränkung dahin, dass "das Sondereigentum nicht unmittelbar betroffen" sein durfte. Dies könnte die Einschränkung des Mitgebrauchs am Gemeinschaftseigentum ermöglichen.

3. Es erscheint angemessen, dem unterlegenen Antragsgegner die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen und anzuordnen, dass er die den Antragstellern und der weiteren Beteiligten zu 1 im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. Die Kostenentscheidung des Landgerichts, die hinsichtlich der Entscheidung über die Tragung der außergerichtlichen Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 von dem Antragsgegner beanstandet wird, ist als Ermessensentscheidung aus Rechtsgründen nicht angreifbar (vgl. § 47 WEG).

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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