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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.10.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 37/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 12 Abs. 1
WEG § 12 Abs. 2
WEG § 43 Abs. 4
Die Zustimmung zur Veräußerung eines Wohnungseigentums kann versagt werden, wenn der Käufer ( hier Lebensgefährte des Veräußerers) in der Vergangenheit durch provozierendes, beleidigendes und lärmendes Verhalten immer wieder Anlaß für Streitereien mit anderen Wohnungseigentümern bot.
Gründe:

I.

Der Antragsteller, der Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer aus sechs Wohnungen bestehenden Anlage. Der Antragsgegner ist zugleich Verwalter.

Der Antragsteller wird häufig von seiner Lebensgefährtin besucht, die in der Nähe zur Miete wohnt. Der Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sprachen 1997 gegen die Lebensgefährtin des Antragstellers wegen häufigen Streits mit ihr ein Hausverbot aus, das von der Lebensgefährtin aber nicht beachtet wird.

Der Antragsteller beabsichtigt, sein Wohnungseigentum gegen Zahlung von 50000 DM und Einräumung eines dinglichen Wohnrechts an seine Lebensgefährtin zu veräußern. Der Antragsgegner verweigerte als Verwalter die nach § 4 Nr. 1 der Gemeinschaftsordnung (GO) zur Veräußerung erforderliche Zustimmung. Die weiteren Beteiligten haben sich dem angeschlossen.

§ 4 Nr. 2 GO lautet:

Der Verwalter darf die Zustimmung nur aus einem wichtigen Grund versagen; als wichtiger Grund gilt insbesondere:

wenn durch Tatsachen begründete Zweifel bestehen, dass:

a) der Erwerber die ihm gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegenden finanziellen Verpflichtungen erfüllen wird, oder

b) der Erwerber oder eine zu seinem Hausstand gehörende Person sich in die Hausgemeinschaft einfügen wird.

Der Antragsgegner und die weiteren Beteiligten begründen die Verweigerung der Zustimmung zur Veräußerung an die Lebensgefährtin des Antragstellers mit § 4 Nr. 2 Buchst. b der Gemeinschaftsordnung. Der Antragsgegner macht geltend, seit die Lebensgefährtin den Antragsteller besuche und bei ihm lebe, gebe es dauernd Streit in der Hausgemeinschaft. Die Lebensgefährtin beleidige und provoziere immer wieder andere Hausbewohner. Auch belästige sie diese durch unnötiges Lärmen, etwa durch grundloses Zuwerfen der Wohnungstüre, lautes Zuklappen der WC-Brille und durch Baden in der Whirlpool-Badewanne des Antragstellers in den späten Abendstunden. Außerdem erstatte die Lebensgefährtin des Antragstellers immer wieder grundlos Anzeigen bei der Polizei gegen andere Bewohner des Hauses.

Der Antragsteller hält die Verweigerung der Zustimmung zur Veräußerung für unberechtigt, weil kein wichtiger Grund vorliege, und hat deshalb beim Amtsgericht beantragt, den Antragsgegner zur Zustimmung zu verpflichten.

Das Amtsgericht hat nach Vernehmung des Vertreters der weiteren Beteiligten zu 1, der übrigen weiteren Beteiligten, der Lebensgefährtin des Antragstellers sowie zweier anderer Hausbewohner mit Beschluss vom 13.10.2000 den Antrag abgewiesen.

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht mit Beschluss vom 16.1.2001 den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und den Antragsgegner zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet.

Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet; es führt zur Wiederherstellung des Beschlusses des Amtsgerichts.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Antragsgegner sei die richtige Partei, weil nach der Gemeinschaftsordnung die Veräußerung des Wohnungseigentums der Zustimmung des Verwalters bedürfe. Die Voraussetzungen für eine Versagung der Zustimmung lägen hier nicht vor. Nur ein wichtiger Grund könne die Versagung rechtfertigen. Diese Ausnahme von der Vertragsfreiheit sei ähnlich wie die Eigentumsentziehung an strenge Voraussetzungen zu knüpfen. Es müsse sich daher um schwere Störungen des Gemeinschaftsfriedens handeln. Danach sei schon zweifelhaft, ob die vom Erstrichter ermittelten Vorfälle ausreichend seien. Nicht alle gelegentlichen Spannungen zwischen Wohnungseigentümern, auch wenn sie lästig und unerfreulich seien, reichten aus. Dies vor allem dann nicht, wenn wie hier der Verdacht bestehe, dass einige Wohnungseigentümer durch ihr Verhalten ebenfalls zu den Spannungen beitrügen.

Diese Frage könne aber letztlich offen bleiben, weil es hier an der Ursächlichkeit zwischen Veräußerung und Störung des Gemeinschaftsfriedens fehle. Die Veräußerungsbeschränkung solle verhindern, dass "unliebsame Neulinge" in die Gemeinschaft gelangten, die den Gemeinschaftsfrieden nachhaltig stören könnten oder nicht die Gewähr böten, die gemeinschaftlichen Lasten anteilig zu tragen. Es müsse also erst durch den "Neuling" der bisher bestehende Gemeinschaftsfrieden nachhaltig gestört werden. So sei es hier aber nicht. Denn nach dem Sachvortrag des Antragsgegners sei der Gemeinschaftsfrieden schon lange gestört, nämlich seit der Anwesenheit der Lebensgefährtin in der Wohnung des Antragstellers. Gerade daran würde sich bei einer Übertragung des Eigentums vom Antragsteller auf seine Lebensgefährtin nichts ändern. Durch den Eigentumswechsel würde in bezug auf die Beziehungen der Gemeinschaftsmitglieder keine Veränderung zum Schlechteren zu erwarten sein.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zwar sind die Verfahrensfehler des Landgerichts geheilt, die darin bestehen, dass es die übrigen Wohnungseigentümer nicht formell am Verfahren beteiligt hat. Der Streit, ob der Verwalter die in zulässiger Weise gemäß § 12 WEG vorbehaltene Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums zu Recht verweigert hat, ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG zu entscheiden. Aktiv legitimiert ist nur der Veräußerer, passiv legitimiert der Zustimmungsberechtigte, damit hier der Verwalter. Die übrigen Wohnungseigentümer sind als materiell Beteiligte (§ 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG) auch formell am Verfahren zu beteiligen. Dies bedeutet, dass ihnen wegen der Rechtskrafterstreckung (§ 45 Abs. 2 Satz 2 WEG) und der von Amts wegen vorzunehmenden Sachaufklärung (§ 12 FGG) rechtliches Gehör zu gewähren ist. Das Landgericht hat die übrigen Wohnungseigentümer am Beschwerdeverfahren überhaupt nicht beteiligt. Darin liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler im Sinn von § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. §§ 550, 551 Nr. 5 ZPO, der grundsätzlich zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung führt. Eine Aufhebung und Zurückverweisung kommt nur dann nicht in Betracht, wenn feststeht, dass die vorher nicht am Verfahren Beteiligten nachträglich die Verfahrensführung genehmigt haben (vgl. zum Ganzen BayObLG WÜM 1995, 328). Davon kann hier ausgegangen werden, weil die übrigen Wohnungseigentümer dem Senat unter dem 19.3.2001 mitgeteilt haben, dass sie sich den Ausführungen der sofortigen weiteren Beschwerde vom 12.2.2001 vollumfänglich anschließen.

b) Die sachliche Begründung im Beschluss des Landgerichts ist von Rechtsfehlern beeinflusst.

aa) Ist nach § 12 Abs. 1 WEG vereinbart, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung eine Zustimmung benötigt, darf diese nach § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG nur aus einem wichtigen Grund versagt werden (vgl. hierzu § 4 GO). Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn gewichtige Gründe in der Person des Erwerbers vorliegen, die befürchten lassen, er werde die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer nicht beachten (BayObLG WuM 1995, 328/329; NJW-RR 1999, 452/453).

Der Begriff des wichtigen Grunds ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung im Einzelfall eine Rechtsfrage und damit vom Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbar ist. Hier hat das Landgericht an das Vorliegen eines wichtigen Grunds schon dadurch zu hohe Anforderungen gestellt, dass es eine Parallele zu den Anforderungen für eine Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 WEG gezogen hat. Dabei hat es insbesondere nicht bedacht, dass die Versagung der Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums an eine bestimmte Person und die Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 WEG in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen nicht vergleichbar sind. Die Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 WEG ist ein Eingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum und deshalb nur zulässig, wenn der betroffene Wohnungseigentümer schuldhaft und gröblich Verpflichtungen verletzt hat, die ihm den anderen Wohnungseigentümern gegenüber obliegen. Die Versagung der Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums ist eine relativ geringfügige Einschränkung der rechtlichen und wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit des Eigentümers, weil nur die Veräußerung an einen bestimmten Erwerber, nicht aber die Veräußerung allgemein verhindert wird. Deshalb können an das Vorliegen eines wichtigen Grunds im Sinn von § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht die gleichen hohen Anforderungen gestellt werden wie an die Voraussetzungen für eine Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 WEG.

bb) Zum anderen kommt es für das Vorliegen eines wichtigen Grunds nach § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht darauf an, ob der Erwerber der Wohnung etwa als Mieter oder Lebensgefährte des Veräußerers sich bereits in der Wohnanlage aufhält. Denn für das Vorgehen der übrigen Wohnungseigentümer gegen einen unverträglichen Mitbewohner macht es rechtlich einen erheblichen Unterschied, ob es sich um einen Wohnungseigentümer oder um einen Mieter oder Lebenspartner eines Wohnungseigentümers handelt. Ein Wohnungseigentümer kann nur über § 18 WEG dazu gebracht werden, dass er die Wohnanlage verlässt. Ein störender Mieter kann dadurch aus der Wohnanlage gebracht werden, dass die übrigen Wohnungseigentümer den Vermieter über § 14 Nr. 2 WEG zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 543 Abs. 1 BGB n.F. verpflichten. Gegen einen störenden Lebenspartner können die übrigen Wohnungseigentümer ein Hausverbot beschließen und gegen den Wohnungseigentümer über § 14 Nr. 2 WEG vorgehen. Der Hinweis des Landgerichts auf die fehlende Kausalität wäre allenfalls dann schlüssig, wenn der Erwerber des zu veräußernden Wohnungseigentums bereits Eigentümer einer anderen Wohnung in derselben Wohnanlage wäre.

cc) Da die vom Landgericht gegebene Begründung für die Verpflichtung des Antragsgegners, der Veräußerung des Wohnungseigentums des Antragstellers zuzustimmen, der Nachprüfung nicht standhält, ist die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben. Weitere Ermittlungen sind auch auf Grund des Sachvortrags der Beteiligten nicht erforderlich. Deshalb kann der Senat selbst in der Sache entscheiden und die Erstbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts zurückweisen. Das Amtsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Antragsgegner zu Recht die Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums an die Lebensgefährtin des Antragstellers versagt hat.

Die Beweisaufnahme durch das Amtsgericht hat Tatsachen ergeben, die die Annahme rechtfertigen, die Lebensgefährtin des Antragstellers werde sich in die Hausgemeinschaft nicht einfügen, insbesondere die Rechte der anderen Wohnungseigentümer missachten. Auch wenn die Aussagen der vom Amtsgericht vernommenen Zeugen nur einzelne Vorfälle von geringerem Gewicht erwiesen haben, ergibt sich aus der Fülle der berichteten Vorfälle und Verhaltensweisen der Erwerberin doch das Bild eines Menschen, der entweder nicht willig oder nicht fähig ist, die Verpflichtungen aus § 14 Nr. 1 und 2 WEG zu beachten. Insgesamt ist nach den Schilderungen der Zeugen der Schluss gerechtfertigt, dass die Erwerberin keine Gelegenheit auslässt, die übrigen Bewohner zu provozieren, zu beleidigen und zu belästigen. Das zeigt sich etwa darin, dass die Kinder im Haus sich nicht ohne Begleitung an der Wohnungstüre des Antragstellers vorbeizugehen trauen, weil dahinter die Erwerberin lauert, um sie durch plötzliches Öffnen und lautes Zuschlagen der Wohnungstüre zu erschrecken. Hinzu kommt, dass die Erwerberin einen Wohnungseigentümer beim Schneeräumen gestört und behindert hat, dass sie das von den übrigen Wohnungseigentümern verhängte Hausverbot in keiner Weise beachtet und dass sie vor dem Amtsgericht geäußert hat, wenn sie von den übrigen Hausbewohnern abgelehnt werde, gehe sie dann "eben aufs Ganze". Einen derartigen Miteigentümer brauchen die übrigen Wohnungseigentümer nicht in die Gemeinschaft aufzunehmen.

Schließlich haben mehrere Zeugen bekundet, dass von der Wohnung des Antragstellers erhebliche Ruhestörungen erst seit dem Zeitpunkt ausgehen, seit dem die Erwerberin sich dort öfters aufhält. Dafür, dass die Erwerberin sich als Störenfried in der Wohnanlage benimmt, spricht auch, dass sämtliche Wohnungseigentümer es befürworten, die Zustimmung zur Veräußerung zu versagen.

3. Dem Senat erscheint es angemessen, dem Antragsteller als dem Unterlegenen die Gerichtskosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen, besteht angesichts der unterschiedlichen Vorentscheidungen kein Anlass (§ 47 WEG).

Die mit den Vorinstanzen übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts auf etwa 20 % der Gegenleistungen für das Wohnungseigentum beruht auf 48 Abs. 3 Satz 1 WEG (vgl. BayObLG WuM 1995, 328/329).



Ende der Entscheidung

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