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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 07.08.2001
Aktenzeichen: 2Z BR 38/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 Abs. 1 Satz 2
WEG § 16 Abs. 2
WEG § 26 Abs. 1
WEG § 28 Abs. 3
WEG § 28 Abs. 5
WEG § 45 Abs. 1
1. Auch wenn jahrelang abweichend von der Gemeinschaftsordnung abgerechnet wurde, besteht keine die Gemeinschaftsordnung abändernde Vereinbarung über den Kostenverteilungsschlüssel.

2. Regelmäßig fehlen die Voraussetzungen für die Entlastung des Verwalters wenn die Jahresabrechnung magelhaft und der Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung ganz oder teilweise für ungültig erklärt worden ist.


Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Werdich und Dr. Delius

am 7. August 2001

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der weiteren Beteiligten und die Anschlussrechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 15. Januar 2001 werden zurückgewiesen.

II. Von den gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben der Antragsteller 1/10 und die weitere Beteiligte 9/10 zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 45500 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer aus 16 Wohnungen bestehenden Wohnanlage mit Tiefgarage, die von der weiteren Beteiligten von 1994 bis Ende 1998 verwaltet wurde. Seit Ablauf der Amtszeit des letzten Verwalters am 31.12.2000 ist die Wohnanlage ohne Verwalter.

Am 21.9.1999 genehmigten die Wohnungseigentümer zu Tagesordnungspunkt (TOP) 3b die von der weiteren Beteiligten erstellten Jahresgesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen 1998, erteilten unter TOP 4 der weiteren Beteiligten und unter TOP 5 dem Verwaltungsbeirat Entlastung, genehmigten unter TOP 6 den Wirtschaftsplan 1999 und bestellten unter TOP 7 die Wohnungseigentümer N. und S. für die Dauer von drei Jahren zu Verwaltungsbeiräten.

Am 21.10.1999 hat der Antragsteller, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, beantragt, den Eigentümerbeschluss zu TOP 3b mit Ausnahme der Heizkosten, Verwaltungskosten und Garagenkosten, die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 4 bis 6 und den Eigentümerbeschluss zu TOP 7 hinsichtlich des Verwaltungsbeirats N. für ungültig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass zu TOP 5 kein Eigentümerbeschluss gefasst worden ist.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 19.1.2000 die Anträge abgewiesen. Das Landgericht hat am 15.1.2001 auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 3b und 4 bis 6 im beantragten Umfang für ungültig erklärt. Im übrigen (hinsichtlich TOP 7) hat es das Rechtsmittel zurückgewiesen. Die weitere Beteiligte hat insoweit sofortige weitere Beschwerde eingelegt, als das Landgericht die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 3b, 4 und 6 für ungültig erklärt hat; mit Schriftsatz vom 7.6.2001 hat sie ihr Rechtsmittel hinsichtlich TOP 6 zurückgenommen. Der Antragsteller hat Anschlussrechtsbeschwerde eingelegt mit den Anträgen, hinsichtlich TOP 5 festzustellen, dass kein Eigentümerbeschluss zustande gekommen ist, TOP 7 für ungültig zu erklären, hilfsweise den Einzelgeschäftswert für TOP 7 von 5000 DM auf 500 DM herabzusetzen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten und die Anschlussrechtsbeschwerde des Antragstellers haben keinen Erfolg.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Die Ungültigerklärung der Eigentümerbeschlüsse zu TOP 3b und 4 berührt die Rechtsstellung der weiteren Beteiligten; sie ist deshalb rechtsmittelbefugt, obwohl sie bereits vor Verfahrenseinleitung ihr Verwalteramt verloren hat (vgl. BayObLG WE 1992, 51; Staudinger/Wenzel WEG § 43 Rn. 12; Palandt/Bassenge BGB 60. Aufl. § 43 WEG Rn. 19).

2. Die Anschlussrechtsbeschwerde hinsichtlich des Eigentümerbeschlusses zu TOP 5 ist unzulässig. Das Landgericht hat den Eigentümerbeschluss für ungültig erklärt. Dem Anschlussrechtsmittelantrag, festzustellen, dass kein Eigentümerbeschluss zustande gekommen ist, fehlt deshalb das Rechtsschutzbedürfnis. Obwohl die Anschlussrechtsbeschwerde nicht als Rechtsmittel angesehen und eine Beschwer allgemein als Zulassungsvoraussetzung nicht gefordert wird, muss aber der Antrag des Anschlussrechtsmittels doch auf mehr gehen als das, was der angefochtene Beschluss bereits zugesprochen hat (vgl. Zöller/ Gummer ZPO 22. Aufl. § 521 Rn. 20 m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Insbesondere reicht bei gleichbleibendem Ergebnis eine andere rechtliche Begründung für dieses Ergebnis nicht aus.

3. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Eigentümerbeschluss zu TOP 3b sei im beantragten Umfang für ungültig zu erklären. In der Einzelabrechnung des Antragstellers sei nämlich ein Betrag "Sonderkosten" in Höhe von 120 DM aufgeführt, für den eine entsprechende Buchung in der Gesamtabrechnung fehle. Abgesehen davon sei der Aufteilungsschlüssel bei den angefochtenen Rechnungsposten unrichtig. Die Gesamtkosten würden nämlich zunächst in 941,278/1000 aufgeteilt und dann nach Miteigentumsanteilen auf die einzelnen Wohnungseigentümer verteilt. Eine solche Berechnungsweise widerspreche der Gemeinschaftsordnung.

Die Entlastung der weiteren Beteiligten (TOP 4) könne schon deshalb keinen Bestand haben, weil der Beschluss über die Jahresabrechnung wegen der bezeichneten Mängel für ungültig erklärt werden musste.

Der Eigentümerbeschluss über die Wahl des Eigentümers N. zum Verwaltungsbeirat (TOP 7) sei nicht zu beanstanden. N. sei Wohnungseigentümer; ohne Bedeutung sei, dass er bereits zum Zeitpunkt seiner Wahl die Absicht gehabt habe, seine Wohnung möglicherweise zu verkaufen. Nicht entscheidungserheblich sei außerdem, dass der Verwaltungsbeirat entgegen der Gemeinschaftsordnung nur aus zwei statt aus drei Mitgliedern bestehe. Dies führe allenfalls dazu, dass noch ein weiteres Mitglied zu wählen sei.

4. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zutreffend hat das Landgericht den Eigentümerbeschluss zu TOP 3b im beantragten Umfang unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 3.3.1994 (WuM 1994, 568) für ungültig erklärt. Die Entscheidung betrifft den gleichen Sachverhalt in derselben Wohnanlage. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen.

Unerheblich ist, dass auch nach der Senatsentscheidung bis zum Ablauf der Amtszeit der weiteren Beteiligten unter Zugrundelegung des falschen Verteilungsschlüssels abgerechnet worden ist und die entsprechenden Eigentümerbeschlüsse erst ab dem Jahr 1997 angefochten worden sind. Eine die Gemeinschaftsordnung ändernde Vereinbarung über die Kostentragungspflicht lässt sich nicht allein daraus ableiten, dass mehrere Jahre lang eine davon abweichende Abrechnung erfolgt ist. Insbesondere reicht der Umstand nicht aus, dass die Wohnungseigentümer einen Eigentümerbeschluss hinnehmen, indem sie ihn nicht anfechten, um eine für das Zustandekommen einer Vereinbarung erforderliche Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer annehmen zu können (BayObLG DWE 1994, 26/28; OLG Zweibrücken FGPrax 1999, 140 f.). Es ist deshalb auch unerheblich, dass dem Wirtschaftsplan 1998 gleichfalls der unrichtige Verteilungsschlüssel zugrunde gelegt und der Eigentümerbeschluss darüber nicht angefochten wurde.

Unbedenklich ist, dass die Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses, mit dem eine Jahresabrechnung gebilligt wird, wie hier auf die Rechnungsposten beschränkt wird, bei denen die beanstandeten Mängel vorliegen.

b) Der Eigentümerbeschluss über die Entlastung der weiteren Beteiligten (TOP 4) ist zu Recht für ungültig erklärt worden. Leidet die Jahresabrechnung wie hier an einem Mangel und ist der Beschluss darüber ganz oder teilweise für ungültig zu erklären, fehlen in der Regel auch die Voraussetzungen für die Entlastung des Verwalters (ständige Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 30.5.2000 - 2Z BR 185/99).

c) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Gültigkeit der Wahl von N. zum Mitglied des Verwaltungsbeirats bejaht (TOP 7).

Entgegen der Auffassung des Antragstellers war die Eigentümerversammlung Beschlussfähig. Bei der Abstimmung über TOP 7 lagen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 WEG vor. Da es sich bei der Wahl des Verwaltungsbeirats um eine mitgliedschaftliche Angelegenheit der Wohnungseigentümer handelt, waren auch die Miteigentümer S. und N. stimmberechtigt (Palandt/Bassenge § 25 WEG Rn. 16). Unerheblich ist, ob bei der vorausgegangenen Abstimmung über TOP 5 (Entlastung des Verwaltungsbeirats) die Beschlussfähigkeit der Versammlung gegeben war. Nach § 29 Abs. 1 Satz 2 WEG und § 17 Gemeinschaftsordnung (GO) müssen die Mitglieder des Verwaltungsbeirats Miteigentümer der Wohnanlage sein. Diese Voraussetzung lag bei N. zum Zeitpunkt der Wahl vor. Unerheblich ist, ob N. zu diesem Zeitpunkt bereits die Absicht hatte, seine Wohnung zu verkaufen. Allein eine Verkaufsabsicht steht der Wahl zum Verwaltungsbeirat nicht entgegen; dies gilt jedenfalls dann, wenn wie hier zum Zeitpunkt der Wahl noch nicht eindeutig feststeht, ob und wann sich die Verkaufsabsicht verwirklichen lässt. Im übrigen führt das Ausscheiden eines Verwaltungsbeiratsmitglieds aus der Wohnungseigentümergemeinschaft nur dazu, dass er sein Beiratsamt verliert und ein neues Mitglied gewählt werden kann (Staudinger/Bub WEG § 29 Rn. 35 und 44a). Für die Wohnungseigentümer unzumutbare Folgen entstehen also nicht, wenn sie einen Wohnungseigentümer zum Verwaltungsbeirat wählen, der schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit sein Beiratsamt verliert.

Nach § 17 GO besteht der Verwaltungsbeirat aus mindestens drei Personen, die Miteigentümer der Wohnanlage sein müssen. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Eigentümerbeschluss, mit dem entgegen § 17 GO weniger als drei Personen zum Verwaltungsbeirat gewählt werden, wegen Verstoßes gegen das Vertragsprinzip des § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG anfechtbar ist (vgl. Staudinger/Bub § 29 Rn. 14 m.w.N.). Jedenfalls im vorliegenden Fall könnte aus diesem Grund der Eigentümerbeschluss nicht für ungültig erklärt werden, weil der Antragsteller nur die Wahl des Eigentümers N. angefochten hat, die Wahl von S. aber Bestand haben soll. Im übrigen nennt TOP 7 als Betreff "Neubestellung von mindestens zwei Beiräten für die Zeit von drei Jahren"; die Wahl eines dritten Beiratsmitglieds zu einem anderen Zeitpunkt wird durch den Eigentümerbeschluss somit nicht ausgeschlossen.

d) Das Landgericht hat den Einzelgeschäftswert für die Anfechtung der Wahl von N. zum Verwaltungsbeirat auf 5000 DM festgesetzt. Dies ist nicht zu beanstanden. Maßgeblich für die Geschäftswertfestsetzung sind die in § 29 Abs. 2 WEG genannten Aufgaben eines Verwaltungsbeirats. Im vorliegenden Fall war insbesondere zu berücksichtigen, dass N. für die Dauer von drei Jahren gewählt worden ist und dass der Verwaltungsbeirat nur aus zwei Mitgliedern besteht.

5. Die Kostenentscheidung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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