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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 31.08.2000
Aktenzeichen: 2Z BR 39/00
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 183
WEG § 15 Abs. 3
Die Einrichtung eines Friseursalons in einer im ersten Obergeschoß gelegenen Eigentumswohnung stört und beeinträchtigt jedenfalls in einer kleinen Wohnanlage mehr als wenn die Wohnung nur zu Wohnzwecken genutzt wird.

Ob in einer Wohnung ein Büro eingerichtet werden darf, hängt von der Art des Bürobetriebs ab.


BayObLG Beschluß

LG Augsburg 7 T 2816/97; AG Nördlingen -Zweigstelle Donauwörth - UR II 23/95

2Z BR 39/00

31.08.00

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Reichold sowie der Richter Demharter und Werdich

am 31. August 2000

in der Wohnungseigentumssache

wegen Ungültigerklärung von Eigentümerbeschlüssen u.a.,

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 20. März 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren in allen Rechtszügen wird auf 10000 DM festgesetzt. Die Geschäftswertfestsetzung der Vorinstanzen wird entsprechend abgeändert.

Gründe

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner zu 1 bis 4 sind Wohnungs- und Teileigentümer einer Anlage, die vom Antragsgegner zu 5 verwaltet wird. Das Teileigentum der Antragsgegnerin zu 1, in dem diese eine Bankfiliale betreibt, umfasst das gesamte Erdgeschoß des Hauptgebäudes und einen eingeschoßigen Anbau; die Räume des Anbaus dienen dem Kundenverkehr und haben einen eigenen Zugang zur Straße. Im ersten und zweiten Obergeschoß des Hauptgebäudes liegen je zwei Wohnungen. Sie gehören der Antragstellerin sowie den Antragsgegnern zu 2 bis 4 und sind über das Treppenhaus des Hauptgebäudes zugänglich. Der Eingang zum Hauptgebäude wird auch vom Personal der Bank benutzt, für Bankkunden ist er nicht zugänglich.

Die als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung (Abschnitt C der Teilungserklärung vom 30.11.1993) bestimmt in § 4 Nr. 4:

Wohnungen und dazugehörige Nebenräume dürfen nur zu Wohnzwecken verwendet werden. Zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in der Wohnung ist der Wohnungseigentümer nur mit schriftlicher Zustimmung des Verwalters, die unter Auflagen erteilt werden kann, berechtigt. Das Gleiche gilt auch für den Fall, dass die Wohnräume zur Ausübung eines Berufes oder Gewerbes Dritten überlassen werden. Der Verwalter kann die Zustimmung nur aus wichtigen Gründen verweigern. Als wichtiger Grund ist es insbesondere anzusehen, wenn die Ausübung des Gewerbes oder des Berufes eine ungebührliche Beeinträchtigung der Wohnungseigentümer oder eine übermäßige Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums mit sich bringt.

Die Antragstellerin überließ ihre im ersten Obergeschoß gelegene Wohnung ihrem Sohn, der dort einen Zweigbetrieb seines Friseursalons einrichten wollte. Der Antragsgegner zu 5 als Verwalter stimmte mit Schreiben vom 9.5.1995 einer gewerblichen Nutzung des Wohnungseigentums zu. Nachdem das Vorhaben in einer Eigentümerversammlung auf Widerspruch gestoßen war, widerrief der Antragsgegner zu 5 seine Zustimmung mit Schreiben vom 27.6.1995.

Die geplante gewerbliche Nutzung des Wohnungseigentums der Antragstellerin war Gegenstand der Eigentümerversammlung vom 6.7.1995, bei der sämtliche Wohnungs- und Teileigentümer anwesend waren. Zu Tagesordnungspunkt (TOP) 2a entschied die Versammlung "Über den Bestand der Verwalterzustimmung vom 9.5.1995"; die Mehrheit sprach sich dagegen aus. Beschlußanträge der Antragstellerin betreffend die Nutzung ihres Wohnungseigentums als Friseursalon (TOP 2b) oder als Büroräume (TOP 2c) fanden keine Mehrheit.

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht beantragt, die Eigentümerbeschlüsse der Versammlung vom 6.7.1995 für ungültig zu erklären sowie festzustellen, dass die Nutzung der Räume als Friseurgeschäft oder Büroräume zulässig ist, und die Zustimmung des Antragsgegners zu 5 zur Nutzungsänderung zu ersetzen. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 14.4.1997 festgestellt, dass die Antragstellerin ihre Wohnung als Friseurgeschäft oder Büroräume nutzen darf, insoweit werde die Zustimmung des Verwalters ersetzt. Die weiteren Anträge sind abgewiesen worden.

Die Antragsgegner zu 2 und 3 haben sofortige Beschwerde eingelegt. Die Antragstellerin hat im Weg der Eventualanschlußbeschwerde für den Fall dass das Beschwerdegericht den Widerruf der Verwalterzustimmung als unwirksam ansieht, beantragt, den Eigentümerbeschluss zu TOP 2a für ungültig zu erklären.

Das Landgericht hat am 20.3.2000 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben, die Anträge der Antragstellerin abgewiesen und ihre Eventualanschlußbeschwerde zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Sie erstrebt die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts und beantragt hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit des vom Verwalter erklärten Widerrufs seiner Zustimmung, die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 2a bis TOP 2c für ungültig zu erklären.

Die Antragstellerin hat ihr Wohnungseigentum in der Zwischenzeit ihrem Sohn übereignet.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Die Veräußerung ihres Wohnungseigentums durch die Antragstellerin hat auf deren Stellung als Verfahrensbeteiligte keinen Einfluß; § 265 ZPO ist entsprechend anzuwenden. Der Veräußerer führt das Verfahren in Verfahrensstandschaft für den neuen Rechtsträger fort; die rechtskräftig gewordene Entscheidung wirkt für und gegen den Erwerber (§ 45 Abs. 2 Satz 1 WEG, § 325 Abs. 1 ZPO entsprechend; vgl. BayObLGZ 1994, 237/239 m.w.N.).

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Nach § 4 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung könne der Verwalter die Zustimmung zu einer beruflichen oder gewerblichen Nutzung des Wohnungseigentums nur aus wichtigen Gründen verweigern. Diese "wichtigen Gründe" seien einer Nachprüfung durch die Eigentümerversammlung zugänglich. Der Verwalter habe daher seine schriftliche Zustimmung widerrufen können, nachdem die Eigentümerversammlung dies ausgesprochen habe.

Die Bezeichnung eines Raumeigentums als Wohnung stelle eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter dar und verbiete die Nutzung zu einem anderen Zweck, der andere Wohnungseigentümer mehr störe oder beeinträchtige. Dabei müsse auf die konkrete Situation abgestellt werden. Die Bank im Erdgeschoß bilde eine solitäre Einheit; der darüberliegende Trakt bestehe nur aus Wohnungen. Durch einen gewerblichen Betrieb mit Kundenverkehr würde die von den Wohnungseigentümern gewünschte Wohnsituation beeinträchtigt. Das Argument der Antragstellerin, dass eine Familie mit Kindern mehr Lärm verursache als die etwa 15 Kunden des Friseursalons, liege neben der Sache.

Auch die Ablehnung einer Umgestaltung der Wohnung zu Büroräumen sei nicht zu beanstanden, denn die Antragstellerin habe nie erklärt, wie diese Nutzung aussehen solle. Aus den genannten Gründen sei auch die Eventualanschlussbeschwerde unbegründet.

3. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragstellerin ein rechtliches Interesse an der beantragten Feststellung hat (§ 256 ZPO entsprechend, vgl. BayObLGZ 1987, 291/293 f.). Die Beschlußfassung in der Eigentümerversammlung vom 6.7.1995 erschöpft sich im wesentlichen in einer Ablehnung der von der Antragstellerin gestellten Nutzungsanträge. Die Antragstellerin hat daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass sie ihr Wohnungseigentum in der beabsichtigten Form nutzen darf.

Nachdem das Landgericht die Wirksamkeit des Widerrufs der Verwalterzustimmung bejahte, hätte es allerdings nicht über die nur für den Fall der Verneinung eingelegte Eventualanschlußbeschwerde entscheiden dürfen (vgl. BGHZ 21, 13/16).

b) Zu Recht sieht das Landgericht darin, dass die Räume der Antragstellerin in der Teilungserklärung als "Wohnung" bezeichnet sind, eine Nutzungsregelung mit Vereinbarungscharakter im Sinn von § 10 Abs. 1 und 2, § 15 Abs. 1 WEG. Dies bedeutet zunächst, dass die Räume nur als Wohnung oder sonst in einer Weise genutzt werden dürfen, die bei der gebotenen verallgemeinernden Betrachtungsweise nicht mehr stört oder beeinträchtigt als eine bestimmungsmäßige Nutzung. Diese Regelung wird ergänzt durch die Bestimmungen in § 4 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung, die gleichfalls Vereinbarungscharakter im Sinn von § 15 Abs. 1 WEG haben. Danach ist die Ausübung eines Berufs oder eines Gewerbes in einer Wohnung nur dann nicht zulässig, wenn ein wichtiger Grund entgegensteht. § 4 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung ist nach seiner nächstliegenden Bedeutung so auszulegen, dass in einem solchen Fall die Genehmigung versagt werden muß, dem Verwalter also kein Ermessensspielraum eingeräumt ist (BayObLG WE 1997, 319 m.w.N. und st.Rspr.).

c) Die Einwilligung des Verwalters ist eine formelle Voraussetzung für die Ausübung eines Berufs oder Gewerbes. Die Prüfung und Entscheidung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Einwilligung gegeben oder ausnahmsweise nicht gegeben sind, wird zunächst in die Hand des Verwalters gelegt. Die Entscheidung des Verwalters unterliegt jedoch einer Kontrolle durch die Wohnungseigentümer sowie einer Überprüfung durch das Gericht (BayObLG WE 1997, 319 m.w.N.). Eine gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Verwalters, wie sie vom Amtsgericht ausgesprochen wurde, kommt allerdings nicht in Betracht. vielmehr wäre auszusprechen, dass der Pflichtige die Zustimmung zu erteilen hat (BayObLGZ 1977, 40/44).

d) Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der vom Antragsgegner zu 5 mit Schreiben vom 27.6.1995 erklärte Widerruf seiner Zustimmung zu der von der Antragstellerin erst beabsichtigten Nutzung ihres Wohnungseigentums als Friseursalon wirksam war; dies ergibt sich aus § 183 BGB (vgl. Staudinger/ Kreuzer WEG § 12 Rn. 86 und § 10 Rn. 136; Bärmann/Pick WEG 8. Aufl. § 12 Rn. 42; Palandt/Bassenge BGB 59. Aufl. § 12 WEG R. 7).

Damit entfällt eine Entscheidung über die im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellten Hilfsanträge, die im übrigen hinsichtlich der Beschlußfassung zu TOP 2b und TOP 2c unzulässig wären, weil die Abweisung dieser Anträge im Beschwerdeverfahren nicht angefochten und somit rechtskräftig geworden ist.

e) Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass einer Nutzung des Wohnungseigentums zum Betrieb eines Friseursalons angesichts der in der Wohnanlage der Beteiligten gegebenen Verhältnisse ein wichtiger Grund entgegensteht. Frei von Verfahrensfehlern und damit für das Rechtsbeschwerdegericht bindend (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO) hat das Landgericht festgestellt, dass die im Erdgeschoß des Hauptgebäudes gelegenen Räume der Bank, die dem Kundenverkehr nicht zugänglich sind, den Charakter des in den oberen beiden Stockwerken gelegenen Wohnbereichs nicht prägen. Da dieser Wohnbereich nur insgesamt vier Wohnungen umfaßt, erscheint die vom Betrieb eines Friseursalons mit drei Beschäftigten und etwa 15 Kunden pro Tag ausgehende Beeinträchtigung für die Eigentümer und Mieter der übrigen drei Wohnungen bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise (vgl. BayObLGZ 1995, 42/46) nicht zumutbar. Überdies machen die Antragsgegner mit Recht geltend, dass beim Betrieb eines Friseursalons mit dem Auftreten von Dämpfen und Gerüchen zu rechnen ist, die in einem reinen Wohnbereich nicht hingenommen werden müssen.

f) Soweit die Antragstellerin die Feststellung begehrt, dass sie das Wohnungseigentum als Büroräume nutzen darf, ist das Rechtsmittel ebenfalls unbegründet. Eine Nutzung zu Bürozwecken ist in vielfältiger Weise denkbar. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise schließt sie eine Nutzung mit Angestellten und Publikumsverkehr ein, die mehr stört als eine Nutzung als Wohnung. Die begehrte allgemeine Feststellung, dass die Räume als Büroräume genutzt werden dürfen, ist daher nicht möglich. Dies schließt es aber nicht aus, dass eine bestimmte Nutzung zu Bürozwecken im Hinblick auf § 4 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung hingenommen werden muß, weil kein wichtiger Grund entgegensteht. Über die Frage, welche Umstände einen wichtigen Grund zur Versagung der Nutzungsgenehmigung darstellen, kann nicht abstrakt entschieden werden; maßgebend sind vielmehr die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BayObLGZ 1987, 291/297; BayObLG WE 1997, 319/320). Neben der Größe und dem Charakter der Wohnanlage wird vor allem die Art der vorgesehenen Büronutzung und der Umfang des zu erwartenden Publikumverkehrs von Bedeutung sein (vgl. Staudinger/ Kreuzer § 10 WEG Rn. 129).

4. Dem Senat erscheint es angemessen, der unterlegenen Antragstellerin die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Der Geschäftswert wird für alle Rechtszüge, insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin, auf 10000 DM festgesetzt (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG). Die niedrigere Geschäftswertfestsetzung der Vorinstanzen wird entsprechend abgeändert (§ 31 Abs. 1 Satz 2 KostO).

Ende der Entscheidung

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